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News   III/2003

 

Präsident Rau: best before

30. September 2003

Bundespräsident Johannes Rau hat seine Rede vor der Abschluss-Crew der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg bereits am 25. Sept. 03 gehalten; weil wir erst heute darüber berichten, sind deshalb auch wir die Dummen. U.E. ist aus der 7-seitigen Rede, zu finden auf
http://www.bundespraesident.de/frameset/index.jsp , folgendes bemerkenswert:

  • “Vor allem wünsche ich mir eine breite öffentliche Diskusion darüber, wie sich unser sicherheitspolitisches Denken ganz grundlegend gewandelt hat. Gelegentlich frage ich mich, ob in in einer breiten Öffentlichkeit überhaupt richtig wahrgenommen wird, wie weit wir uns in der Praxis von dem verabschiedet haben, was jahrzehntelang die allgemein akzeptierte Aufgabe der Bundeswehr gewesen ist. Ich staune oft, dass so Vieles doch so beiläufig geschieht. Sind wir uns der Konsequenzen bewusst, die sich daraus ergeben, dass im Zeitalter der Globalisierung jede Verwerfung in dieser Welt auch negative Folgen auf uns haben kann?”
     
  • Beachtlich ist, dass der Bundespräsident eine Reihe von Fragen stellt, bei denen wiederum fraglich ist, wer sie denn wohl beantwortet (S. 2 f.). Die anschliessende Forderung ist massiv:
    “Wir brauchen einen neuen, einen gesellschaftlichen Grundkonsens über die Aufgaben der Bundeswehr. Das können die Angehörigen der Bundeswehr zu Recht erwarten. Aber die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes auch.”
     
  • Wer tröstende Mahnungen sucht, die an die längst vergessene “sui generis”-Frage des Soldaten-Berufs (Polizei und Feuerwehr nicht vergessen) anschliessen, wird kernige Sätze finden. Eingemeisselt in steinernde Klagemauern gegen den Staat würden sie sich prächtig ausmachen:

    “Als Soldaten haben Sie sich verpflichtet, Ihr Leben für die Erfüllung Ihres Auftrages einzusetzen. Keine andere Berufsgruppe verpflichtet sich zu einem so weitgehenden Einsatz für die Menschen in unserem Land. Für diese Bereitschaft danke ich Ihnen. Diese Bereitschaft verpflichtet den Staat auch, Sie, soweit wie möglich, vor Risiken zu schützen und zu Ihnen und zu Ihren Familien zu stehen.
    Es versteht sich von selbst (sic!), dass Sie hervorragend ausgebildet und bestmöglich ausgerüstet sein müssen. Es ist ebenfalls selbstverständlich (!!?), dass Sie und Ihre Familien angemessen versorgt sind, wenn Ihnen etwas zustoßen sollte. Ich weiß, dass hier nach Auffassung vieler längst nicht alles zufriedenstellend geregelt ist und dass noch Verbesserungen nötig sind. Auf Klarheit und Sicherheit haben Sie einen Anspruch!”

Sorry, Mr. Präsident, wer der sich spreizenden Amtswürde etwas burschikos entgegentritt, könnte (begründet?) feststellen müssen:

  • Eine “breite” öffentliche Debatte über Sicherheitspolitik in dieser Republik kann nur bedeuten, dass im clausewitzianischen Schnellkurs gebackenen Schauspieler, sonstige Kultur-Schaffende und dezidiert quotenbewusste Stern- und Spiegel-Fechter, nicht zu vergessen die eilfertigen TV-Trailer-Schreiber-Zunft, ihre moralische, politische oder nur karriere-gerichtete Zusammenhangsfremde und Zukunfts-Cafeteria (Kaffesatz-Leserei) zum Mainstream-Abnicken geben; würden sie auf Realitäts-Analyse abgefragt, bestände immer die Gefahr der “Verschwörungs”-Enttarnung;
     
  • Es reicht für Staats-Authoritäten nicht, die richtigen Fragen zu stellen. Das mit blauen Augen gläubig in Richtung der Führer schauende Volk möchte wenigstens Vorgaben. Wenn der Begriff “Führer” speziell diskrediert ist, heisst dies noch lange nicht, dass das Phänomen der “Führenden” und der “Geführten” nicht existiert, vergleichbar dem der  Unternehmer und der Unternommenden;
     
  • Für die bundesdeutsche Gesellschaft ist zu allerletzt vorstellbar, dass sie ihre HELDEN ehrt. Insbesondere in Dörfern des Ostens sind uns die Denkmäler aufgefallen, die die gefallenen Soldaten des 1. Weltkrieges ehren mit dem Hinweis auf NT, Joh. 15.13 (die Problematik ist uns sehr wohl bewusst). Würde ein bundesdeutscher Präsident auf die quoten-tödliche Idee kommen, für gefallene Bundeswehr-Soldaten einen Helden-Friedhof zu fordern? Würde ein bundesdeutscher Präsident auf die Idee verfallen, Bundesregierung und Bundestag mit allem Nachdruck aufzufordern, für Bw-Opfer (Tod und Verstümmelung) die notwendigen “Verbesserungen” ultimativ einzufordern?

