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 A f g h a n i s t a n  I I I

 

 

ANA-Aufbau: Preis

26. November 2009

Es immer berückend, wenn man zu einem aktuellen Thema Literatur findet, die einfach exellent ist. Da das Thema “Aufbau der “Afghan National Army” (ANA) in den Mittelpunkt der Strategie der “Afghan Ownership” gerückt ist, und neben der Katastrophe des Aufbaus der afghanischen Polizei (ANP) noch am ehesten Erfolg verspricht, ist fachkundige Analyse der bisherigen Erfahrungen äusserst hilfreich.

Oberst (ret.) Jeff Haynes hat genau dies geleistet. Seine gut 7-seitige Analyse sowie seine Empfehlungen muss man lesen, um die anstehende Aufgabe richtig anzugehen:
http://www.fpri.org/enotes/200911.haynes.reformingafghannationalarmy.html

Bedenkt man,

  • dass der bisher geplante ANA-Umfang von 120.000 (?) auf 240.000 angehoben werden soll,
     
  • dass auch der ANP-Umfang drastisch erhöht werden soll,
     
  • die Finanzierung der alten Umfänge in der Planung des afghanischen Haushalts für die nächsten Jahre nur zu grob 50 % (allgemeines Defizit) gedeckt ist,
     
  • Qualität erheblich mehr Zeit erfordert als die Erfüllung von plakativen quantitativen Soll-Zahlen,

kann man sich fragen, ob solche “Benchmarkings” von der internationalen AFG-Konferenz im Jan. 2010 genügend und detailliert den abzugswilligen Wählerschaften präsentiert werden.

Bei solchen Beträgen ist natürlich nicht eingerechnet, was die wohlfeile, natürlich berechtigte Forderung nach Erhöhung der zivilen Hilfe angeht.

Schade, dass uns niemand unser “Gesetz” abkauft:

  • Sicherheit aufzubauen ist schweineteuer; der laufende Unterhalt spottbillig!

{Die Nachfrage bestimmt den Preis}

 

AFG/Exit-Konzept: übernehmen

19. November 2009

Seit gestern liegt die 10-seitige “Ressortübergreifende Entscheidungsgrundlage zur Mandatsverlängerung und vor der internationalen Afghanistan-Konferenz” vor, die AA, BMVg, BMI und BMZ für die Bundesregierung mit dem Titel “Afghanistan. Auf dem Weg zur ‘Übergabe in Verantwortung’” abgezeichnet haben: http://www.bundesregierung.de/Content/DE/__Anlagen/2009/11/2009-11-18-dokument-afgha nistan,property=publicationFile.pdf

Löblich ist, dass die Bundesregierung überhaupt ihre Positionierung der Öffentlichkeit vorstellt; den Titel “Exit-Strategie” hat sie lieber mit der Verdeutschung des anglo-amerikanischen Fachbegriffes “Ownership” vermieden; “Abzugsstrategie” darf man das gar nicht nennen.

Wo sich die alte Bundesregierung vor Monaten noch fürchtete, konkrete Plandaten anzusprechen, bringt sich die amtierende Regierungskoalition mit ihrer “Übergabe”-Konzeption allerdings in erheblichen Zugzwang. Sie verspricht dort nämlich, ihren notwendigen Beitrag dazu zu leisten, dass die afghanischen Sicherheitskräfte in die Lage versetzt werden, auch einer Übernahme in Verantwortung gerecht werden zu können:

  • Welchen Umfang, welche Ausrüstung und welchen “Combat-Ready”-Status können die afghanischen Sicherheitskräfte auf der Zeitschiene nach 2010 erreichen?
     
  • Welche personellen und finanziellen Resourcen sind von den westlichen Geberstaaten dazu notwendig, und wie hoch ist angesichs der Kassenlage die Aussicht, dass sie tatsächlich auch bereitgestellt werden?
     
  • Wenn die Bundesregierung nur ihre dementsprechende Plan-Rechnung für den von ihr verantworteten Norden AFG anstellt, wird sie sie spätestens nach der AFG-Konferenz der Öffentlichkeit detailliert vorlegen müssen (in den Ministerien liegen die Daten und Fakten heute alle vor!). Anderenfalls nährt sie nur die berechtigte Vermutung, dass sie mit der politischen Lyrik von der “Übergabe” ohne Verwantwortung zum Notausgang flüchtet.

{Beim .. Übergeben nicht übernehmen}

 

AFG-Strategie: Meinung

16. November 2008

Die Erkenntnis ist trivial, dass strategische Entscheidungen unterschiedlich danach ausfallen, welche Gewichtungen man den zugrundeliegenden  Faktoren je nach dem zumisst. U.E. ist es hilfreich zu fragen, welche Faktoren denn unabänderlich sind, sozusagen ihre eigene “Schwere” haben:

  • Verpflichtung:

    Der “Westen”, die NATO, die Internationale Staatengemeinschaft, hat sich in Sachen Afganistan seit der ersten Petersberg-Konferenz im Dezember 2001 und in den 5 Folgekonferenzen verpflichtet, bestimmte Leistungen zu erbringen. Wer als Privatmann(frau) im zivilen Alltagsleben feierlich eingegangene Verpflichtungen nicht erfüllt, wird Konsequenzen tragen müssen, die sehr weitgehend sein können.

    In der Aussenpolitik zwischen den rund 200 Nationen unserer Erde gelten keine anderen Mechanismen. Freunde und Feinde werden für ihr weiteres Verhalten aus der Nicht-Einhaltung von Verpflichtungen unsererseits möglicherweise weitreichende Schlüsse ziehen, die uns langfristig sehr schaden könnten.
     
  • Zeit:

    Abseits aller Wunschvorstellungen nach einem demokratischen Staat und “blühenden Landschaften” ist vernünftiger Minimalkonsens, dass AFG wenigstens in Sachen grundlegender Sicherheit zur eigenverantwortlichen Übernahme befähigt werden muss. An den Fakten ist nachweisbar, dass der Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte vor 2012 nicht abgeschlossen sein kann. Bis dahin reicht die Verpflichtung der Internationalen Staatengemeinschaft auf jeden Fall. Jeder frühzeitigere (massive) Abzug wäre ein eindeutiger Verstoss gegen die eingegangene Verpflichtung.
     
  • Ziel:

    Die Frage der guten Regierungsfähigkeit in Kabul rückt mehr und mehr ins Zentrum der Debatte - als Begründung für ein nachlassendes Engagement natürlich. Dass man der allseits als korrupt beschriebenen und nach den Wahlen de-legitimierten Regierung Karzai jeden Zwang zur Änderung ihres Verhaltens auferlegen sollte, steht ausser Frage (die entsprechenden “Werkzeuge” müssen aber auch “passen”).

    Wenn man aber vergisst, dass das allererste, allerwichtigste Ziel von ISAF etc. ist, den ganz “normalen” Menschen in Afghanistan Sicherheit für ein selbstbestimmtes Leben in ihrer Kultur zu geben, dann hat man wirklich verloren - und sollte sofort abziehen.

{Man ist im Wege, wenn der Mensch im Mittelpunkt steht}

 

AFG-Mandat: Verspätung

29. Oktober 2009, Berlin

An seinem ersten Arbeitstag wird Verteidigungsminister Freiherr zu Guttenberg (FzG) sich eingestehen müssen, dass er nicht 100 Tage Schonfrist für sich beanspruchen kann, denn im Dezember steht die Verlängerung des Bw/AFG-Mandats durch den Bundestag an.

Als politisch sakrosankt erschent die bisherige Obergrenze von 4.500 SoldatINNEN. Am Rande des CSU-Parteitages hat sich der Minister über PHOENIX-TV am 26. 10 dahingehend geäussert. “Optimierungsbedarf” hat er eingestanden; der müsse aber “nicht zwingend immer mit Aufstockung verbunden” sein.

Eigentlich müssten die verantwortlichen Militärs ihren obersten Dienstherrn schon mit dem Lagebericht gedient haben. Uns hat man dazu verholfen:

  • Derzeit ist 4.312 Militärpersonal vor Ort; zur Mandatsobergrenze hat man also gerade 188 Reserve;
     
  • Nimmt man nur die Personal-Forderungen des 19. Kontingentberichtes, ist man schon über der 4.500-Marke;
     
  • Nur die militärische Führung sitzt auf den konkreten Zahlen. Unsere ganz grobe Daumenpeilung ergibt, dass eine Anpassung auf etwa 4.800 (4.900) zwingend notwendig ist;
     
  • Die Zahl 7.000 schwirrt nicht ohne Grund seit längerem.

Im Bereich Finanzen und Material ist die Forderung unbestritten, dass der Truppe im Einsatz “alles” zur Verfügung zu stellen ist. Gilt das nicht für autoritative personelle Forderungen?

Der Hinweis darauf, dass man doch erst einmal die AFG-Konferenz im Frühjahr 2010 abwarten solle, lässt die Kameraden in AFG für mindestens ein halbes Jahr hängen.

{Eine Sekunde Verspätung sollte man sich in bestimmten Situationen nicht erlauben}

 

Kunduz und Ilyas: Gestalten

21. Oktober 2009

Damit man die Bodenhaftung nicht verliert, muss man zwischendurch AFPAK lesen. Wichtig zur Lage um das “deutsche” Kunduz ist zunächst, was Gul Rahim Niazmand in der “Asian Times” feststellt:

Unbedingt lesen muss man den Bericht von Marco Seliger, Chefredakteur von LOYAL, den die FAZ abgedruckt hat, und den Tom Wiegold online bietet; Kunduz life:

Unser “Liebling”, Syed Saleem Shahzad von der “Asian Times”, wird augenscheinlich in höchsten Terroristenkreisen auch geschätzt. Er ist zu einem Gespräch mit Al-Qaida’s Chef für militärische Operationen, Mohammad Ilyas Kashmiri, eingeladen worden:

U.E. bietet der Text reichlich Stoff zum Nachdenken:

  • Selbst einen bisher so schweigsamen Spitzenkrieger wie Ilyas drängt es, einmal prominent gedruckt zu werden (also: selbst Islamisten kommen ohne die irdische Unsterblichkeit nicht ganz aus);
     
  • Sein Meinungsprofil ist absolut strategisch:

    1. Sein oberster und allererster “Satan” sind die U.S.A.;
    2. Man darf begründet vermuten, dass seine AFPAK-Strategie darauf zielt, über Kashmir den Todfeind Indien zu treffen.

Als letzte “Gute-Nacht”-Geschichte kann man noch Ahmed Rashid lesen, um die pakistanische Situation besser zu verstehen:
http://www.asiasentinel.com/index.php?option=com_content&task=view&id=2109&Itemid=197
(bisher hat
www.weblog-sicherheitspolitik.info täglich die beste AFPAK-Medienübersicht geboten; www.realclearworld.com muss man dazunehmen).

{Politik will “gestalten” - und trifft auf Gestalten}

 

U.S.-AFPAK-Strategie: up/down

8. Oktober 2009

Wenn man auf http://www.realclearworld.com/ alle AFPAK-Artikel der letzten Tage liest (incl. das 15-Seiten-Opus über Richard Holbrooke im “New Yorker”), bekommt man einen Eindruck davon, welche gewaltige Debatte im sicherheitspolitischen Establishment in Sachen AFPAK stattfindet.

Im Vorfeld der Entscheidung von U.S.-Präsident Obama (zum Ende des Monats?) liefern sich zwei Fraktionen ein Gefecht mit Argumenten, die man alle nicht gleich von der Hand weisen kann:

  • Eigentlich ist U.S.-Vizepräsident Biden der Fähnlein-Führer derjenigen, die den blutigen und teueren (nicht gewinnbaren?) Kleinkrieg gegen die Taliban satt haben, und statt dessen AlQaida per Drohnen-Beschuss erledigen wollen. Die Antikriegs-Fraktion der Demokraten ist mächtig genug; in 2010 sind schon wieder Wahlen;
     
  • U.S.-Verteidigungsminister Gates warnt neuerdings vor den horrenden Wahrnehmungs-Folgen eines Sieges der Taliban. Die Befürworter einer U.S.-Truppenverstärkung von zusätzlichen 40.000 (auf 100.000) Soldaten, wie sie der U.S.-Kommandierende McChrystal gefordert hat, vertrösten auf einen Erfolg ab 2011.

Klar ist, dass Barack Obama’s Entscheidung von tiefgreifender Bedeutung sein wird. Falls es nicht eine “kräftige Sowohl-als-Auch”-Pose wird, darf man folgern:

  • Entweder bäumt sich die U.S.-Administration mit einer “Surge”-Strategie gegen die drohende Niederlage auf,
     
  • oder man schaut resourcen-sparend auf die zentralen (core) “nationalen (weltweiten) U.S.-Sicherheitsinteresssen”, bei denen der ärmste und korrupteste Staat (von rund 200) nun nicht die Rolle spielen darf, die er derzeit innehat (incl. Imperiumsgrab und Vietnam-Syndrom).

Die U.S.-Entscheidung wird uns Deutsche (und Andere) flugs einholen. Blinkt Obama nur kurz, rattert in der Kommando-Kette die neue Befehlslage.

{Unser altes Lied: “Top down vs. Bottom up”}

 

Cordesman’s Kriegslehren: Korn

1. Oktober 2009

Sorry, wir haben gestern in Bonn richtig Arbeitszeit verloren, was aber nicht heisst, dass es sehr schön war.

Deshalb heute nur ein kurzer Hinweis auf eine 3-teilige Studie, die der grosse Meister Anthony H. Cordesman beim CSIS aufgelegt hat, über die “Uncertain Lessons” der U.S.-Kriege in Afghanistan und dem Irak:
http://csis.org/publication/shape-clear-hold-and-build-uncertain-lessons-afghan-iraq-wars (im Text sind die Links zu dem Dreiteiler “verborgen”).

Ohne die Arbeit wenigstens durchgeblättert haben, empfehlen wir sie “blind”.

{“Ein blindes Huhn trinkt auch mal ‘nen Korn”}

 

1. AFG-Test: fallen

30. September 2009

In Sachen AFG laufen einige Zeitlinien wie die Blasenbahnen explosiver Torpedos:

  • U.S.-Präsident Obama hat noch ein paar Wochen, sich zu seinem “war of necessity” zwischen der Empfehlung seines Vize Biden oder Gen. McChrystal zu entscheiden;
     
  • Dann wird (irgendso, Anfang Nov.) der Koalitionsvertrag fertig sein, und die Kanzlerin, der neue Aussen- und der Verteidigungsminister werden ihre Stühle beziehen;
     
  • Schon wenige Wochen später (im Dez.) müssen nicht nur die Regierungs-, sondern auch die Oppositionsparteien (besonderes Augenmerk SPD) sich der “neuen Lage” stellen.

Das sich derzeit entwickelnde Lagebild wird geprägt von:

  • einem Associated Press-Artikel, den die Referenz-Website “military.com” gestern in den Titel gehoben hat:
    http://www.military.com/news/article/northern-afghan-supply-route-threatened.html?E SRC=eb.nl
     
  • dem Umstand, dass Brigadegeneral Jörg Vollmer als deutscher RC-North-Verantwortlicher mit seiner “Bewertung der Auftragserfüllung” im 19. “Erfahrungsbericht Einsatz” vom 24. Aug. 09 nach oben gemeldet hat:
    “ Ein sofortige und raumgreifende Lageverbesserung in der gesamten Provinz Kunduz ist mit dem derzeitigen DEU Kräftepositiv nicht zu erreichen”;
     
  • einer unsererseits nicht mehr nachvollziehbaren Quelle aufgeschnappt wurde, dass die U.S.-Streitkräfte mit einem 350-Mann-starken Kontingent im “deutschen” RC North bereits aufmarschiert sind, um die Stationierung von mehr U.S.-Soldaten vorzubereiten (was “traut” man uns noch zu?).

Muss man das Logistik-Problem noch erläutern? Wenn sich über die Nord-Route (“silk road”) neuerdings pro Woche 300 Container-LKW’s an Kunduz vorbei quälen, spricht das Bände.

Die vom BMVg/AA zu erarbeitende Empfehlung zu dieser Lage wird nicht einfach: Sollen Merkel und Westerwelle “die Füsse ruhig halten”? Oder wird die schwarz-gelbe Regierungskoalition mit einer entsprechend geänderten Mandatsvorlage konfrontiert, aus der die SPD die ablehnungs-begründende Formulierung textet? Oder ist der (hoffentlich) neue Verteidigungsminister in der Lage, im Kontingentrahmen genügend “Infanteriekräfte” zu plazieren?

Nach den gestern vom TV übertragenen Nachrichten über das Treffen von Barack Obama und NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen darf man gespannt sein, wie das Gefecht zwischen Nationalisten und Internationalisten in Deutschland ausgeht; bei unseren Sicherheitspolitikern gibt es auch “Globalisierungsgegner”.

NATO-Generalsekretär Rasmussen hat den Amerikanern gerade versichert, dass die Europäer “your brothers in arms” sind:
http://www.nato.int/cps/en/natolive/opinions_57722.htm (vorletzter Satz).

{“In die Arme fallen” wäre wohl nicht ganz korrekt übersetzt}

 

Kagan’s Notwendigkeiten: Fete

23. September 2009

Die McChrystal-Beurteilung der Lage in AFG hat im Heimatland (und darüber hinaus) schon eine Welle losgetreten, die hochpolitisch ist, z.B.:

U.E. ist das ein “systemisches”, vielleicht nur logisches, Problem:
Wer von der Kanzel wohlklingende, markige Ziele propagiert, muss dem Resourcen-Buchhalter auch den entsprechenden “Tribut” zollen; sonst geht’s ins Beinkleid. Kein vernünftiger Mensch käme auf die Idee, einem Fahrer das Erreichen von Berlin aufzutragen, ohne für die entsprechende Treibstoff-Knete zu sorgen.

Wenn Militärs allerdings die entsprechenden (teueren) Resourcen für die Herstellung von Sicherheit aufgrund belegter Parameter verlangen, hebt ein quietschendes Jaulen und Bellen im politischen Mediensalat an; kein ordentlicher Mensch versteht, was McChrystal unter “Force Density Doctrine” versteht. Dass das etwas mit den “physikalischen Grundgesetzen” der Kriegführung gegen Insurgents (INS) zu tun hat, würde der leider lange verstorbene Carl von Clausewitz (CvC) klar verstehen.

Welche militärischen Resourcen die Kriegführung gegen die INS in AFG erfordern, die lt. U.S.-Präsident Obama seine “choice of necessity” ist, bleibt bei McChrystal geheim.

Frederick W. Kagan, am neokonservativen “American Enterprise Institute” tätig, und Kimberly Kagan, Präsident des “Institute for the Study of War”, haben am 19. Sept. allerdings eine saubere 45-seitige Studie zum Thema “Afghanistan Force Requirements” vorgelegt, die die Lagebeurteilung erheblich erhellt, und Rückschlüsse auf das geheime McChrystal-Papier zulässt:
http://www.irantracker.org/sites/irantracker.org/files/pdf_upload/analysis/TTT_Afghanistan_-_ Kagan.pdf (beachte die D und Kunduz betreffenden “Sottisen”).

Hierzulande muss man auch Geduld haben. Wenn die Bundeswehr nicht einen anständigen Verteidigungsminister erhält, hilft sowieso nur noch die “Goldene Kugel” von dem betreffenden  Süsswarenhersteller. Unser deutscher “McChrystal”, (Brigadegeneral Jörg Vollmer, Kommandeur des 19. Einsatzkontingents im deutsch-befehligten RC North AFG) sagt in seinem Erfahrungsbericht ja:
“Eine sofortige und raumgreifende Lageverbesserung in der gesamten Provinz KUNDUZ ist mit dem derzeitigen Kräftedispositiv nicht zu erreichen.”

{CvC würde heute sagen: “Ohne Knete keine Fete”}

 

McChrystal’s AFG-Plan: bluten

22. September 2009

Es wird sich wohl ernsthaft niemand daran vorbeimogeln wollen, die 30 (66) Seiten des “Initial Assessment” zu lesen, die U.S.-General Stanley A. McChrystal seinem Verteidigungsminister Robert M. Gates geschrieben hat. Seit langem warten die Analysten, welchen Rat der Kommandierende der U.S.-Truppen in AFG und der ISAF dem U.S.-Präsidenten indirekt erteilt.

Die “Washington Post” hat eine Version dieses Berichtes veröffentlicht, die augenscheinlich nicht die Endfassung ist (darf bitte nicht ein strategisches Propaganda-Komplott sein):
http://media.washingtonpost.com/wp-srv/politics/documents/Assessment_Redacted_092109.p df?hpid=topnews

Vor allzu grossen Erwartungen sollte man sich u.E. hüten. McChrystal ist überwiegend unscharf und allgemein, fast lyrisch (alle Seitenangaben lt. pdf):

  • Die “Commanders Summary” umfasst 9 von 30 Seiten! Man liest also vieles 2fach (gähn);
     
  • Zu viele Zielbeschreibungen klingen wie Weihnachtswunschzettel (wir müssen die “Initiative zurückgewinnen”);
     
  • Man wird in Wechselbäder getaucht: Einerseits hat man den Eindruck, dass Resourcen-Mangel beklagt wird (“historically under-resourced and remains so today”, S. 7). Dann liest man (S. 9): “New resources are not the crux”. (ja watt denn nuu?);
     
  • Das Konzept der “Population centric COIN” wird nirgendwo selbstkritisch hinterfragt. Man müsste den Text der “Tactical Directive” haben, die McChrystal erlassen hat. Aus der Entscheidungsklemme eines taktischen Führers, der “troops in contact” und “imminent threat” hat, konnte das alte “hearts and minds”-Placebo (sorry) noch nie helfen;
     
  • Ähnlich ist die Forderung (S. 20) zu bewerten, dass ISAF ja nicht zu armiert (Selbstschutz) auftritt (mit Nelke statt Gewehr). Der erste Auftritt kann gar nicht anders als armiert sein. Je länger man mit der Zivilbevölkerung wirklich Tür an Tür wohnt und lebt (die zentrale COIN-Herausforderung), desto eher kann man seine Armierung ablegen - richtig;
     
  • Einem wegnickenden Leser könnte entgehen, dass es ab S. 27 zur Sache geht:

    - In der ersten Phase seiner Strategie wachsen ISAF und ANSF über die nächsten 12 - 24 Monate. (man könnte einen Widerspruch zu S. 6 empfinden, wo es heisst, dass in den nächsten 12 Monaten die Entscheidung fällt);

    - In der zweiten und dritten Phase (Transition) wird alles gut;
     
  • Auf S. 28 wird man die Empfehlung mitbekommen müssen, dass ISAF sich auf die “kritischen bevölkerungsdichten Gebiete” konzentrieren soll (AFG-Bevölkerung: 70 % ländlich!);
     
  • Die meiste Marker-Tinte haben wir im ersten Absatz von S. 29 investiert, wo es konkret um “properly-resourced” geht (ausschneiden und auf Karteikarte kleben):

    - Ganz geschickt spleist McChrystal das massgebende Stichwort ein: “force density doctrine”:
    “In short, a ‘properly-resourced’ strategy places enough things, in enough places, for enough time. All three are mandatory.” (Man erinnert sich der empirisch gesichterten Erkenntnis, dass für Stabilisierungsoperationen ein Besatz von 20 Sicherheitspersonen auf 1.000 Zivilisten erforderlich ist - das ist “force density doctrine”; soll so auch in dem U.S.-COIN-Field-Manual stehen).

Eigentlich müsste man davon ausgehen, dass McChrystal ein (geheimes) Papier mitgeliefert hat, in dem

  • - die rund 400 Distrikte der 34 Provinzen AFG gelistet sind,
  • - der ISAF/ANSF-Sicherheitsbesatz pro Distrikt erkennbar ist und
  • - die “properly-resourced” Forderungen deutlich werden, unterteilt in städtische Bevölkerungszentren und ländliche (weite) Fläche (doppelt so gross wie D).

Man kann es sich auch ganz einfach machen: Ein “Weiter so” reicht nicht.

{Sun Tsu sagt: “Für Erfolg (im Krieg) wirst Du ordentlich zu bluten haben”}

 

19. Kontingentbericht: tut (und Nachtrag 22.9.09)

21. September 2009

Den 19. “Erfahrungsbericht Einsatz” des “Deutschen Einsatzkontingents ISAF” über den Zeitraum 15.3. bis 14. 7. 2009 verantwortet wiederum Brigadegeneral Jörg Vollmer. Er umfasst 17 Seiten plus die spezifizierte Darlegung der “Einzelerkenntnisse und Feststellungen” (hier Mängelliste benannt).

Im Vergleich zu den auf 63 S. gelisteten rund 210 Kritikpunkten des 18. Kontingentberichtes  werden nun auf 45 S. 155 Mängel beklagt. Allerdings ergibt sich ein deutlicher qualitativer Unterschied zum 18. Erfahrungsbericht: Seit März 2009 ist eine
“signifikante Zunahme der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle (SRZ) im Distrikt GHOWRMACH sowie in der Provinz KUNDUZ (KDZ)” zu verzeichnen.

Dies spiegelt sich in der Bewertung der Kritikpunkte der Mängelliste, die (in der Spalte “A”) “Zensuren” vergibt:

  • “1 = Auftragserfüllung gefährdet”
  • “2 = Auftragserfüllung eingeschränkt”

Von den 155 Mängelpunkten sind

  • 63 mit der Zensur “2” belegt plus
  • 20 mit der Zensur “1”!

Verdeutlicht man sich, dass die Auftragserfüllung das oberste Heiligtum soldatischen Pflichtempfindens ist, müssen solche Zahlenverhältnisse aufhorchen lassen.

Die 155-Mängelliste (19.) liest sich wesentlich wie die des 18. Kontingentberichtes. Mit der “goldenen Himbeere/Zitrone” würden wir FAUST-Verantwortliche auszeichnen (FAUST ist das eingeführte Führungssystem des Deutschen Heeres!; und Führungsfähigkeit ist die entscheidende Voraussetzung für den Kampf):

  • Der 19. Kontingentbericht sagt (Mängelliste, S. 4, Ziff. 17):
    “Das Fehlen von FAUST-Systemen ohne Bereitstellung von Alternativlösungen führt insbesondere bei Force-Protection-Aufträgen im Raum zu nicht hinnehmbaren Defiziten in der Führungsfähigkeit.

    Warum die “goldene Zitrone/Himbeere”? In der Ziff. 17 wird abschliessend kursiv und hilflos bemerkt:
    “Bereits im 15. Ktgt benannt”
    (d.h.: seit 20 Monaten hat sich hier NIEMAND irgendwie bewegt)?
     

Ein Dauerbrenner ist die erforderliche Bereitstellung von “geschützen Fahrzeugen”:

  • Ziff. 34 (S. 9) der Mängelliste verzeichnet:
    “Die Kampfmittelabwehrkräfte des PRT KDZ besitzen nicht die erforderliche Anzahl von geschützten Fahrzeugen ... Bereits seit dem 16. EinsKtgt wurde dieser Sachstand gemeldet.”

Beurteilend ist hier anzufügen: Verteidigungsminister Jung hat vor Jahren die Parole ausgegeben, dass sich die Soldaten nur noch in geschützen Fahrzeugen zu bewegen hätten. Es hat auch eine gemächliche Beschleunigung der Beauftragung an die schutzbauende Rüstungsindustrie stattgefunden. Aber war sie, gemessen am konkreten Bedarf, ausreichend, nachdrücklich und nachhaltig?

Zweiter Hauptklagepunkt des “Kdr DEU EinsKtgt ISAF” ist das Feld “Nachrichtengewinnung”, hier HUMINT (Human Intelligence). Gerade in einem entscheidenen Feld wird die Dienstpostenbesetzung behandelt, als ginge es um “Fahne, Rotz und Geistlichkeit” (sorry).