So man sieht, dass die Rede als solche, noch dazu in dieser Amtsfülle, verheerende Konsequenzen haben könnte - und das Geschriebene natürlich genauso - freuen wir uns über die Verderblichkeit (Best before) des eigenen Tuns:

{Wie kann ich wissen, dass nichts passiert, wenn ich was sage?}

 

U.N.-Gipfel: Kreativität

25. September 2003

Es sind immerhin 30 Jahre vergangen, seit dem ein deutscher Bundeskanzler vor der Generalversammlunng der Vereinten Nationen die Chance hatte, der Weltgemeinschaft originäres Visionäres deutscher State-of-the-Art zu bieten.

Hat Gerhard Schröder dieses Ziel erreicht? Seine Rede sollte man daraufhin untersuchen:
http://www.bundesregierung.de/rede,-531138/Rede-von-Bundeskanzler-Schroed.htm

Die in der Rede des Bundeskanzlers aufscheinenden Schlüsselbegriffe sind:

  • “Weltinnenpolitik” (S. 1):

    “Wir müssen, auf der Basis eines effektiven Mulitlateralismus, entschlossen handeln” ...
     
  • “Wie also muss unser Weg zu mehr Sicherheit aussehen?” (S. 2):

    “Um die Menschen für den Weg der Freiheit, des Friedens und der gesellschaftlichen Offenheit zu gewinnen, müssen wir ihnen helfen, in gesicherten gesellschaftlichen Strukturen mehr Teilhabe und mehr Wohlstand zu erreichen.”
     
  • (incl. Vorsatz, S. 3) “Eine politische Verpflichtung zu umfassender Prävention muss das Gewaltmonopol der Vereinten Nationen, aber auch die Institutionen des Völkerrechts weiter stärken.”

Politische Visionen sind nur dann wertvoll, wenn eine halbwegs realistische, d.h. durch ressourcen-abgedeckte und politische Willens-Nachhaltigkeit glaubwürdig erscheinende, Kraft erkennbar ist, die die Ziel-Erreichbarkeit in den Bereich einiger Wirklichkeits-Wahrscheinlichkeit rückt.

Zur Komplizierung reicht der Hinweis auf die Willy-Brandt’sche Vision vom “blauen Himmel” über der Ruhr. Was soll’s, wenn gleichzeitig das Ozon-Loch weltweit den Untergang ankündigt?

So sorry, wenn unsereins als Irrlicht die wahre Grösse deutscher Regierungs-Führung nicht erkennt.

Zufällig schauen wir gegen 05.23 auf BR-Tv die “Wiesn-Night 2003”.  Die Bild- und Ton-Performance ist so absolute Top-Performance, dass wir nicht glauben mögen, dass das alles das Ende ist.

{Kreativität ist gewollt}

 

U.N.-Gipfel: F/D-Speerspitze

24. September 2003

Noch am Montag, den 22. 9., hatte ein Regierungs-XXL in einem Vor-New-York-Briefing die versammelte Journalisten-Schar “unter zwei” (aus Regierungskreisen verlautet) über einen zentralen Punkt der Debatte über eine neue Irak-Resolution des Sicherheitsrates wie folgt getröstet:

  • “Ich glaube, wir sind uns auch mit den Vereinigten Staaten von Amerika völlig einig, dass das, was wir brauchen, ein möglichst schneller Übergang der Regierungsgewalt an die Iraker ist ...
    Gleichzeitig sind wir uns aber auch dahingehend einig, dass dieses ‘möglichst schnell’ nicht bedeuten kann, dass man jedes Augenmass und jeden Realismus verliert. Das heisst, (wir brauchen den Übergang) möglichst schnell, wobei auch dieses ‘möglichst’ zu betonen ist. Es geht um einen realistischen Fahrplan. Das, was realistisch ist, ist das einzige, was im Augenblick in der Diskussion ist. Dazu gibt es in der Tat unterschiedliche Analysen und bisher noch unterschiedliche Antworten. Aber ich bin keineswegs pessimistisch, dass es beispielsweise bezüglich der Resolution, über die im Augenblick verhandelt wird, nicht zu einer Einigung kommen könnte.”

Einen Tag später ist aus der “möglichst-(schnell)-Einigkeit” mit der Bush-Regierung eine “schnell”-Einigung mit der fränzösischen Regierung geworden. Nachzulesen auf
http://www.bundesregierung.de/artikel,-530875/Schroeder-Schnelle-Uebergabe-d.htm ist das Kanzler-Zitat:

  • “Wir haben mit Frankreich eine gemeinsame Position, die respektiert werden soll”.

Seit Montag (22.) kennt jeder Interessierte die französische Position: Jacques Chirac will - im Gegensatz zur U.S.-Regierung - innerhalb von Monaten den kompletten Übergang der Regierungsgewalt an die Iraker; die Irak-Resolution will er zwar nicht mit einem Veto überziehen, sich aber der Stimme enthalten. In der Konsequenz stünde die deutsche Stimmabgabe damit auch fest (spannend wird es mit der von Russland und China).

So man “Augenmass und Realismus” walten lässt, ist die französische Forderung sachlich unhaltbar:

  • Deutschland brauchte nach Kriegsende vier Jahre, um seine Verfassung zu entwerfen und erstmals freie Wahlen abzuhalten. Nicht wenige Staatsrechtler behaupteten zu recht, dass Deutschland erst nach 1990 die 100%ige Souveränität erlangte;
     
  • Seit dem Kosovo-Krieg 1999 zeichnet sich keinerlei politische Lösung des Problems ab. Die U.N. sind Mandat-Macht; niemand will sich die Finger verbrennen an einer Perspektive kosovarischer Souveränität oder anderer Lösungen, “fremde” Soldaten werden stationiert bis zum Sanktnimmerleinstag (den Steuerzahler interessiert es nicht, die Soldaten murren fröhlich);
     
  • In Afghanistan sind freie Wahlen auf Juni 2004 terminiert - wann wird das Land 100%ige Souveränität haben?

Es ist überdeutlich, dass sich Bundeskanzler Schröder in dieser Frage nicht von irgendwelchen Sachlichkeiten beeindrucken lässt, sondern strikt an seine Assistenten-Rolle für den Verehrer seiner Frau Doris hält. Es ist nur zu hoffen, dass dem Kanzler für das heutige Gespräch mit George W. Bush desssen Gattin Laura zu Hilfe kommt. Sie hatte ihren Ehemann im Nov. 2002 schon einmal gebeten:

{“Mäßige Dich, Schatz”}

 

U.N.-Gipfel: Fame Academy

23. September 2003

Wie üblich versucht die Regierung, die Medien auch vor ganz wichtigen aussenpolitischen Events wie der 58. Generalversammlung der United Nations zu positionieren. Man darf in seiner Berichterstattung zitieren, dass man seine Weisheiten “aus Regierungskreisen” erhalten hat. Hilfreich ist das allemal, denn so weiss man vorher, was der Bundeskanzler der Weltöffentlichkeit verkünden wird. Demnach ist die hauptsächliche Stoss-Richtung klar:

  • Es ist die Reform der Vereinten Nationen:

    - Früher waren es 51 Mitglieder, jetzt 190;

    - “Zur Stärkung der Legitimität der Beschlüsse des Sicherheitsrates (gehört) auch eine Stärkung der Repräsentivität ... solange die Regionen der Welt nicht in einer angemessenen Art und Weise im Sicherheitsrat vertreten sind, wird dieser Sicherheitsrat nicht so effizent und nicht so legitim handeln können, wie er eigentlich handeln sollte.”

Logisch ist, dass der Vortragende dass Reform-Konzept in der Tasche hat - allerdings in der Form einer sich affektiert zierenden Macht-Madonna vergangener Hollywood-Zeiten:

  • Wenn die internationalen Herrschaften so einsichtig wären, den Sicherheitsrat zu erweitern und dann noch die Entscheidungsmechanismen ändern, sprich das Veto abschaffen, würde man sich gar nicht mehr zieren, im Sicherheitsrat die deutsche Flagge zu hissen;
     
  • Zur Begründung reichen 80 Mio. Einwohner “mit dem stärksten wirtschaftlichen Potential in Europa” sowie der Hinweis auf die Position Drei in der Beitrags-Hitliste. Daraus folgert man in der dazu passenden typischen Regierungskreis-Formulierung:
    “Deutschland kommt, ob man es will oder nicht (sic!), natürlich eine gestiegene internationale Verantwortung zu”;
     
  • Mit punktgesteuerter Ehrlichkeit wird die Möglichkeit eines “europäischen” Sitzes im Sicherheitsrat,  den man vorgibt, erreichen zu wollen, kassiert mit der realistischen Auffassung, dass Franzosen und Briten auf ihren Sitz nicht verzichten werden wollen. So bekommt man wohlfeil hin, dass man den eigenen Stuhl fordern darf;
     