Gleiches gilt für das 3. Hauptthema “Sprengfallen” (IED). In der für die Mehrzahl von Toten/Verletzten zu beklagenden Kategorie wird derart schludrig verfahren, dass man es nicht glauben mag.

Wieviel “Sprengstoff” in der Aussage steckt, die General Vollmer unter der Kapitel-Überschrift “Bewertung der Auftragserfüllung” schreibt, heben wir uns auf:
“Eine sofortige und raumgreifende Lageverbesserung in der gesamten Provinz KUNDUZ ist mit dem derzeitigen DEU Kräftedispositiv nicht zu erreichen”.

U.E. stellen sich zwei systemische Fragen:

  • Wieviele der seit langem erkannten materiellen Forderungen werden unter den Tisch gekehrt, weil aus (übergeordneten egomanen Gesichtspunkten) die entsprechende priorisierte Mittelzuweisung nicht stattfindet (Geld ist da, nur dafür nicht!);

    Wer schläft tief angesichts bestimmter Ausbildungserfordernisse und notwendiger Dienstposten-Zuweisungen?
     
  • Strategisch ist die Frage nach der Verantwortung. Ein um das Wohl seiner “Anvertrauten” getriebener Minister müsste eigentlich eine, aufgrund des 155-Mängelkataloges erstellte, Liste anfordern, die die Telefon-Nummern (besser schriftlich: e-mail-Adressen) der jeweils Verantwortlichen enthällt. Eine Message, dass bei nicht umgehenden Tätigwerdens die Strafversetzung auf den Dienstposten des Verwalters einer Truppenbücherei auf einem Scheinflughafen droht, ist angehängt.
     
  • Genauso prickelnd ist die Frage nach der militärischen Verantwortlichkeit:
    Generalinspekteur - Einsatzführungsrat - Inspekteure (insbesondere Heer)???

{Führung ist, wenn sich etwas tut}
(P.S. Seit Anfang 2007 steht der Schützenpanzer MARDER in der Sonne. Gerade jetzt erkennt man, dass 800 C eigentlich eine Klima-Anlage erfordern?)

NACHTRAG 22.9.09:
Jan Meyer hat in der BILD dafür gesorgt, dass die ausweislich des 19. Kontingentberichtes beschriebenen eklatanten Mängel publikumswirksam dem “wohlwollenden Desinteresse” des Deutschen nähergebracht worden sind:
http://www.bild.de/BILD/politik/2009/09/21/afghanistan-krieg/bundeswehr-einsatz-leidet-unter -schlechtem-material.html

 

18. Kontingentbericht: real

18. September 2009

Als der SPIEGEL am 31. August d.J. über die schweren Mängel bei der deutschen AFG-Truppe berichtete, die im 17. Kontingentbericht des damaligen Kommandeurs aufgeführt sind, meinte BMVg-Sprecher Raabe, dass das “nicht der Realität” entspräche (siehe hier und hier).

Man darf davon ausgehen, dass Herr Raabe aufgrund der Medienberichte über die Mängellisten des 18. und 19. DEU/AFG-Kontingents wieder die Realitätsdomina nz spielt.  Denn der 18. Erfahrungsbericht über die Mängel des deutschen Einsatzkontingentes im Zeitraum 15. 11. 08 bis 15. 3. 09, den der Kommandeur, Brigadegeneral Jörg Vollmer, am 9. April 2009 vorgelegt hat, krächzt ganz anders.

Der 18. Kontingentbericht listet auf 62 Seiten insgesamt 210 (!) Mängel auf, die die Druchführung des Bw-Auftrages gefährden oder massiv erschweren. Von den 210 Kritikpunkten der 18. Mängelliste haben wir diese ausgewählt:

  • Das wichtige Führungs- und Informationssystem (FüInfoSys) FAUST ist unzureichend vorhanden. Die Forderung nach zusätzlichen Systemen wurde schon im 17. Kontingentbericht gestellt.
     
  • “Seit Jahren wird ein Tool im Bereich Frequenzmanagement in Aussicht gestellt”.
     
  • “Im Einsatz stehen, teilweise Fahrzeuggebunden, verschiedenste Führungsmittel zur Verfügung, die nicht alle mit- und untereinander kompatibel sind ... Erhöhung des Ausstattungssoll, so dass zumindest alle Führungsfahzeuge mit FAUST und MiniM ausgestattet werden.”
     
  • Zur Lage-Erstellung notwendige Software, die die Anbindung an entsprechende NATO-Tools ermöglicht, fehlt (z.B. “i2 Analyst’s Workstation oder “rsCASE”.” Gleiches gilt für GEO Software.
     
  • Das “Intelligence”-System JASMIN in Kunduz ist veraltet und benötigt für den Versand von Bildern (IMINT) “immer noch mehrere Stunden”. Ausserdem fehlen drei JASMIN-Stationen.
     
  • Für die wichtige “pioniertechnische Erkundung von Verkehrsinfrastruktur” fehlt die entsprechende Ausstattung; die Realisierung des entsprechenden Beschaffungsantrages wird angemahnt.
     
  • Die Aufklärungsdrohne LUNA “arbeitet mit systembedingten Einschränkungen”. Gefordert wird die Beschaffung des verbesserten LUNA-Typs ATP-01.
     
  • Die Nutzung des Aufklärungssystem PHÖNIX ist vom Einsatzführungskommando untersagt worden; die schnellstmögliche Ersatzbeschaffung wird gefordert.
     
  • Weil bei Einsätzen der Bw in der Fläche das gegebene Strassen- und Wegenetz die Soldaten für den Gegner berechenbar macht, werden Heeresfliegerkräfte gefordert, insbesondere für Kunduz.
     
  • Die Aufklärungskompanie in Kunduz kann nur aus dem ortsfesten Gefechtsstand geführt werden (!!); es wird ein Gefechtsstandsfahrzeug gefordert.
     
  • Pionierkräfte haben für Sprengaufgaben nur unpassendes militärisches Gerät. Gefordert wird der Einkauf und die Freigabe moderner ziviler Sprengmittel.
     
  • Auch im 17. Kontingentbericht ist notwendiges Zubehör (bisheriges Gerät: “Die gezielte Schussabgabe ist so nicht/nur eingeschränkt möglich”!) für das Gewehr (G 36) angemahnt worden.
     
  • Im Zusammenhang mit der Bombardierung der Tanklastzüge am 4.9. 09 ist interessant:

    - In Kunduz wartet der “Tactical Air Controller” (TACP) “seit 27 Monaten” auf einen Zielmarkierer (Infra-red Zoom Laser Illuminator Designator, IZLID);

    - Der TACP Kunduz arbeitet noch mit dem ROVER 3-System (Laptop-Verbindung zur U.S.-Luftnahunterstützung); das deutlich verbesserte ROVER 4 wird gefordert;

    - Weil nur ein ROVER 3 in KDZ vorhanden ist: “Aufträge verlangen zweitweise eine Teilung der TACP”; gefordert wird ein zweites ROVER 4;

    - Der TACP ist nicht mit “Fliegersichtzeichen” (TIPS) ausgerüstet. Luftnahunterstützung bei Nacht ist “stark eingeschränkt”, “da eigene Truppe vom Piloten (LfzFhr) nicht erkennbar ist. TIPS sind durch ISAF “als Mindestausstattung TACP gefordert”.
     
  • Die LUNA-Truppe “steht insgesamohnet nur für max. 12 Std zur Verfügung”.
     
  • Ein verwundeter Soldat ist schnellstmöglich (“grundsätzlich innerhalb von 2 Std) einer notfallchirurgischen Behandlung zuzuführen. Für Feyzabad und den östlichen Bereich von Kunduz kann das nicht gewährleistet werden; gefordert wird die “Vorstationierung von luftgebundenen Rettungsmitteln im PRT KDZ” (CH-53 MedEvac).
     
  • Die QRF verfügt zwar über 5 Waffensysteme MILAN, der einzige Waffen-Feldwebel der QRF darf die vorgeschriebene Überprüfung des Systems nicht durchführen und ausserdem hat er die notwendige Prüfausstattung nicht.
     
  • “Klarstand der geschützten Kfz (in MES) zeitweise unter 50 %; insbesondere ATF DINGO und 0,9to WOLF MSS stehen z.T. mehrere Wochen wegen fehlender Ersatzteilversorgung.”
     
  • Die “zeitgerechte Zuführung von Munition (ist) zwingend erforderlich. Derzeit ist dies nicht durchgehend gegeben. Munitionslieferungen aus der LogBasis Inland haben momentan eine Laufzeit von 10 - 12 Wochen ... Auch können einige Munitionssorten und Arten nicht in der geforderten Menge bereitgestellt werden.”
     
  • Seit Juli 2008 wird gemeldet, dass die Socken (“Fashion by CD”) zu eng gefertigt werden, nach der 2. Wäsche nicht mehr passen. Die Feldblusen der Grösse 10 haben nach “Aufbereitung” durch die LHBw nur noch Grösse 3. Bei 200 Paaren Kampfschuhen (heiß/trocken, Modell HAIX) brachen trotz milder Temperaturen die Sohlen.
     
  • In Kunduz stehen derzeit 4 Konvoistörer (Jammer gegen IED) zur Verfügung; zwei weitere werden gefordert. “Die Ausstattung mit Jammern ist nicht für alle Fahrzeuge vorgesehen. Ein Teil der Fahrzeugbewegungen findet ohne die Nutzung von EloGM (Elektronische Gegenmassnahmen) statt.”
     
  • LUNA kann nur ausserhalb des Lagers Kunduz landen; für die Landung im Lager fehlt ein Netzlandesystem.
     
  • Der ABC-Abwehrzug des RC North (Hygiene, Wasseraufbereitung etc.) war nur “eingeschränkt” einsatzbereit.
     
  • Gegen die hohe IED-Bedrohung wird “Route Clearance Fähigkeit” gefordert, die “derzeit nicht vorhanden” ist.
     
  • In Feyzabad fehlt ein zweiter Satz für die insbesondere nachts dringend notwendige RBA (Rundbeobachtungsanlage).

Mindestens ebenso lange Listen müsste man schreiben, um die quantitativen und qualitativen Mängel im Bereich der Personalgestellung aufzuführen. Dazu kommen die heftigen Ausbildungsmängel. Die Mängelziffer 208 auf Seite 61 führt einen Tatbestand auf, bei dem es einem die Sprache verschlägt:

  • “Die Ausbildung an den Handwaffen (!!!) ist teilweise lückenhaft. Jeder Soldat muss zum Schutz der eigenen Kräfte und zur Auftragserfüllung seine Handwaffe beherrschen. Diese Ausbildungshöhe wird durch die vorbereitende Ausbildung nicht sicher erreicht.”

Herr Raabe wird bestimmt sagen, dass das alles nicht der Realität entspricht.

{real ist: Einmal drin - alles hin}

(P.S. Am Wochenende werden wir trauern und uns heftig für das ASS freuen: Alexander Szandar, Spiegel hat seinen letzten Arbeitstag, geht in den wohlverdienten Vorruhestand.
Wir pfeifen laut und lange Seite; die ausführliche Laudatio schreiben wir zum 12. Oktober, seiner “Abschiedsparty”. )

 

AFPAK-Metrics: Folie

17. September 2009

Bei FOREIGN POLICY haben wir ein ganz beachtliches Papier gefunden. Es ist möglicherweise der Konzept-Entwurf des obersten Chefs aller U.S.-Intelligence-Agenturen (Office Director National Intelligence, ODNI), Dennis C. Blair, um Fort/Rückschritte in AFPAK anhand klarer “Metrics” zu messen:

http://www.foreignpolicy.com/articles/2009/09/16/evaluating_progress_in_afghanistan_pakist an?print=yes&hidecomments=yes&page=full

Man müsste eigentlich unsere Kanzler- und Aussenminister-Kandidaten fragen, ob sie nicht auch einmal faktenbasierte Metrics über den deutschen Verantwortungsbereich erarbeiten wollen; die Vorlage braucht man nur übersetzen.

{Hattu Folie, hattu Vortrag}

 

Steinmeiers AFG-Plan: Hilfe

15. September 2009 (Berlin)

Am 12. Sept. berichtete der SPIEGEL von einem neuen “Abzugsplan”, den Aussenminister Steinmeier entworfen habe. Natürlich kam gleich Wahlkampfstimmung auf:

  • Die CSU begrüsste den Vorschlag des Wahlkampfgegners (!);
     
  • Die grüne und gelbe Opposition war sich einig, dass das nur ein Wahlkampfmannöver sei. Der Aussenminister habe sich viel früher darum kümmern müssen.

Richtig falsch ist an Steinmeiers Plan eigentlich nichts so richtig. Aber das ganze Umfeld lässt nicht recht die Stimmung aufkommen, dass das nun der richtige Durchbruch sei. Wenn man 10 strategische Reform-Schritte für die vielen Problemfelder der AFG-Entwicklung auf zwei Seiten kondensiert, können nur wohlklingende Wunschformulierungen dabei herauskommen. Die zur Umsetzung notwendigen Ressourcen sind derart riesig, dass man sie besser nicht erwähnt.

In der Sache tut sich ein grosses Spielfeld auf, in einer Frage jedoch nicht: Wer als interessierter Staatsbürger den Steinmeier-Plan im gesamten Original lesen will, hat keine Chance. Er findet einen allgemeinen Bericht auf www.auswaertiges-amt-de , er findet keinerlei Hinweis auf www.frankwaltersteinmeier.de

Weil uns ein guter Kamerad aus der Szene geholfen hat, können wir immerhin mit 

{Hoch lebe das Original}

 

IMINT-Antworten: bekannt

9. September 2009

Auf unsere gestrige IMINT-Frage haben wir Antworten bekommen - heftigen Dank dafür. Die ausführlichste Nachhilfestunde bietet uns “Hans-Georg” mit der folgenden mail:

“Hallo Herr Forster,

ich habe Ihnen mal ein Lesepaket zu der Frage: Wie gut ist die Auflösung der Infrarotbilder der B1B und der F15 E ? zusammengestellt. (Kleine Retourkutsche mit viel Leseanweisung meinerseits).