  • X-fach wird betont, dass “Deutschland sich ganz sicherlich nicht als Gegenpol zu den Vereinigten Staaten (sieht)”. Das wirkt genauso wie die 19-fache Beteuerung eines Seitenspringers, dass das männliche Geschlecht in 250.000 Jahren aussterben wird, wie der SPIEGEL meint, titeln zu müssen;
     
  • In Regierungskreisen meint man, sich über eine einzige Frage unterhalten zu müssen:
    “Kann es eine wirkliche Partnerschaft - also eine ebenbürtige Partnerschaft - geben, wenn die Kluft bezüglich der Fähigkeiten so gross ist, wie sie es im Augenblick zwischen den Amerikanern auf der einen Seite un den Europäern auf der anderen Seite ist? Die Antwort darauf heisst: Eine solche Kluft gefährdet eine echte Partnerschaft. Deswegen müssen insbesondere die Europäer ihre Hausaufgaben machen und sich in die Lage versetzen, ein ebenbürtiger Partner zu werden ...”

Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden die deutschen Medien die Schröder-Rede nicht selbstkritisch begleiten. Seit mehr als zehn Jahren foppen die Bundesregierungen ihre Klientel mit dem Grossmacht-Traum vom Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Jetzt glaubt man mit dem Aufwärmen dieser Idee - auf der Grundlage des verschwörungs-theoretischen Volksgemurmels - innenpolitisch Prozente zu holen. Die in New York dem Bundeskanzler zuhörenden Regierungsvertreter werden zwar toll klatschen, aber sehr genau wissen, dass der Auftritt so inszeniert ist wie bei der “Fame-Academy - Dein Weg zum Ruhm” (RTL II oder Pro7 oder was sonst).

{Löwen und Haie lieben den Streichel-Zoo der Berühmtheiten}

 

BMVg/Eurofighter: Backfire incl. Nachtrag vom 7. 10. 2003

22. September 2003

Die Kameraden von Luftwaffen-Inspekteur Back haben auf 2,25 Seiten gegen die Stellungnahme des Bundesrechnungshofes zum Eurofighter zurückgefeuert:

  • “Bei den angeblichen ‘Mängeln’ des EUROFIGHTER handelt es sich zu grossen Teilen um Leistungen, die zwar erbracht wurden, aber die Zulassung noch nicht passiert haben (z.B. fehlende Luftbetankungsfähigkeit, Beschränkungen der Trägheits-Messeinrichtungen IMU, fehlende radargestützte Verschussmöglichkeit LFK AMRAAM, geringe Höchstgeschwindigkeit, kleinere Steigleistung und Dienstgipfelhöhe, eingeschränkter Operationstemperaturbereich).
    Für die Zulassung des neuen Jagdflugzeugs ist jedoch aufgrund der Flugsicherheitsvorschriften der wiederholte Nachweis aller Leistungen mit einem Serienflugzeug erforderlich ...
    Die vom EUROFIGHTER im Überschallbereich erreichten Werte werden - ausser von der amerikanischen F-22 - von keinem anderen Jagdflugzeug auch nur annähernd erreicht.
    Der BRH läßt ausser acht, dass im Beschaffungsvertrag ein stufenweiser Aufwuchs der operationellen Fähigkeiten des EUROFIGHTER vereinbart ist. Der BRH verlangt Fähigkeiten jetzt, die nach Vertrag erst in Etappen bis Ende 2005 aufwachsen sollen.”
     
  • “Zu den Gesamtkosten des EUROFIGHTER ist anzumerken, dass die vom BRH konstatierten ‘Mehrkosten’ ganz überwiegend auf Entscheidungen zu beschlossenen Programmanpassungen, insbesondere hinsichtlich der Komplettierung des Gesamtsystems EUROFIGHTER mit entsprechender Bewaffnung und deren Integration gemäss der Beschaffungsvorlage aus dem Jahre 1997 zurückzuführen sind. Der Kostenaufwuchs aus vertraglich vereinbarten Preisstandsanpassungen bei der Beschaffung des Basisflugzeugs liegt bei jahresdurchschnittlich rund zwei Prozent.”
     
  • “Auch die seither getroffenen Entscheidungen zur weiteren Reduzierung der Kampfluftfahrzeugflotte der Luftwaffe (von 432 auf 302 Luftfahrzeuge, im Rahmen der Anpassung an die VPR auf 262 Luftfahrzeuge einschliesslich der Übernahme der Aufgabe ‘Seezielbekämpfung’) setzen die Realisierung dieses Bedarfs (180 EF, d. Verf.) zwingend voraus.”

Bestimmte Träume zerstören die Experten des Verteidigungsministeriums mit dem letzten Satz ihrer Zusammenfassung:
”Das Gesamtsystem EUROFIGHTER (ist) weitgehend bereichts durch MoU (Memorandum of Understanding, d. Verf.) und/oder Verträge fest verpflichtet ..”

Bis auf die parlamentarische Zustimmung zur 2. Tranche (Los) der Produktion des EF2000 und die Rollen-Anpassung für die Jagdbomber-Rolle (Luft/Boden) ist tatsächlich bereits alles parlamentarisch abgesegnet. Da die Deutschen allein (nur) 40 Eurofighter (falsch, falsch - es sind 68 !!) auf diese Fähigkeit ausrichten, sind dafür immerhin 1,145 Mrd. EUR nur für die Konfiguration des Waffenträgers erforderlich.

Aus der vom BMVg zur Stellungnahme beigefügten 2-seitigen Tabelle haben wir eine einseitige Zusammenfassung als pdf.-Dokument gefertigt.

Schön, dass wir damit Stoff zum Nachdenken, zur Recherche und zu weiteren Beiträgen haben.

{Das Ende ist immer da, wo der Anfang ist}

Nachtrag 7. Oktober 2003:

Heute können wir mit dem 12-seitigen Original-Wortlaut des Antwortschreibens des BMVg an den Bundesrechnungshof wegen dessen Eurofighter-Schelte dienen. Allerdings müssen wir wegen Inkompetenz bei der Behandlung von elektronischen Verfahren vor dem Volumen warnen: Die Datei hat 5,1 MB:
Trotzdem abladen?:
BMVg vers. BRH in Sachen Eurofigther 2000 als 5,1 MB pdf.

 

D/F-Konsultationen: ambition

19. September 2003

In der Regierungs-Pressekonferenz am 17. Sept. in Berlin wurde eine Zusatzfrage zum Thema deutsch-französische Konsultationen gestellt:

  • “In dem Programm ist der Verteidigungs- und Sicherheitsrat hervorgehoben. Könnten Sie bitte etwas zu den Themenschwerpunkten sagen?”

Regierungssprecher Bela Andas Antwort:

  • “Die Tagung des Verteidigungs- und Sicherheitsrats obliegt einer besonderen Vertraulichkeit. Insofern lässt sich weder vorher noch nachher schwerlich etwas über die Themen sagen.”

Im 13. Jahr nach Ende des Kalten Krieges sollte man eigentlich meinen, dass die Informationspolitik der Regierung in Sachen Sicherheitspolitik etwas staatsbürgerlicher werden könnte. Aber damit hat das wohl weniger zu tun, denn es gibt augenscheinlich Gründe für diese vor-demokratische Haltung:

  • Die positive Möglichkeit wäre, dass man Handlungen vorbereitet, die der Geheimhaltung bedürfen, um ihren späteren Erfolg nicht zu gefährden. Analysiert man die Ausgangslage, dann kann es gar kein Feld von Belang geben, in dem irgendwelche “Siege” erreicht werden könnten.
     
  • Die negative Variante ist, dass man die Erfolglosigkeit mit dem Mantel der Geheimhaltung zudecken möchte.

Sicher ist, dass eine derartige “Geheimhaltung” bei allen Partnern im Ausland nur Misstrauen erweckt. Ausserdem ist das Verhalten der Regierung nur eine weitere Bestätigung der These, dass Kanzler und Aussenminister unbeirrt an der strategischen Umleitung deutscher Aussenpolitik in Richtung Paris weiterwurschteln. Bleibt die Frage, ob jemand der deutschen Führung glaubt, dass sie sich Paris unterordnen will; der Berliner “level of ambition” ist unverkennbar. Der Schaden für Europa ist schon lange aufgebrochen: Dass sich die “kleineren” Staaten zunehmend abwenden, hat seinen Grund: Erkennbar ist, dass das alte “Spiel” der grauen Vorzeit um die Führung der Macht in Europa durch die “Grossen” unvermindert anhält.