Am Schluss noch zwei Beispielvideos mit FLIR vom Apache AH 64 in AFG.

Also meiner Meinung nach (ohne es letztendlich definitiv zu wissen) ist es nichts mit "grobkörnigen Bildern" mit Rätseln, was sie darstellen. Eher die Frage, soll der Schuss in die Brust oder in das Bein gehen.

Gruß Hans-Georg

 

B1B Bomber mit Sniper-Pod;es kam wahrscheinlich der FLIR-Sensor (Forward Looking Infrared) zum Einsatz (gibt es auch bei unseren ECR-Tornados), aber auch in zivilen Flugzeugen als Nacht- oder Dunstanflughilfe (NightVision)

http://de.wikipedia.org/wiki/Sniper_ATP

und aus dem AirForce Fact Sheet

http://www.airforce-technology.com/projects/b-1b/

Auszug : "B-1B aircraft are being fitted with the AN/AAQ-33 Lockheed Martin Sniper ATP advanced targeting pod. Sniper includes a mid-wave FLIR (forward-looking infrared), dual mode laser, CCD-TV, laser spot tracker and IR marker. Sniper gives the B-1B the capability for self- identification of targets and bomb damage assessment. The first series of flight tests with the new pod took place in February 2007. The B-1B equipped with the Sniper ATP made its first operational deployment in August 2008 in support of Operation Enduring Freedom."

Die F15E dürfte ebenfalls einen Sniper XR-Pod getragen haben

http://www.airforce-technology.com/projects/f15/

Auszug: "In August 2001, Lockheed Martin was selected to provide the Sniper XR as the new Advanced Targeting Pod for USAF F-16 and F-15E aircraft. Sniper XR (extended range) incorporates a high-resolution mid-wave FLIR, dual-mode laser, CCD TV, laser spot tracker and laser marker combined with advanced image processing algorithms".

Übermittelt werden die Videobilder an die Ground Controller (Forward Air Controller) mittels ROVER

http://en.wikipedia.org/wiki/ROVER

Was man mit ROVER vom Boden aus alles anstellen kann, beschreiben diese beiden Artikel

http://www.defenseindustrydaily.com/rover-sics-tacair-on-americas-enemies-updated-01700/

http://www.navy.mil/search/display.asp?story_id=21377

Vor allem hier ist die Leistungsfähigkeit von ROVER beschrieben, (hat Weblog-Sicherheitspolitk von mir übernommen )

http://www.af.mil/news/story.asp?id=123024416

Auszug: "The two-year-old ROVER system looks simple. A laptop with cables and wires attached receives video captured by an unmanned aerial vehicle. The video shows real-time, nearby dangers and helps ground troops make quick decisions regarding air strikes. Videos during the academy demonstration streamed from cameras aboard the small Raven UAV flying overhead.

Using Global Positioning System technology, ROVER shortens talk time describing targets and coordinating attacks, reducing it to seconds rather than minutes. Troops in the field can also receive video imagery from Predator aircraft, C-130s equipped with a Scathe View imaging system or fighters carrying Sniper targeting pods.

ROVER is highly precise. It can direct strikes against insurgents within 75 meters of troops without endangering the troops.

"We can target people's noses," Colonel Harbin said.
He cited an incident where an identified insurgent was riding a donkey. The insurgent was killed but his donkey was not.

The system can operate for day and night videos, plus map and save images. Images are captured at 30 frames per second."

Bei dieser Demonstration wurde ROVER mit dem Aufklärungssensor RAVEN verbunden, ähnlich wie unsere Drohne ALADIN, praktisch ein Modellflugzeug mit Elektromotor und optischer oder Infrarotkamera.

So nun zu der Frage, was sieht man ?

Eine FLIR Aufnahme hat wie eine Schwarz-Weiss Aufnahme eine hohe Auflösung. Auf Youtube lief vor ein paar Wochen das Video des Apache AH 64 Hubschraubers, der Aufständische , die eine IED legten filmte und später tötete. Dabei war der Hubschrauber sicherlich außerhalb der Hörreichweite und die beträgt nachts schon einige Kilometer

http://www.youtube.com/watch?v=nU4tsbXs6pA&eurl=http%3A%2F%2Fsoldatenglueck%2Ede %2F2009%2F08%2F16%2F19418%2Fder%2Dkampfhubschrauber%2Dapache%2Din%2Dafgha nistan%2Dfliegt%2Dund%2Dfliegt%2Dund%2Dfliegt%2Dund%2Der%2Dkaempf&feature=play er_embedded#t=41

Die Aufständischen, die im Freien die Roadside-Bomb vergraben haben, haben den Hubschrauber nachts ebenfalls nicht gehört. Dies dürfte einen Anhalt geben, wie weit er weg war. Ich schätze mindestens zwei Kilometer, eher mehr, denn nachts hört man besonders gut.

http://www.youtube.com/watch?v=1pzXmcdMJUk&eurl=http%3A%2F%2Fsoldatenglueck%2Ed e%2F2009%2F08%2F16%2F19418%2Fder%2Dkampfhubschrauber%2Dapache%2Din%2Dafgh anistan%2Dfliegt%2Dund%2Dfliegt%2Dund%2Dfliegt%2Dund%2Der%2Dkaempf&feature=pla yer_embedded

 

Nachdem wir uns selbst Videos der “SNIPER ATP” angeschaut haben, allerdings nicht wirklich Tag- von Nacht-Videos unterscheiden können, sind wir aber überzeugt, dass man bewaffnete Personen (mit RPG 7 sicher, Kalaschnikow vielleicht) erkennen kann. Allerdings dürfte allgemeines Einverständnis bestehen, das allerbeste Infrarot-Aufnahmen nicht Kämpfer von Zivilisten unterscheiden können.

Beachtenswert sind die amtlichen AFG-Reaktionen vor Ort. Sie zeigen u.E., welche Rolle die ethnischen Gegebenheiten im Norden spielen:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,647765,00.html und

http://www.faz.net/s/Rub0CCA23BC3D3C4C78914F85BED3B53F3C/Doc~EB9E21F60B3F34846 81D1BA8CF710086A~ATpl~Ecommon~Scontent.html?rss_politik

Wie das Meinungsbild der Bw-Soldaten in Kunduz aussieht, beschreibt Ulrike Demmer aus Kunduz für SPIEGEL-Online drastisch:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,647593,00.html

Und der kommende SPIEGEL-Titel (14.9) wird möglicherweise Fakten enthalten, die die Meinungsbildung noch schwieriger machen.

Wir möchten als Verantwortliche nicht in eine Situation kommen, die uns zu den Kernfragen der entscheidenden “Rules of Engagement” (ROE), den eigenen Kampfführungsregeln, führt:

  • Was ist ein “imminent threat”, eine “unmittelbare Bedrohung”?
     
  • Was ist ein “hostile intent”, eine (denkbare) “feindliche Absicht”?
     
  • Sind die ROE für ISAF nach General McChrystal’s “Tactical Directive” vom 6. Juli 09 geändert worden?

Von den Entscheidungsnöten kann sich ernsthaft niemand so leicht freisprechen. Und wenn es schon so wäre?: Wieviele Fehlentscheidungen werden pro Tag in der zivilen Welt getroffen, die (mehr oder weniger) verheerende Folgen haben (Finanzen)! Entscheidend dürfte sein, ob sie “vorbedacht”, absichtlich “wider besseres Wissen” so getroffen wurden.

Kann jemand ehrlich behaupten, Oberst Klein hätte seine folgenschwere Entscheidung “mit Vorbedacht” so getroffen? Mitnichten!

{Bekannt: “Es irrt der Mensch, so lang er strebt”}

 

IMINT-Frage: Bildauswerter

8. September 2009

Sorry, wenn wir uns in die Journaille einreihen, die wilde Spekulationen über die Tanker-Bombardierung am 4. 9. 09 nahe Kunduz anstellt. Aber bitte: Wir behaupten gar nichts, sondern haben wirklich die Frage an die Experten, was man auf in der Nacht aufgenommenen, militärischen Aufklärungs”bildern” sehen, erkennen, identifizieren kann?

Der beamtete Staatssekretär im BMVg, Peter Wichert, hat in einem weitgestreuten Telefax, auch an den Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages, über den “Luftangriff auf Opposing Militant Forces (OMF) am 04.09.09” unterrichtet. Dort wird die “Aufklärungsfrage” wie folgt dargestellt:

  • “Um 23:14 Uhr afghanischer Ortszeit wurden die beiden stehen gebliebenden Treibstoff-LKW zusammen mit einer grösseren Anzahl Personen durch ein Luftfahrzeug (USA B1-B) auf einer Sandbank in einer Furt rund sechs Kilometer südwestlich des PRT Kunduz aufgeklärt. Die Besatzung des Luftfahrzeuges meldete, dass von etlichen (“several”) Personen Waffen getragen werden (Handwaffen AK-47 und Panzerfaust RPG).

    Das Luftfahrzeug befand sich rund 15 Minuten über dem betreffenden Raum und brach den Einsatz anschliessend wegen erforderlicher Luftbetankung ab. Rund 20 Minuten später trafen zwei andere Luftfahrzeuge (USA F-15) über dem Raum ein und übernahmen die Beobachtung.

    Die Lage an der Furt wurde mittels eines durch diese Luftfahrzeuge bereitgestellten Live-Videos vom PRT Kunduz weiter beobachtet. Eine als sehr zuverlässig eingestufte afghanische Quelle des PRT Kunduz bestätigte in der Folge mehrfach ausdrücklich, dass es sich bei den Personen an den Treibstoff-LKW ausschliesslich um OMF handele. Darüber hinaus wurden die Namen von vier Taliban-Führern angegeben, die sich vor Ort befänden.

    Vor dem Luftangriff waren keine weiteren bodengebundenen oder luftgestützten Aufklärungskräfte an oder in der Nähe der Furt über den Kunduz-River.

    Der Kommandeur des PRT Kunduz genehmigte den Luftangriff am 04.09.09 um 1:39 Uhr afghanischer Ortszeit. Bei seiner Entscheidung ging er aufgrund der vorliegenden Aufklärungsergebnisse (Live-Video, afghanische Quellen) ausdrücklich davon aus, dass eine Gefährdung von unbeteiligten Zivilpersonen ausgeschlossen ist.”

Wieso aus einer “Quelle” plötzlich “Quellen werden, und das BMVg-Sprecher Raabe noch eine dritte, aber geheime Aufklärungsquelle nachgeschoben hat, ist hier unwichtig.

Uns bewegen die “Live-Videos”, und dass die Besatzung des B1-B-Bombers “einige” bewaffnete Talibs identifizieren konnte - NACHTS!

Nach unserer Kenntnis kann es sich nur um IMINT-Videos (IMagery INTelligence) handeln. Diese (potentiell) Echtzeit-Filme werden tagsüber von guten Kameras geliefert. Nachts gibt es aber u.E. nur die Möglichkeit, mit Infrarot-Kameras (IR) “Live-Videos” aufzunehmen.

Wir haben schon eine ungefähre Ahnung von der Leistungsfähigkeit moderner IR-Kameras. Unsere Frage an Euch Experten ist aber, ob man auf einem modernen IR-Video das sehen kann, was im Wichert-Fax so alles dargestellt wird.

Wenn uns niemand hilft, warten wir darauf, dass das besagte F-15-Live Video entweder vom Verteidigungsminister höchstpersönlich als beweiskräftiges Dokument freigegeben wird oder von einem Computer in Berlin seinen Weg auf “You Tube” findet. In dem hochpolitischen, internationalen Spiel wird sich doch jemand finden lassen, der “leakt”?

{Bildauswerter müsste man gelernt haben}

 

AFG-Exit-Jahr?: Brown

7. September 2009

Hat man aufgrund der Debatte um den von einem deutschen Bw-Offizier “befohlenen” U.S.-Luftangriff auf zwei von Talibs gekaperte Treibstoff-LKW
(siehe hier
http://weblog-sicherheitspolitik.info/
und hier
http://www.wiegold.focus.de/
und zuletzt hier
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,647278,00.html

noch Zeit, sollte man sich die AFG-Debatte bei unseren Freunden auf der Insel anschauen, und dann wieder den eigenen Nabel.

Premier-Minister Gordon Brown steht unter massivem innenpolitische Beschuss aus den eigenen Reihen
http://www.guardian.co.uk/politics/2009/sep/03/eric-joyce-resignation-letter-full/print ,
und den Medien, in denen Militär-Experten, Wissenschaftler und Medienstars so oder so einen britischen Rückzug fordern. In den letzten 4 Monaten haben die Briten den Tod von über 50 Soldaten zu beklagen, seit dem Beginn ihres AFG-Einsatzes über 200!

Premier Brown hat sich mit seiner Rede vor dem renommierten Londoner “International Institute for Strategic Studies” (IISS) am 4. Sept. über 13 Seiten Text absolut lesenswert positioniert:
http://www.number10.gov.uk/Page20515 :

  • Er plädiert nachdrücklich für eine schnellstmögliche Übernahme der Sicherheit durch die afghanischen Kräfte. Das NATO-Ziel, die afghanischen Streitkräfte im Umfang von 134.000 im Nov. 2011 zu haben, will er um 1 Jahr verkürzen! (S. 9);

    Im Nov. 2010 soll ein Drittel der britischen Streitkräfte “Partner” von 10.000 in der Provinz Helmand befindlichen afghanischen Soldaten sein (S. 9);
     
  • Wir finden gerade nicht die Belegstelle, dass Brown in der nächsten Legislaturperiode (ab 2010) den Abzug der 9.000! im Süden AFG stationierten Krieger beginnen will.

Man vergleiche das mit der deutschen “Debatte”:

  • Aktuell handelt sich Altkanzler Gerhard Schröder (nicht nur) von seinen Genossen gerade Ohrfeigen ein, weil er das Jahr 2015 als Exitfenster genannt hat. Vorher hatten die Herren Kujat, Rühe etc. Prügel für ähnliches bezogen;
     
  • Tiefes Schweigen herrscht in Deutschland zu den Fragen,

    - Welchen Umfang die afghanischen Sicherheitskräfte im Norden AFG (RC North), dem “deutschen” Verantwortungsbereich, eigentlich haben müssten?
    - Und wann?
    - Und welche Ressourcen (Kapital, “Arbeiter”) müssen geplant, zeitgerecht und in vollem Umfang umgesetzt werden?

Man stelle sich vor, die Bundeskanzlerin würde ihrem britischen Kollegen hier gern nacheifern wollen (uups), fragte bei ihrem Fachminister nach Brown’schen Strategien, klaren Plandaten?
(Oh’ Schmerz, lass nach!).

Warum haben viele Deutsche nur das besagte “freundliche Desinteresse” (Bundespräsident Köhler) an sicherheitspolitischen Fragen? Interesse hätte man höchstens, wenn die Führenden einen konkreten “Plan” kommunizieren würden. Soll man sich für Jung’sches Wischiwaschi, Kragen hoch, Schwurbeln und Feigheit interessieren?

{Nach der Wahl ist: vor der Wahl}

 

Bw/AFG nach Wahl: frag nich (+ Burzer-Nachtrag!, 7.9.09)

4. September 2009

Ungefähr vor einem halben bis einem Jahr war es einigermassen ruhig um Kunduz. Dann hat sich die oberste AFPAK-Taliban-Führung in Quetta wohl entschlossen, den Norden AFG auf die Aktivitätsliste zu setzen. Es ist müssig, darüber zu streiten, ob bis dahin die Bw-Strategie des “zurückhaltenden Erscheinungsbildes” (light footprint) richtig war (systemisch vielleicht).

Seit längerem hat sich das Lagebild also entscheidend geändert. Erzwingen die Quetta-Beschlüsse eine Änderung der Bw-Strategie (nach der Bundestagswahl)? U.E. JA.

Zunächst wird man sich entscheiden müssen, ob Sicherheit die Voraussetzung für zivile Entwicklung ist - und sie vorab hergestellt werden muss.

Für die Herstellung von Sicherheit gibt es empirisch gesicherte, konzeptionelle und daraus resultierende Ressourcen-Forderungen. Werden sie gröblich missachtet, muss die Operation - vorhersehbar -  scheitern. Orientieren muss man sich an den obersten Parametern Raum - Zeit - Kräfte:

  • In der U.S.-amerikanischen Diskussion über “Stabilisierungsoperationen” gilt die richtige strategische Konzeption:

    - “clear”: Der “Raum” muss besetzt, und von gegnerischen Kräften (sorry) “bereinigt” werden;

    - “hold”: Der gegner-”gesäuberte” Raum muss “gehalten” werden. D.h.: im “Raum” (in der Fläche) sind die dazu notwendigen “Kräfte” dauerhaft zu stationieren;

    - “build”: Erst nach Herstellung der Sicherheit kann (und muss ) man mit den entsprechenden Ressourcen (Pers/Mat/Knete) zivil aufbauen, die man nicht aus der Uhrtasche bezahlen kann.

Für eine Vorausschau auf eine notwendige Änderung der Bw-Strategie massgebenden Faktoren muss man erinnern:

  • Nach den Lage-Daten von Brigade-General Weigt (Kommandeur 17. Einsatz-Kontingent, Sommer bis Winter 2008)  in seiner “Fähigkeitsanalyse” vom Dezember 2008 beträgt

    - die Fläche des deutschen Verantwortungsgebietes (RC North) 162.000 km2; mit einer maximalen Ost-West-Ausdehnung von 1.200 km, einer Nord-Süd-Ausdehnung von 390 km). Das Gebiet ist so gross wie?

    - das “Gelände” ist so schwierig wie nie;

    - “etwa 7 Millionen Einwohner in 9 administrativen Provinzen”;

    - “”Pashtun pockets’ im Grenzgebiet FARYAB/GWOWRMACH, westlich MAZAR-E-SHARIF, nördlich BAGHLAN, westlich und ostwärts KUNDUZ, und in TAKHAR”.

Den guten Lage-Analysten der Bw im RC North könnte man sicherlich entlocken, wie hoch die Bevölkerungszahl in den “Pashtun Pockets” ist.
(Disclaimer: Nicht jeder Pashtune ist ein Taliban. Jeder Pashtune wird aber die kulturellen Gesetze, z.B. der Gast”freundschaft” einhalten).

Ginge man von einer Macro-Betrachtung des RC North aus und lägen die empirisch gesicherten Daten (Dobbins, RAND) für Stabilisierungsoperationen zugrunde, ergibt sich die Ressourcen-Forderung von 20 Sicherheitskräften zu 1.000 Einwohnern (1:50). Wenn im RC North 7 Millionen Einwohner zu zählen sind, wären demnach  140.000 Sicherheitskräfte für den Norden AFG erforderlich, eine - gemessen an den derzeitigen Ressourcen - abenteuerliche Grössenordnung (wieviel Polizei braucht Köln?).

Eine Micro-Betrachtung des RC North würde dazu führen, dass man den Besatz auf eine einigermassen angemessene Sicherheitspräsenz auf die “Pashtun Pockets” beschränkt. Die entsprechenden Forderungen könnte (müsste) uns wiederum der Analytiker aus dem Stab RC North liefern. Man kann aber blind davon ausgehen, dass seine Anforderungen ganz weit über dem Rahmen des derzeitig stationierten Ressourcen-Potentials liegen.

Dazu ist die operative Umsetzung des “Hold”-Gebots (vom durchzuführenden Clear-Gebot ganz zu schweigen), zumindest für deutsche Soldaten, eigentlich unvorstellbar:

  • Man stelle sich vor, deutschen Soldaten würde befohlen, im unendlichen Nirwana der Fläche der Pashtun-Pockets in engster Nachbarschaft zu den schutzbefohlenen AFG-Örtlichen ihr Zelt zur Vermittlung des Sicherheitsgefühls aufzuschlagen!
    Es gibt nur EPA-Essen, keine Dusche, keine Gesundheits-Umsorgung (Zahnarzt!) und Marketenderei nach Heimatkriterien etc. Und eine potentielle Bedrohung durch die aufgeweckten Talibs, die dich nachts mit Übermacht überfallen zu drohen.

Wie zu hören ist, verfahren die Kanadier (im ganz andergelagerten Helmand) genau nach dieser Lehre, sind erfolgreich, und erfahren deswegen erhebliche Anerkennung.

Kommen auf die politische Führung der BW bezüglich AFG ganz erhebliche Herausforderungen zu? Das könnte man meinen.

{ Do’nt talk, do’nt ask}

Nachtrag: Burzer-Mail - Danke sehr (vom 4.9.09)

Es ist eine absolute Freude (und leider seltene Ausnahme), solche e-mail zu bekommen. Stefan Burzer hat sie geschickt (und freigegeben):

“Sehr geehrter Herr Forster,

grundsätzlich haben Sie die operativen Grundsätze der
Aufstandsbekämpfung korrekt wiedergegeben. Es fehlen m.E. aber noch
einige wichtige Punkte:

1.) Oil Spot: Statt CHB (clear, hold, build) in allen (bzw. allen
pashtunish-geprägten) Distrikten anzuwenden, gibt es noch eine dritte
Variante, die sich ob der Größe des Landes am ehesten anbietet.

Man sichert (natürlich CHB!) den/die gefährdetsten Distrikt(e) zuerst,
in unserem Fäll wäre das wohl eindeutig Chahar Dara. Die dort bisher
ansässigen Aufständischen haben die Wahl abzuziehen, oder vernichtend
geschlagen zu werden. Sie ziehen in ein neues Gebiet. Man wartet, bis
man Chahar Dara fest in der Hand hat, übergibt Sicherheitsaufgaben an
ANA/ANP/lokale Milizen. Mittlerweile müsste sich längst ein neuer
Schwerpunkt abgezeichnet haben. Also packt man erneut seine Sachen und
CHBt dort rüber. Natürlich muss der Zeitpunkt stimmen. Geht man zu früh,
riskiert man sowohl die Erfolge im bereits gesicherten Distrikt und
macht sich selber angreifbarer. Wartet man zu lange, sitzen die Taliban
so fest im Sattel, dass sich an der Gesamtsituation im Prinzip nichts
verändert hat. Mit genug strategischem Fingerspitzengefühl schwächt man
den Feind somit zwar langsam, aber nachhaltig (was die einzige und
wichtigste Vorraussetzung für Erfolg ist).

2.) Dazu ist Deutschland und die Bw nicht in der Lage. Es wird mangeln an:

- intensivem Training in Aufstandsbekämpfung, also einer offiziellen HDv
die erst ausgearbeitet und dann noch umgesetzt werden muss,
- genügend Infanterie-Kräften die die Last stemmen können (und wollen);
man muss sich fragen, sind in der aktuellen Bw-Konzeption genug
Infanterie-Btl. eingeplant?
Sie sind zwar in jeder Hinsicht höherrangig als ich
(das ist Quatsch, m.f.), trotzdem erteile
ich Ihnen mit größtem Respekt folgenden Lesebefehl:
http://www.nytimes.com/2009/04/20/world/asia/20ambush.html
Können unsere Kräfte so etwas, kann unsere Öffentlichkeit so etwas
durchstehen?)
- Logistik. Wenn unsere Kräfte so weit auseinandergezogen sind,
vervielfacht sich die Last für unsere Logistikkräfte. Selbst die
Amerikaner kommen nicht hinterher und heuern teilweise private Firmen
an. Unsere Handvoll kaum flugfähiger Transall-Maschinen dürfte
mitnichten ausreichen (alles andere als Air Drop-Belieferung wird
unmöglich sein).
- Sprach- und Kulturmittler. Wir beschränken uns Momentan auf 3 FOBs
und rudimentäre Patrouillen, und haben nichtmal dafür genug. Was
passiert, wenn wir 30+ COPs (Combat Outposts) bemannt haben, die in
ihrem Tal oder ihrem Dorf jeweils die einzige Präsenz internationaler
Kräfte sind? Wie kommuniziert man mit den Leuten, oder genauer: wie kann
man zu ihnen genug Vertrauen aufbauen, damit sie uns verraten, wann und
wo die Taliban sind, und wie verstehen wir sie, sobald sie uns das
sagen, wenn wir ihre Sprache nicht sprechen? Wie kann man Vertrauen
aufbauen, ohne auf ihre kulturellen Befindlichkeiten eingehen zu können?
Oder machts unser PzGr-Hauptmann so wie Richard Holbrooke und sagt zum
pashtunischen Familienvater, dass seine Tochter sehr hübsch sei, und
stellt ihr somit einen Heiratsantrag auf pashtunisch?
- Zeit, um das alles zu besorgen. Selbst wenn wir diese Strategie
verfolgen wollten und verfolgen könnten, zu dem Zeitpunkt an dem wir
bereit wären, ist aus dem Einsatz längst die Luft raus. Nicht
zwangsläufig bei uns, sondern wahrscheinlich bei den Amerikanern. In
12-18 Monaten möchte man dort eine nachhaltige Verbesserung der
Sicherheitslage haben.
Zudem muss man erkennen: für den Erfolg des gesamten Einsatz ist Chahar
Dara / Kundus völlig irrelevant.

3.) Das Studium einschläiger Literatur zum Theman Aufstandsbekämpfung
lehrt uns: ob wir nachhaltig erfolgreich sind, können wir als
Außenstehende, dritte Kraft, letztlich nicht bestimmen. Sicherheit und
Wiederaufbau, die einzigen Dinge, welche wir besorgen können, bieten im
besten Fall nur ein kurzes Zeitfenster, in welchem die Vorraussetzung
für eine politische Übereinkunft der Afghanen gut sind. Letztlich ist
der Aufstand ein politischer Disput, für den man eine politische Lösung
finden muss (das sind die berühmten Verhandlungen mit den
Aufständischen). Ob eine solche Einigung gelingt, hängt ausschließlich
von den Afghanen ab.

Oder: ein sicherer Irak bringt nichts, wenn die Kurden weiter auf
Unabhängigkeit pochen, man nicht weiß, wie man Öleinnahmen verteilen soll
und Schia und Sunni sich weiter an die Gurgel wollen.

Nun habe ich mehr geschrieben, als ich eigentlich vor hatte. Hoffentlich
war nicht zu viel Altbekanntes dabei. MkG, Stefan Burzer”

Lieber Stefan Burzer, ganz ganz herzlichen Dank für Deinen Brief; er spricht für sich selbst - und zwar ganz heftig!!

{Thank You so much!}

 

Bw-Mängel/AFG II: Verhalten

2. September 2009

Die 77-seitige, rund 320 Kritikpunkte umfassende Mängelliste, die im Dezember 2008 vom Kommandeur des 17. Bw/AFG-Kontingents, Brigade-General Weist, nach Berlin geliefert worden ist, mögen wir lieber nicht als Pdf beifügen.