{Jahrhunderte können sich nicht irren (!?)}

 

BMVg-Geflüster: flach

15. September 2003

In Berlin kleckert sich einiges zusammen, was nicht von Pappe ist:

  • Für die Bootbauer-Perle HDW zeichnet sich eine Lösung ab, die die Regierung betreibt:
    - Thyssen-Krupp soll eine 51/50,1%-Führung zugestanden werden; Thales erhält den Rest;
     
  • Neu in der Beschaffungsliste des BMVg ab Haushalt 2004 ist das Luftverteidigungs-System MEADS. Das tri-laterale Projekt (US, I, D) ist für 2004 mit 50 Mio. EUR gebucht sowie mit 1,3 Mrd. EUR weiteren Entwicklungskosten. Für die Beschaffung ab ca. 2010 werden weitere 2,6 Mrd. EUR fällig;
     
  • Die Firma DIEHL wird es freuen, dass sie mit ihrer Luft/Luft-Rakete IRIS-T nun auch in der Boden/Luft-Abwehr-Konfiguration zum Zuge kommt;
     
  • Über die zur EADS gehörige EUROCOPTER wird wenig freundliches kolportiert. Der Bund wollte von den im 1. Los zu liefernden 46 NH-90 acht Exemplare strecken, um Haushaltsmittel freizubekommen. EUROCOPTER soll bisher stur geblieben sein;
     
  • In der Marine bereitet man eine betriebskosten-sparende Rückfall-Position vor: Die Rückkehr zum 2-Stützpunkt-Konzept (Kiel/Wilhelmshaven). Grosser Verlierer wäre Rostock;
     
  • Am kommenden Samstag (20.9) treffen sich die politische Führung und der General-Inspekteur zur Leitungs-Klausur. Man wird sehen, ob General Schneiderhan der Runde eine Skizze seiner neuen Bw-Konzeption präsentiert. Deren Kernpunkt wäre die Abkehr von der bisherigen Leitlinie der 50.000-oder 2x-10.000-Forderung für die operative Leistungsfähigkeit der Bw; eine 10.000-Forderung wird gestrichen.

{Wer flüstert, der liegt}

 

BDI/SKI: kurios

12. September 2003

Gestern hat der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) seine Position zum Thema “Streitkräfte und Industrie (SKI) 2010 - Politik, Streitkräfte und Industrie vor neuen Herausforderungen im 21. Jahrhundert” vorgestellt. Das 16-Seiten-Dokument war auf www.bdi-online.de oder www.germandefence.de noch nicht zu finden, müsste aber dort bald eingestellt werden.

Die als “konzeptionellen Überlegungen” titulierten Forderungen werden in der Zusammmenfassung wie folgt beschrieben:

  • “Finanzmittel für Verteidigung umschichten!
  • Einsatz der Truppe im Inland verstärken!
  • Transformation der Bundeswehr beschleunigen!
  • Allgemeine Wehrungerechtigkeit beenden, Streitkräfte auf einen flexiblen Wahlwehrdienst umstellen, Freiwilligenarmee einführen!
  • Deutsche Exportungerechtigkeit beenden!
  • Gemeinsame europäische Forschung, Entwicklung und Beschaffung forcieren!
  • Deutsch-Amerikanische Freundschaft erhalten und fördern.”

Sehr konkret werden auf S. 8 der “IST-Zustand 2003”, die vom BDI vorgeschlagenen Massnahmen und der “SOLL-Zustand 2010” verzeichnet:

  • Erhöhung des Verteidigungs-Haushaltes von derzeit 24,4 Mrd. EUR ab 2005 um jährlich 5% auf 30 Mrd. EUR in 2010. Warum der BDI ab 2005 dabei einen Kaufkraft-Verlust von”ca. 4 %” prognostiziert, bleibt wohl sein Geheimnis.
     
  • Obwohl erst ab 2008 der allgemeine in den flexibilisierten Wehrdienst wandelt, sollen die Personalkosten der Bw von derzeit 51 % bis 2010 auf “ca. 35 %” abgesenkt werden (in ihren besten Zeiten hat es die Bw auf 42 - 44 % Personalkosten-Anteil gebracht).
     
  • Korrespondierend zu dieser wundersamen Personalkosten-Rechnung steigt der Investitionsanteil von 25 auf sagenhafte 45 %! Zu dieser Rechnung gehört die Absenkung des Umfangs der Bundeswehr auf 220.000 Personen und die Reduzierung des Zivilpersonals von 128.000 auf 75.000 Personen (die Bw hat sich 85-90.000 vorgenommen).

Augenscheinlich hat sich der BDI von den Rechnungen der SWP-Studie von Hans-Dieter Lemke leiten lassen (S. 10), die u.E. im besten Falle als kurios eingestuft werden müssen. Von einer Organisation des Formats des BDI dürfte man eigentlich erwarten, dass sie über Evaluierungs-Methoden verfügt, die ihr Daten-Kompetenz garantiert. Wenn das den BDI nicht interessiert, warum sollte es sonst von Belang sein?

{Ohne Ernst ist August auch nur ein Monat}

 

SPD/Rüstung: Röhren-Blick

11. September 2003

Mit dem Diskussions-Papier “Wehrtechnik und Politik” haben sich die SPD-Verteidiger der Bundestagsfraktion unter ihrem Vorsitzenden Rainer Arnold positioniert. Ihre Fragen sind:

  • “Welche Schlüsseltechnologien müssen zukünftig in Deutschland verfügbar sein?
     
  • Welches politische und wirtschaftliche Interesse hat Deutschland am Erhalt einer nationalen leistungs- und wettbewerbsfähigen Rüstungsindustrie?
     
  • Welche technologischen Entwicklungen sind für den Bedarf der Streitkräfte nutzbar und welche industrielle und technologische Kompetenz ist dafür erforderlich?

Das 5-seitige Papier beantwortet diese Kern-Fragen zwar nicht ausreichend, enthält aber sehr klare Thesen und Forderungen dazu:

  • “Für die notwendige Ausrüstung der Bundeswehr spielt die deutsche wehrtechnische Industrie eine unverzichtbare Rolle.”
     
  • “Der Erhalt der technologischen Fähigkeiten und einer gesunden industriellen Basis im Rüstungsbereich ist im sicherheitspolitischen Interesse unseres Landes.”
     
  • Für die privatwirtschaftliche deutsche Rüstungsindustrie erkennt man (vor allem) gegenüber den französischen Staatsbetrieben “nachteilige Wettbewerbsverzerrungen” und fordert:
    “Wir brauchen eine europäische Konzeption, die die Kompatibilität von privatwirtschaftlichen und staatseigenen Strukturen der europäischen Verteidigungsindustrie herstellt.”
     
  • Die für die deutsche Rüstungsindustrie wichtige Export-Problematik wird immerhin deutlich angesprochen:
    “”Die europäischen Staaten interpretieren und legen den EU-Ehrenkodex aber unterschiedlich aus. Die unterschiedlich angewandte Praxis gewährleistet bislang keine Chancengleichheit. Hier ist die Politik gefordert, die Exportfrage faktisch auf der Basis einer europäischen Gesetzgebung zu lösen. Ein derartiges Gesetz erfordert aber auch, dass die deutsche Position zum Rüstungsexport nochmals zu überprüfen ist.”
     
  • Etwas irritierend sind die Aussagen zur deutschen Rüstungsindustrie, denn man sieht nur einen Teil davon auf der Ebene der “absolute(n) Mindestkapazitäten” angekommen. Andererseits wird gefordert, “noch vorhandene Überkapazitäten ab(zu)bauen.”
     

In einem Punkt versprechen die Bundes-Genossen konkreteres:

  • “In Zeiten knapper finanzieller Ressourcen können wir nur über verstärkte Forschungs- und Entwicklungsaufträge die Löcher in der produktiven Auslastung der Firmen mildern. Dies ist mit überschaubaren Finanzmitteln möglich. Und dies sollten wir auch tun.”

Ob diese oft gehörte These richtig und auch operativ umsetzbar ist, muss bezweifelt werden. Die Firmenvertreter, die nicht mit flotten Marketing-Sprüchen Versuchsverdummung betreiben, erklären sehr direkt, dass man Geld verdienen muss. Und die Haushälter werden angesichts der Jahrhundertwelle bei den Beschaffungen und dem F&T-Mittel-Kahlschlag der Luftwaffen-Fraktion müde lächeln.

Immerhin: Dass SPD-MdBs diese Fragen so thematisieren, ist nicht selbstverständlich. Dass nicht immer schamhaft von “Verteidigungs”-Industrie gesprochen wird, sondern deftige Worte wie “Rüstungs”industrie oder gar “Wehr”-Industrie fallen, darf als mittelprächtige Revolution gelten. Die dementsprechenden Nachrichten der nächsten Woche werden allerdings zeigen, dass für die Industrie-Fragen einiges “in der Röhre” ist.

{Wer in die Röhre schaut, dem ist das Bild vertraut}

 

Eurofighter: BRH-Schelte

10. September 2003

Der SPIEGEL hat ja die Einzelheiten der Real-Performance der “Batch-1-Serien”-Eurofighter ausführlich geschildert. Wir können nur noch nachklappen mit einer Auswahl der diversen Bewertungen und Empfehlungen, die der Bundesrechnungshof (BRH) mit seinem 5. Bericht vom 8. August 2003 an den Haushaltsausschuss des Bundestages gerichtet hat. Dabei haben wir uns etwas Mühe gegeben, den Zitat-Mix aus der 67-seitigen Kritik der BRH-Autoren Hannig und Brauer zu “dramaturgisieren”:

  • “Wir kommen insgesamt erneut zu der Bewertung, dass der Zustand des Eurofighter-Programms besorgniserregend ist. Wir sehen uns hierin durch die Luftwaffe bestätigt, die den Programmstand als ‘hochgradig kritisch und risikoreich’ einschätzt.
     