Wenigstens wollen wir aber die 29 Mängel mit eigenen Worten beschreiben, die gemäss der Bewertung (Spalte A) mit der Alarmwarnung “Auftragserfüllung gefährdet” rubriziert sind. Wenn die aufgeführten Mängel dieser Kategorie mit dem Stichwort “gelb markiert” versehen sind, liegt eine besondere Schwere vor: sie waren schon vor dem Kontingentwechsel im Sommer 2008 den Verantwortlichen im BMVg bekannt:

  1. Im PRT Feyzabad (FEY) ist durch den Abzug der Dänen ein “elementar wichtiger” Dienstposten unbesetzt und “muss zwingend durch einen erfahrenen Offizier ersetzt werden; “ein zweiter S3-Offizier ... ist ebenfallls unerlässlich”;
     
  2. Für das Mentoring der Deutschen mit den AFG-Sicherheitskräften wird ein “räumlicher Zusammenhang” gefordert, der allerdings “kostspielig” ist;
     
  3. Schon das 16. Bw-Kontingent hatte die Ausstattung mit Informationstechnik (IT) nach NATO-Standard gefordert (gelb markiert). Ausserdem muss der für IT-Sicherheit zuständige Stabsoffizier entsprechend ausgebildet sein;
     
  4. Das Presse- und Informationszentrum in Kunduz, dass zu 90 % Medienarbeit mit deutschen Journalisten betreibt, verfügt immer noch nicht (gelb markiert) über genügend “geschützten Transportraum”;
     
  5. Im Bereich des unter deutscher Verantwortung stehenden Nordens AFG (RC North) gibt es immer noch nicht (gelb markiert) die entsprechenden Vorschriften (TTP) für den “taktisch-operativen Umgang mit anderen Nationen”; es besteht die Gefahr von “Friendly Fire”;
     
  6. Im Bereich HUMINT (Human Intelligence) gibt es ein erhebliches, gelb markiertes Problem;
     
  7. Und dann noch eins;
     
  8. Die Datenanbindung des RC North an ISAF (NATO SECRET) und JASMIN ist, gelb markiert, immer noch nicht vorhanden;
     
  9. Die Datenpflege gewonnener Erkenntnisse (“Konservierung von Wissen (auch als Professionalisierung bezeichnet)”), muss durch “Reach-Back” im Heimatland aufgearbeitet werden;
     
  10. Gelb markiert ist auch die LUNA-Aufklärungs-Drohne; nicht nur bei über 40 o Celsius ist sie nur “bedingt verwendungsfähig”;
     
  11. Den Kampfmittel-Abwehrkräften (Counter IED) hat die QRF die Stör-Fahrzeuge abspenstig gemacht; 2 WOLF SSA 3 MVS 2000 werden angemahnt;
     
  12. Weil in Termez (Usbekistan) der einzige mil. Dienstposten bei der Marketenderversorgung gestrichen worden ist, ist selbige gefährdet:
     
  13. Das gleiche Problem gibt es in Kunduz, Kabul und Feyjabad;
     
  14. Noch ein Marketender-Problem, mindestens zwei Verkäufer;
     
  15. Für den Kontingentwechsel (In, OUT) gibt es es eine Weisung, die “nicht immer im Inland zur Anwendung gekommen ist”;
     
  16. Fast durchgängig fehlte dem 17. Kontingent der Facharzt für Augenheilkunde;
     
  17. Im PRT Kunduz fehlen 3 Sanitäts-Transporter;
     
  18. In der Klinik in Masa-i-Sharif (MeS) ist die Anlage zur Erzeugung von medizinischem Sauerstoff und Druckluft gefährdet (1-2-Bewertung);
     
  19. Das Problem mit der “Luftzerlegeranlage” (Flüssigsauerstoff-Erzeugung) für TORNADO dürfte sich wohl erledigt haben;
     
  20. “Im Rahmen der Einkleidung erhalten die Soldaten oftmals nicht passende Artikel”; Dienstaufsicht wird gefordert;
     
  21. Die zu bebauenden Felder der Infrastruktur reichen nicht aus, wenn die Schutz-Vorschriften eingehalten werden;
     
  22. Im Dezernat “Beschaffung” muss unbedingt ein Dienstposten wieder eingerichtet werden;
     
  23. Für den Kontingentwechsel ist Besuchersperre befohlen; wird natürlich nicht eingehalten;
     
  24. Der Flugplatz von Feyzabad muss furchtbar sein; er steht vor der Schliessung für Flächenflugzeuge:
    - man landet auf von den Sowjets zurückgelassenen Stahlplatten, die auf Mutterboden und Kieselsteinen liegen. Seit ehedem ist nichts ordentlich repariert worden
    - die Möglichkeiten der Funkverbindung sind archaisch;
     
  25. In den Luftraum um den Flughafen Kunduz sollte man lieber nicht einfliegen:
    “Die Gefahr von Flugunfällen ist als hoch einzustufen”, wenn so weitergewurschtelt wird;
     
  26. Für den Bau einer Waffeninstandsetzungshalle für den heck-bewaffneten CH-53 müssen die Baumassnahmen beschleunigt werden;
     
  27. Die Infrastruktur für die technische Wartung der Luftfahrtzeuge ist nicht gegen mechanische und ballistische Einwirkung geschützt;
     
  28. Um effektiver die IED-Bedrohung zu bekämpfen, werden personelle und ausbildungsrelevante Forderungen formuliert.

Es mag ja sein, dass eine Reihe dieser die “Auftragserfüllung gefährdenden” Mängel ganz unspektakulär und nebensächlich erscheinen. Denkt man aber an “Katastrophen” wie Enschedde oder beispielsweise der Raumfahrt, erinnert man sich, dass eine läppische Kleinigkeit (Dichtscheibe) wahnsinnige Folgen haben kann.

Ausserdem müsste man sich die 72 Mängel der “Weigt”-Liste, die die Auftragserfüllung “einschränken”, hinsichtlich ihres Gefährdungspotentials anschauen.

Immerhin ist ja wohl im Ministerium eine Arbeitsgruppe gegründet worden, die solche “Lessons learned” analysieren soll.

{Gefahren sollten lehren - aber dann auch Verhalten ändern}

P.S.: Der Szandar-Artikel im Blatt ist Online in Englisch verfügbar:
http://www.spiegel.de/international/world/0,1518,646085,00.html
Was heisst SNAFU noch mal genau? “Systems normal - all **** up”?

 

ESB-Priorisierung?: fördern

1. September 2009

Mit dem sehr zu lobenden Werkzeug ESB (Einsatzbedingter Sofortbedarf) haben die deutschen Streitkräfte im Auslandseinsatz die notwendige Möglichkeit, materiellen Ausrüstungsbedarf, der sich anhand der jeweiligen Lage sehr dynamisch entwickeln kann, im Heimatland schnell einzufordern.

Leider haben wir zu diesem hochinteressanten (und wichtigen) Thema ESB noch nie ein Papier gesehen, welches die Prozeduren, Verantwortlichkeiten und Haushaltsmittel sinnstiftend erklärt. Höchstens die Berichterstatter zum Verteidigungshaushalt im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages könnten vielleicht dazu genauere Informationen haben.

Wenn man sich die Interaktion von “Bedarfsträgern” und “Bedarfsdeckern” angesichts knapper Finanzen unter dem politischen Primat, dass “unsere Soldaten im Einsatz” alles kriegen, was sie brauchen , gedanklich vorstellt, müsste das ja ein “Freifahrtschein” für die Kämpfer sein. Um dagegen wenigstens eine gewisse Dämpfung einzubauen, könnte man vielleicht damit einverstanden sein, dass nicht unbedingt jede ESB-Forderung der Krieger sofort unkritisch abgenickt wird.

Gestern hat uns allerdings ein wirklich “sachkundiger Bundesbürger” angerufen und uns diesen Tipp gegeben:

  • Recherchieren Sie doch mal, ob meine Information richtig ist, dass beim ESB jetzt eine “Priorisierung” (Orwell-Sprache) eingeführt worden ist, weil die entsprechenden Haushaltsmittel im Bundeswehr-Budget am Ende sind!

Sorry, lieber Bürger, aber das schaffen wir wohl nicht. Besonders die Amtskultur des BMVg ist derart auf supertreue Loyalität zum Dienstherrn ausgelegt, dass man auf einen Piepston aus dem “Untergrund” (Widerstand) kaum hoffen darf (die Info-Überwachungstechniken des Staates werden wohl als  zu perfekt “empfunden”).

{Infos sollten doch schon etwas karrierefördend sein}

 

Bw-Mängel/AFG: Unwort

31. August 2009

SPIEGEL-Online hat schon vorgestern darauf hingewiesen, dass heute im Blatt eine deftige Geschichte über die “schweren Ausrüstungsmängel” der Bw in AFG zu lesen sein wird:
http://www.spiegel.de/spiegel/vorab/0,1518,645771,00.html

Die Lektüre des Blattes lohnt sich, weil sie die sternenweite Lücke zwischen Einsatz-Wirklichkeit und Gesundbeterei des verantwortlichen Ministers zeigt.

Wir können von heute an detailliert über die Berichte des Kommandeurs des 17. Einsatzkontingents (Sommer bis Jahresende 2008) der Bw im Norden AFG (RC North), Brigadegeneral Weigt, berichten; es ist Stoff für eine “Lindenstrasse”.

Eigentlich braucht man aus der Papierflut der Erfahrungsberichte des 17. Kontingents nur einen Report analysieren: Die 77-seitige Darstellung (Querformat DIN A 4) der “Einzelerkenntnisse und Feststellungen”, die alle “Meckerei” (siehe Schneiderhans Einlassung vom “Wellness-Urlaub”) in 320 (dreihundertzwanzig!) einzelnen Kritikpunkten penibel und akribisch auflistet. Und in der “Spalte A” vor allem die “Auftragserfüllung” bewertet:
1 = gefährdet; 2 = eingeschränkt; 3 = erschwert/belastet; 4 = nicht unmittelbar beeinträchtigt; 5 = verbessert.

  • Unsere Auswertung der 320 Kritikpunkte gemäss “Spalte A” ergibt, dass die Auftragserfüllung

    - auf 29 Feldern “gefährdet” ist,
    - “eingeschränkt” ist in 72 Fragen,
    - “erschwert/belastet” in 112 Punkten,
    - “nicht unmittelbar beeinträchtigt” wird durch 42 Hindernisse, und sich
    -  in 34 Fällen eine Verbesserung ergeben hat.

    Ein weiterer Vorzug der 77 seitigen Mängelliste ist, dass sie bei der Auflistung der 320 für die Auftragserfüllung der Bw in AFG wichtigen Fragen jene gelb markiert, die nach “h.E.” (heisst wohl “hiesiger Erkenntnis”) “schon bekannt” sind (nur im BMVg natürlich). Die Marker-Farbe Gelb ist fast auf jeder der 77 Seiten anzufinden!

Zu dieser Steilvorlage für die Beurteilung der Wirklichkeit der Bw in AFG könnte man sich vielleicht folgendes denken:

  • Die verantwortlichen militärischen Führer vor Ort beweisen durch ihre Erfahrungsberichte, dass sie nach “Oben” ganz ungeschminkt berichten; dass kann man nur hoch einschätzen;
     
  • Zur genaueren Bewertung müsste man nun den sicher schon vorliegenden Text des 18. Einsatzkontingentes (Jan. - Juni 09) haben, um zu sehen, inwieweit sich die Berlin/Bonner Verteidigungsbürokratie inzwischen bezüglich der 320 Fragen von gelb auf grün bewegt hat, vor allem auf den 29 die Auftragserfüllung “gefährdenden” Feldern;
     
  • Gerade wenn es um Leben und Gesundheit der lieben Anvertrauten geht, kommt es auf den “Geist im Hause” an, sprich die “Führungsgewaltigkeit” der obersten Verantwortungsleiste des Verteidigungsministeriums.

    Ist jemals ein Ton aus diesem Hause zu vernehmen gewesen, dass der Minister, die breite zivile Verantwortung der Staatssekretäre oder der Generalinspekteur aufgrund dieser konkreten “Erfahrungsberichte” der AFG/Bw-Kontingent-Kommandeure einen Donnerschlag in die Hirne der warm und trocken galoppierenden Etappenhengste (und -stuten) gejagt hätte? (das hätte man gemerkt, war aber nich);
     
  • Kann man sich vorstellen, dass der amtierende Minister
    - 1. weiss, dass die Kontingent-Berichte zur absoluten Pflichtlektüre gehören?
    - 2. sich die Zeit nimmt, sie eigenständig intensiv zu studieren?
    - 3. das emotionale “Empörungspotential” aufbringt, um mit aller Kraft gegen den Unrat  für “seine Lieben” zu kämpfen?

{Gab es da nicht das Unwort vom “Schreibtischtäter”?

 

Polnische Inkompetenz?: Courage

27. August 2009

Aus dem Land, in dem einem “Mythos” zufolge, die Deutschen höchstens ihr geklautes Auto vermuten, wird Erstaunliches berichtet: Generalleutnant Waldemar Skrzypcak, Kommandeur der polnischen Landstreitkräfte (vergleichbar dem deutschen Heeresinspekteur?), hat die Flinte ins Korn geworfen. Seinen Abschied begründet er mit der “serious incompetence” der Warschauer Verteidigungsbürokraten, die “teilweise verantwortlich für den Tod polnischer Soldaten” in Afghanistan seien (!!):
http://www.defenseindustrydaily.com/Polish-Land-Forces-Commander-Resigns-Over-Equipme nt-Issues-05738/

Der polnische Verteidigungsminister Bogdan Klich muss in seiner Reaktion auf Skrzypcak das wohl gleich bewiesen haben.

Welch ein Glück, dass diese “polnischen” Zustände bei uns nicht zu finden sind. Unsere “strammen Jungs” sind gemäss Verteidigungsminister Jung (lt. seiner Standard-Rede) “bestens ausgerüstet”. Bei uns kann demnach kein Verantwortlicher in der misslichen Lage sein, seinen Rücktritt aufgrund interner Kenntnis über die Inkompetenz der Berliner Verteidigungsbürokratie zu erklären.

Leichte Zweifel an dieser These sind vielleicht nicht ganz unangebracht. Wenn z.B. in absehbarer Zeit einflussreiche Medien auf Grund interner, authoritativer Lageberichte eine “ernsthafte Inkompetenz” der Berliner Verteidigungspolitik beweisen würden, sähe das vielleicht (etwas) “polnisch” aus?(!)

{Alles sieht aus, wie es ist (?)}

 

Lernen Talibs?: nicht einfach

25. August 2009

Wenn der Chef des pakistanischen Büros der “Asia Times” in Islamabad, Syed Saleem Shazad, einen Artikel schreibt, lesen wir den immer:
http://www.atimes.com/atimes/South_Asia/KH22Df03.html

Diesen Beitrag kann man als gutes Beispiel dafür hernehmen, wie man mit dem ansonsten fürcherlich verhunzten Thema “Mit den Talibs reden” umgehen sollte. Wer trägt - mit welchen Inhalten - zur Entfeindung, zur “Versöhnung” bei? Und welche Schritte haben die jeweiligen Seiten - unter Verzicht auf vorher postulierte Maximalforderungen - dazu zu unternehmen?

Interessant ist, dass die Gegenseite der Talibs, “als ersten Schritt”, von ihnen verlangen will, Angriffe gegen Infrastruktur-Bauten zu unterlassen, genauso Selbstmord-Attacken auf öffentlichen Plätzen (S. 2 f.). Es spricht vieles dafür, diesen 1. Schritt von seiten der Talibs zu gehen:

  • Blinde, sektiererische Bomberei (02.06 ff.) hat im Irak dazu geführt, das Al-Quaida jegliche Unterstützung, dafür aber aktive Gegenwehr von den “hearts and minds” der Leidenden erfahren hat und den “Krieg” deshalb verlor;
     
  • Auch bei den Talibs wird es genügend, zumindest aber eine steigende Anzahl von Menschen geben, die vor allem Selbstmord-Anschläge mit hohen Tötungsraten bei unschuldigen Zivilisten für nicht besonders werbewirksam halten, abgesehen von allen anderen Horror-Taktiken (siehe die spiegelbildlichen Erkenntnisse der westlichen COIN-”Päpste”);
     
  • Ständige Erfahrung der Talibs ist, dass sie in “normalen” taktischen Gefechten keine Chance haben, zu gewinnen (vor allem wegen der Luftnahunterstützung). Wenn der Gegner keinen “Body Count” mehr veröffentlicht, heisst das nicht, dass sich die eigenen Verluste nicht unter den Talibs “herumsprechen”;
     
  • Die AFG-Signale des U.S.-Präsidenten weisen darauf hin, dass man es (bisher) nicht mit einem “Pudding”- Typen zu tun hat.

Kritisch bleiben zwei Faktoren:

  • Dass die Pashtunen als Mehrheits-Ethnie das Land regieren wollen, kann man verstehen. Ob sie dabei aber eine ausreichende “Minderheiten”-Toleranz aufbringen, werden sie überlegen müssen;
     
  • Wer sein ganzes Leben lang “Krieger” war, wird sich ein Leben “in Frieden” wahrscheinlich nur schwer vorstellen können.

{In Frieden zu leben ist so einfach nicht}

 

Steinmeier’s Abzug: drapiert

24. August 2009

Es ist phantastisch: Der vermutete Versuch einiger Spin-Doktoren, den Bw-Einsatz in AFG aus dem Wahlkampf herauszuhalten, schlägt fehl. Der heftige Wunsch der Verteidiger-Community dagegen, dass hierzulande die notwendige Debatte losbricht, scheint sich zu erfüllen:

Blitzeschnell war Anne Will, denn sie hat gestern eine illustere Runde zum Thema zusammengebracht, die wir leider erst ab 22.25 Uhr entdeckt haben.

In den Medienberichten taucht auch die Kanzlerin auf, die - in trauter Gemeinsamkeit mit Steinmeier - erklärt, man dürfe nur ja keinen Abzugstermin nennen.

Uns verwirrt diese Debatte etwas, denn die Sachdaten der Lage sind relativ einfach:

  • Seit längerem ist ausgemacht, dass der Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte (Armee und Polizei) im Jahr 2012 mit einem Umfang von über 200.000 Personen vollendet sein soll.

    2012, also 1 Jahr vor der nächsten Bundestagswahl, hätte man dann zu sehen, ob die Sicherheit in AFG tatsächlich ein “afghanisches Gesicht” haben kann.

    Geht man von einem Übergangs-Prozess aus, könnte “rechnerisch” schon in 2010 ein erstes Abschmelzen der Bw-Stärke im Norden AFG beginnen.

    Diese Plan-Perspektiven haben sich theoretisch schon lange vor Steinmeiers Vorstoss geboten.

Was uns in der Steinmeier’schen Abzugsdebatte allerdings zusätzlich bewegt, ist:

  • Es ist ein grandioser Schachzug, der auf die verborgene Seele der abzugswilligen und -geneigten Wahlberechtigten zielt. Allein die Semantik vom “Abzug” lässt die, von jeder Sachkenntnis, getrübten Augen der so gern hoffnungsfroh in die Welt blickenden Deutschen glühen;
     
  • Bemerkenswert ist, dass die NATO (ISAF) gar nicht vorkommt. Galt für den Balkan noch die Devise: “Gemeinsam rein, gemeinsam raus”, handelt der Kanzleraspirant das Thema nur mit der afghanischen Regierung und nur für den “deutschen” Norden AFG aus;
     
  • Dass der “für die nächsten 4 Jahre” wählende Bürger eigentlich einen Anspruch darauf hätte, von den Steinmeier-Positionen für den “Abzugsplan” wenigstens ein paar genauere Hinweise zu bekommen, ist natürlich unanständig. Man haut einen “Spin” raus, und freut sich an den “An-der-schönen-blauen-Donau”-Wellen.

Führende “Genossen” treibt schon die Vorstellung um, dass die SPD in der Oppositionsrolle sehr schnell auf einen AFG-Abzugs-Zug aufspringt, der eine heitere Debatte des AFG-Themas für die Zukunft verspricht.

{Bei einem “schönen” Rückzug werden die Orden auch auf dem Rücken drapiert}

 

AFG-Meinungskampf: Zombies

20. August 2009

Das kann man nicht wirklich behaupten, dass die Afghanistan-Frage bisher im Rahmen der Wahlkampfthemen völlig untergegangen wäre (gemessen an der Medien-Diskussion). Jüngstes Beispiel ist der Artikel von Frida Thurm, der zum Verständnis des Rahmens sehr dienlich ist:
http://www.zeit.de/online/2009/34/Bundeswehr-Afghanistan-Desinteresse

Allerdings werden in der Debatte einige eingeschliffene Halbwahrheiten mitgeschleppt, die an den Zombie-Kult erinnern:

  • An der Figur des Florian Rabert in Frida Thurms Artikel kann man die innere Zerissenheit des deutschen Soldaten in AFG ausmachen. Er will sich nichts aus “publizistischen und emotionalen Diskussionen” machen, fordert aber “die kleinen Gesten”.

    Lieber Florian, es gibt (von einer zahlenmässigen Minderheit) diese “kleinen Gesten” sehr wohl; und sie sind nicht “klein”.

    Bundeswehr-Denke ist, dass die Gesellschaft wie ein Mann hinter ihr steht. Das ist nun mal “im (komplexen) Einsatz” nicht so, war es nie. Gibt es für den von der “Inneren Führung” geprägten Soldaten die Überzeugungs-Motivation auch in der Meinungs-Minderheit?
     
  • Wir haben schon darauf hingewiesen, dass - nach den Umfrage-Daten des SOWI - die Meinungsmehrheit der Deutschen einer Leitkultur folgt, die unterhalb jeder Kritik ist. Wenn 53 % der Deutschen auf die Frage, ob sich diese Republik aussenpolitisch überhaupt engagieren sollte, mit NEIN anworten, sollte sich jeder Verantwortliche fragen, was das “kulturell” zu bedeuten hat:
    http://www.sowi.bundeswehr.de/fileserving/PortalFiles/02DB040000000001/W27LCCRB 377INFODE/BU%202008%20Kurzbericht.pdf
    (dazu muss man anmerken, dass das SOWI seinem “Kurzbericht” vom Nov. 2008 erst nach der Bundestagswahl eine Langfassung folgen zu lassen in der Lage ist - abenteuerlich);
     
  • Lieblingskind der Medien ist, dass lt. Umfragen die deutsche Bevölkerung den AFG-Einsatz ablehnt. Es ist eine hahnebüchene Vorstellung von Regierung. Wenn jemand mit der These antreten würde, dass die Regierung nur das tun darf, was lt. Umfragen gegrummelt wird, sollte man unsere Demokratie gleich zu Grabe tragen;
     
  • Beliebt ist auch die These, dass der Westen gar keine Strategie für AFG habe. Es gibt also nicht das “Petersberg-Abkommen”, den “London”- Summit, den “Pariser”-Gipfel etc.?

    Umso eifriger wird die These, z.B. angesichts amerikanischer Truppenverstärkungen, beklatscht, dass “militärische” Verstärkungen gar keine Lösungen bringen. Unter den Schlitten populistischer Meinungsmache gerät dabei schnell die empirisch bewiesene Erkenntnis, dass für Stabilisierungsoperationen ein Verhältnis von 20 (Sicherheitskräften) zu 1.000 Einwohnern notwendig ist. Für die bummelig 30 Mio. Afghanen in einem unglaublichen Land würde das (bummelig) 800.000 Bodyguards bedeuten (im Hessen-grossen Kosovo hat man das auf die Beine gestellt).

Es lohnt sich inzwischen, nach den “Zombies” der AFG-Debatte Ausschau zu halten; sie vermehren sich in unglaublicher Geschwindigkeit.

{Zombies gibt es nicht - es sei denn in Köpfen}

 

Ciao Winni: Hut aaab

19. August 2009

Wir haben - vielleicht ein bisschen zu wenig - auf die Arbeiten hingewiesen, die Winfried Nachwei, Bundestagsabgeordneter von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, 4 Wahlperioden, insbesondere zur AFG-Frage geleistet und veröffentlicht hat.

Jüngst muss man die 40-seitige “Kurz”-Fassung seiner 70-seitigen Analyse zur Sicherheitssituation in AFG lesen (etwas scrollen):
http://www.nachtwei.de/index.php/articles/899

Eigentlich ist die Situation grotesk: Ein MdB (der GRÜNEN!, Lehrer von Beruf?!) ist in der gesamten Republik als Einziger in der Lage, über die Sicherheitssituation in AFG umfassend, fakten-basiert mit Zahlen und Daten fleissig zu berichten!! In den Vergleich dazu darf man den verantwortlichen Verteidigungsminister stellen, der lt. Bundesverfassungsgerichts-Urteil von 1977 eigentlich verdonnert ist, die Öffentlichkeit sachlich ausreichend zu informieren.

Die schlechte Nachricht ist: Unser “lieber Winni” wird im 17. Deutschen Parlament nicht mehr dasein. Eine gute Würdigung, der wir uns nur anschliessen können, hat Robert Birnbaum geschrieben:
http://www.zeit.de/online/2009/32/bundestag-abgeordnete-rente-nachtwei?page=1

Lieber Winni, Du wirst uns Allen fehlen. Wenn in den blöden Diskussionen über Politik nichts mehr hilft, wirst Du das Paradebeispiel für unsere “funktionierende” Verfassung sein.

{Hut aaab}

 

AFG-Ethno-Krieg: Abzug?

18. August 2009

In die Debatte über die Sinnhaftigkeit des westlichen AFG-Engagements schleicht sich ein weiteres Gift ein, welches mit dem strategischen Denken und Handeln des amtierenden und wahrscheinlich am 20. August wiedergewählten Regierungschefs Hamid Karzai verbunden ist,
die Wahrnehmung seiner ethnischen Macht-“Ausrichtung”:

Natürlich haben die Paschtunen ein ethnisches “Überlegenheitsgefühl” gegenüber den Tadschiken, Hazara und Usbeken (und umgekehrt). Das darf aber nicht dazu führen, die Paschtunen im Machtkrieg eliminieren zu wollen. Die immer wieder auffloppende Forderung, mit den “Taliban” zu reden, müsste demnach eigentlich lauten, mit Paschtunen zu reden (unvorstellbar?).

Mit Karzai’s Wiederwahl wird der “Westen” ein richtiges Problem bekommen:

  • Bisherige Kritik an Karzai’s “guter Regierungsführung” wird an ihm noch intensiver abperlen;
     
  • Die “westlichen” Handwerkszeuge (soft power tools) müssen deutlich “aufgeschraubt” werden, um den sicherlich nicht an Minderwertigkeitsbewusstsein leidenden Hamid auf den “Boden” zu bringen.

Das “afghanische Gesicht” des Konflikts ist näher, als man glaubt.

{Je heftiger der Karzai-Unsinn ist, desto schneller kommt der Abzug}

 

AFG-Aspekte: ernsthaft

5. August 2009

Auch wenn AFPAK vielleicht ermüdend erscheint und die Wasserscheide auf 2010 verlegt ist, sollte man doch wichtige Erkenntnisse zur Meinungsbildung nutzen.

Thomas Ruttig ist wohl der hervorragendste deutsche AFG-Experte. Er hat schon im Juli auf der “Favoriten”-Website www.aan-afghanistan.org seine 35-seitige “Feind”-Analyse der Taleban eingestellt. Seine Fragestellung ist hochpolitisch: Gibt es Wege, mit denen zu reden:
http://www.aan-afghanistan.org/uploads/200907%20AAN%20Report%20Ruttig%20-%20The% 20Other%20Side.PDF

Der britische Parlamentsausschuss für Auswärtige Angelegenheiten zeigt seinem Wahlvolk in Zeiten einer hitzigen Debatte, dass er sich ganz intensiv und tiefgehend mit dem Problem auseinandergesetzt hat und dezidierte strategische Empfehlungen gibt (z.B., sich auf Sicherheit zu beschränken):
http://www.publications.parliament.uk/pa/cm200809/cmselect/cmfaff/302/302.pdf

Man darf die Hoffnung aufgeben, dass solche vorbildlichen Demokratie-Lehren jemals von deutschen Parlamentariern erreicht werden. Man stelle sich vor, der Auswärtige Ausschuss des Deutschen Bundestages müsste eine vergleichbare Leistung erbringen! (im Leve nich).

Einen makaberen Einwand muss man sich allerdings überlegen (sorry): Etwa 30 gefallenen Bundeswehr-Kameraden stehen rund 200 britischen Opfer in AFG gegenüber. Der “Druck” wäre in Deutschland demnach noch lange nicht hoch genug, sich hierzulande mit dem Thema ernsthaft auseinanderzusetzen.

{Krieg ist erst dann, wenn man sich ernsthaft mit ihm beschäftigt}

 

Holbrooke: langweilig

30. Juli 2009

Gestern haben wir uns darauf fixiert, über die Pressekonferenz von Richard Holbrooke zu berichten; der AFPAK-Sondergesandte der U.S.-Regierung war vom 21. bis 28. 7. in der Region. Nachdem heute morgen das Transkript
http://www.state.gov/p/sca/rls/remarks/126669.htm
vorliegt, sind wir aber enttäuscht; u.E. ist nichts wirklich Berichtenswertes zu finden, ausser diese Nicklichkeiten:

  • Für einen Besuch im Swat-Tal konnten die Pakistani nicht die entsprechende Sicherheit gewährleisten;
     
  • Pakistan leidet unter einer bedeutsamen Energiekrise (Elektrizität);
     
  • Japan hält seine Zusage nicht ein, die gesamte afghanische Polizei für ein Jahr zu bezahlen. Sechs EU-Staaten, die über Gendarmeri-Truppen verfügen, werden lobend erwähnt;
     
  • Das Abfackeln von Mohnfeldern, dass nach Holbrooke’s Angaben 44.000 USD/Hektar gekostet hat, stellt man ein. Jetzt sucht man die Dealer-Zentralen und Herstellungsstätten;
     
  • Die pakistanische Armee ist “ängstlich”, führende Talibs der Gerechtigkeit zuzuführen;
     
  • Dass “die” Golfstaaten die Talibs finanziell (kräftig?) unterstützen, hat man schon öfter gelesen. Holbrooke will aber keine Staaten benennen und findet es “nicht fair”, die jeweiligen Regierungen dafür verantwortlich zu machen. Alllerdings untersucht eine interministerielle Arbeitsgruppe unter Führung des U.S.-Finanzministeriums diese Frage;
     
  • Es gibt ja dieses Mantra: ‘Keine Sicherheit ohne Entwicklung - keine Entwicklung ohne Sicherheit’. Was die konkrete Abfolge angeht, bemerkt Holbrooke:
    “And most importantly, you can’t have civilians go out unless there’s security”.
    Also: Erst Sicherheit, dann Entwicklung.

Nach Holbrooke müssen wir bis zum nächsten Jahr warten, wohin sich AFPAK entwickelt.

{Stimmt: Warten ist langweilig}

 

Lothar Rühl: Omnipotenz?

27. Juli 2009

Für Altgediente wie unsereins ist der Name Lothar Rühl wie Donnerhall (Jüngere schauen bei Wikipedia nach: http://de.wikipedia.org/wiki/Lothar_R%C3%BChl ).

Wenn ihm in der F.A.Z. Raum geboten wird, sich zum “Unwort Krieg” zu äussern, kann man nicht zur Tagesordnung übergehen. Schon gar nicht, wenn der Altmeister die Vermeidung des Begriffes Krieg auf Seiten der ISAF-Regierungen so begründet (S. 2):
“Es fehlt das explizite ‘internationale Mandat’ zum Krieg”:
http://www.faz.net/s/RubDDBDABB9457A437BAA85A49C26FB23A0/Doc~E459BBD320FC2477 0B4E7178DCB84BDD1~ATpl~Ecommon~Scontent.html

Wir interpretieren die Rühl’schen Zeilen als zentralen Angriff auf die allseits hergebeteten Mantras westlicher Regierungen: Der “Krieg” gegen die Talibs ist nicht mandatiert”?????!?
Und die Deutschen müssen ihre “’Notwehr’- Rechtsfiktion aufgeben”???!?

Angesichts dieser fulminanten Breitseite des ehrwürdigen Professors fragen wir uns, ob noch 2 Tassen im Schrank verharren?:

  • Wie konnte das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung
    http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/es20070703_2bve000207.ht ml
    so derbe im Rühl’schen Abseits landen? (Lothar erwähnt das Urteil natürlich nicht);
     
  • Unsereins hat man vor Urzeiten gelehrt, dass Formulierungen in U.N.-Sichrheitsresolutionen wie
    - “Determined to combat by all means ...”
    - “take all necessary steps ... and to combat in all forms
    (beide in der von L.R. erwähnten U.N.-Sicherheitsresolution S/Res/1368 (2001), suche auf
    www.un.org )
    zwar perfektes diplomatisches Understatement zeigen, in der Umgangssprache aber bedeuten, dass man (im Rahmen des Kriegsvölkerrechts) das uneingeschränkte Mandat der Vereinten Nationen zur Krieg/Kampfführung hat.

In den entsprechenden Unterrichtseinheiten muss Lothar irgendwie gefehlt haben.

{Omnipotenz ist doch wirklich schwierig}

 

AFG-Literatur: wimmeln

24. Juli 2009

Sehr bittere Verluste britischer Kameraden haben in den UK-Medien eine AFG-Debatte erzeugt, die beachtlich ist; die Kritik kommt mitten aus dem Establishment. Die fundamentalste Abrechnung (13 S.) hat wohl Rory Stewart geschrieben:
http://www.lrb.co.uk/v31/n13/print/stew01_.html

Unbedingt lesen muss man die neueste Arbeit von Altmeister Anthony H. Cordesman; er stellt die Frage, ob “wir” gewinnen können und bejaht dies, allerdings mit erheblichen Auflagen:
http://csis.org/files/publication/090722_CanWeAchieveMission.pdf

U.E. ist die AFG-Diskussion ein klassisches Beispiel für Hilflosigkeit:

  • Die 1.000 Pro- und Kontra-Argumente wimmeln im Kopf;
     
  • Klar ist, dass die jeweilige Festlegung eines Betrachters aufgrund seiner grundsätzlichen Werte/Interessen-Orientierung das Fakten-Hin-und-Her unterordnet;
     
  • Zuletzt verbleibt eigentlich nur die Frage, ob (und was) man denn will; ob man sich einer vermeintlich drohenden Zukunftsentwicklung entgegenstemmen will, wozu natürlich eine entsprechende Aufbietung von Kräften gehört;
     
  • Eigentlich ganz entspannt kann man die seit je bekannten Alternativen abwägen:

    - Berthold Brecht’s Maxime: “Wer nicht kämpft, hat schon verloren”;

    - Weisheit eines Unbekannten: “Wer kämpft, kann auch verlieren”;

    - Hilflosigkeit eines Hinterwäldners: “Wo soll ich denn kämpfen”?

Wer sich ob solcher Kost entspannen will, sollte lesen, was die Welt denn zu diesem oder jenem Thema meint; 6 Mrd. können nicht irren:
http://pewglobal.org/reports/pdf/264.pdf

{Für’s Wochenende wünschen wir eine erholsame Kampfpause}

 

Walser/Merkel-Brief: hinter

13. Juli 2009

Wenn Martin Walser, ein Literatur-Intellektueller der ersten Garde, in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Merkel den geordneten Rückzug Deutschlands aus dem Krieg am Hindukusch fordert, sollte man schon schauen, welche Argumente er denn vorzubringen hat:
http://www.zeit.de/2009/29/Walser-Brief

  • Dass Deutschlands Sicherheit am Hindukusch verteidigt werde, tut Walser ins “Pop-Fach” ab;
     
  • Für Probleme in der Welt schliesst sich der Literatur-Papst den Lehren aus dem Vietnamkrieg von Ex-U.S.-Verteidigungsminister McNamara an:
    (zitiert MacNamara): “Militärgewalt von aussen kann nicht die politische Ordnung und Stabilität ersetzen, die ein Volk für sich erkämpfen muss.”
    (so einfach ist das Problem also !??);
     
  • Marin Walser “behauptet”: “Wer den Terrorismus militärisch bekämpft, stärkt ihn.”
    (eine stramme Behauptung ist immer besser als ein schwacher Beweis);
     
  • “ ... die U.S.A. kommen aus ihrer Routine, die Welt mit Waffengewalt ordnen zu wollen, nicht heraus. Aber das ist doch längst nicht mehr unser Credo”.
    (die Behauptung von den “schiesswütigen Amis” stimmt ja irgendwo, sie ist aber immer mit der “good and bad guys”-Wertung verbunden);
     
  • “Wir sind, wenn wir uns nirgends militärisch engagieren, kein Ziel mehr für den Terrorismus”, mutmasst Martin Walser.
    (hoffentlich versteht das der allerletzte Terrorist auch wirklich; der allerletzte Psychopath sieht das anders. In erster Instanz kann man das auch Feigheit nennen);
     
  • Walsers Versuch, die Wichtigkeit seiner Meinung im Wege von Understatement-Künsten herunterzuspielen, ist ganz schwache Literatur, schon feige, vorbedacht inszeniert?:

    - “Ich bin weder Politiker noch politischer Schriftsteller, aber mitfühlender Zeitgenosse schon ...”
    (na, wieviele “mitfühlende Zeitgenossen” wird es in dieser Republik wohl geben? Und ist vielleicht nicht auch der mitdenkende Zeitgenosse gefragt?);

    - “Es mag meine Privatsache sein, dass ich glaube, Kriege seien unter gar keinen Umständen zu rechtfertigen.”
    (warum handelt Herr Walser seinen offenen Brief nicht ganz mutig von seiner “Privatsache” ab? Offensichtlich ist das seine strategische Postition, die man natürlich durchaus haben kann. Allerdings muss man sie dann auch stramm durchbuchstabieren).

Man sollte einen interkulturellen literarischen Wettbewerb ausloben:

- Gibt es eine Brücke zwischen Pazifisten und Realos? (Nein);

- Gibt es einen Kriterien-Katalog für den Rückgriff auf die Anwendung militärischer Gewalt?
(Ruanda, Dafur);

- Und wenn ja, welchen Durchschlag hat er auf die konzeptionelle und ressourcencerale Ausrichtung der nationalen Streitkräfte?

{Titel: “Die Welt hinter Martin”}

 

U.S./AFG-SITREP: versprochen (+ Eingeständnis)

10. Juli 2009

Das U.S.-Verteidigungsministerium hat wieder seinen gesetzlich geforderten Halbjahresbericht über die Situation in Afghanistan an das U.S.-Parlament abgeliefert; der 77-seitige Report umfasst den Zeitraum von Okt. 08 bis April 2009. Der SITREP ist umfassend und gehört zu der Literatur, die man über AFG lesen muss!

Ein klitzekleines Problem ist allerdings: Gestern nachmittag haben wir über einen Link in einem Artikel des “American Forces Press Service” (e-mail-Eingang 8.7., 23.26 Uhr) den SITREP noch abladen können. Heute findet der Server von defenselink.mil den Report unter dieser Adresse nicht mehr. Deshalb bieten wir ihn von uns aus hier an.

Eine Erklärung dafür hätten wir: In der Tabelle 1 auf pdf.-S. 17 sind die Nationen aufgeführt, die in den sog. Regionalkommandos der ISAF in AFG entweder “Lead” oder “Support Nations” sind. Einige unserer britischen Kameraden werden über diese Tabelle fast erbost sein:
Obwohl das Vereinigte Königreich als zweitgrösster Truppensteller in AFG mit 8.300 Soldaten im “Regionalkommando Süd” in der tödlichsten Zone von Helmand kämpft, wird UK in der Tabelle überhaupt nicht erwähnt!

Der dafür Verantwortliche kann eine schwache Entschuldigung vorbringen: Im Vorgänger-Report ist UK auch nicht erwähnt worden
(
http://www.defenselink.mil/pubs/OCTOBER_1230_FINAL.pdf , pdf-S. 29).

Zuletzt muss man feststellen, dass die im Text erwähnten Anhänge (Annex A - F?) wahrscheinlich der Geheim-Schere zum Opfer gefallen sind (z.B. die Angaben über die nationalen Vorbehalte (caveats)).

Einige inhaltliche Aspekte sollen deshalb aber nicht zu kurz kommen:

  • Fast amüsant ist, dass in der Beschreibung der strategischen U.S.-Ziele formuliert wird, dass man Al-Qaida “eventually defeat” wolle; (bitte, bitte: total streichen, siehe “Eingeständnis”, unten)
     
  • Andererseits lautet ein Weckruf (S. 16):
    “The danger of failure is real and the implications of such a failure are grave.”
     
  • Die Zahl der Taliban-Angriffe ist um 57 % gestiegen. 67 U.S.-Soldaten sind im Berichtszeitraum gefallen (+ 24%). Zählt man die Toten bei ISAF und den afghanischen Sicherheitskräften dazu, beträgt die Steigerungsrate 68 %!
     
  • Als oberste Adresse für die Entwicklung in AFG gilt die “Afghanistan National Development Strategy” (ANDS, http://www.ands.gov.af/ ). Die afghanische Regierung schätzt, dass zur Umsetzung der ANDS-Ziele 50 Mrd. USD notwendig sind. Auf der letzten Geber-Konferenz in Paris 2008 hatte man 20 Mrd. USD versprochen, von denen allerdings vorher schon 6 (7) Mrd. zugesagt worden waren. Folglich müsste die alte Weisheit gelten: Wenn Du nicht die erforderlichen Ressourcen für Dein strategisches Ziel bereitstellst, wirst Du es auch verfehlen.
     
  • Lt. Plan werden bis Ende 2012 mehr oder weniger alle afghanischen Sicherheitskräfte ihre Endstärke erreicht haben (die Luftwaffe 2016). Demnach könnte man mit einiger Berechtigung hierzulande sagen, dass ein Abzug der Bundeswehr in 2011 langsam beginnen kann. Oder ist das schon politisch inkorrekt?

{Man denkt halt, wie man es versteht}

Eingeständnis: 2 des Englischen wirklich Kenntnisreiche haben uns auf unseren sehr blamabelen Fehler aufmerksam gemacht:
“eventually heisst nicht eventuell, sondern soviel wie letztendlich. Danke, das war nötig!
(Danke nach AFG und Danke nach Frankreich!)

 

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