  • Die unzulänglichen Leistungen des neuen Kampfflugzeuges, der Programmverzug und die industriellen Fehlleistungen gefährden die Einsatzplanung der Luftwaffe.
     
  • Der derzeitige Entwicklungsrückstand von mehreren Jahren ist besorgniserregend, die Gesamtbelastung zukünftiger Haushalte wird nur unvollständig weitergegeben. Das Berichtswesen im Ministerium gibt diese Risiken nicht ausreichend wieder und ist daher nicht geeignet, die Leitung des BMVg und das Parlament angemessen über den tatsächlichen Programmstand (Entwicklungsrückstände, Programmrisiken) zu informieren.
     
  • Die Entwicklungs-, Beschaffungs- und Kampfwertsteigerungskosten nur für dieses eine Waffensystem belasten den Einzelplan 14 überproportional; sie steigen überdies in kaum noch vorhersehbarem Masse.
     
  • Der gültige Vertrag ist dringend überarbeitungsbedürftig.”

Um die Eurofighter-Industrie auf Trapp zu bringen, schlägt der BRH-Bericht dem Kunden BMVg vor:

  • “Einbehaltung von Zahlungsraten bis zur nachgewiesenen Leistungserbringung.
  • Verweigerung der Abnahme von Flugzeugen.
  • Verschiebung der Auftragsvergabe des zweiten Fertigungsloses bis zum Nachweis der vollen Leistungsfähigkeit.
  • Neuverhandlung der Preisgleitklausel.”

So man als Staatsbürger dringenden Handlungsbedarf der Politik verortet, ist u.E. Vorsicht geboten. Leider begründen die BRH-Experten diese Empfehlungen nicht mit dem Hinweis auf Vertrags-Konformität. Mit anderen Worten: Man müsste den EF2000-Vertrag genau kennen, um die wirklichen Handlungsoptionen des Käufers ausloten zu können. Die Vermutung spricht dagegen, dass der Kunde bei solcherart Geschäften König ist.

Auf einer ganz anderen Ebene geht es uns vergleichbar: Der Bundesrechnungshof stempelt diese Berichte mit seinem Urheberrecht. Wir wissen nicht, ob er dazu überhaupt berechtigt ist. Aus Angst vor möglichen “Strafen” verzichten wir darauf, diesen Bericht schlicht als pdf.-Dokument den den BRH-bezahlenden Staatsbürgern zur Verfügung zustellen.

{Wie verlautet noch genau der Vertrag zwischen Staat und Bürger?}

 

Luftwaffe: Gedrängel

9. September 2003

Die Zeit sollte man sich nehmen: Das orientierungshelfende “Leitbild”, die “Leitlinien” für das “Grundverständnis” und den “Verhaltenskodex” für die “Anforderungen für das Handeln jedes Luftwaffensoldaten und jeder Luftwaffensoldatin” zu lesen:
http://www.luftwaffe.de/C1256C770036BB94/framedocname/internetlw_leitbild

Keine Frage, dass jede “Berufs”gruppe ihr spezielles Berufsethos aus Gründen der Selbst-Stabilisierung kommunizieren muss und dass es in aller Regel von der umgebenden Gesellschaft dafür wenig Verständnis gibt. Gerade deshalb sollten die Spin-Doktoren solcher Durchhalte-Ergüsse wenigstens das Umfeld intellektuell verorten können. Noch wichtiger wäre allerdings, dass die Auftraggeber genügend Führungsformat haben, allerdings in der erweiterten Fassung.

Dazu gehört, dass man sich bei der Herausgabe solcher Leitkodizes bewusst ist, dass es nicht nur um irgendwelche Öffenlichtkeitsarbeit oder gar Marketing geht, sondern um einen Prozess nicht nur intellektuellen Momentums; wesentlich ist die Ernsthaftigkeit.

U.E. ist das “Leitbild Team Luftwaffe” nichts anderes als die gekünstelte Krampf-Verbindung von

  • sehr zaghaften Ansätzen zum Verständnis des Auftrags,
     
  • heimeligem Zusammen-Gemauschel von fetzigen chirurgischen Luftschlägen und
     
  • irrwitzigem “UNSER” und “ICH”.

Letzlich ist es aber wiederum eine grandiose Leistung soldatischen Denkens deutscher Neuzeit, denn auf engstem Raum werden

  • clausewitzianische, hegelsche, kantianische Altlasten mit
  • kotzenden Marketing-Sprüchen der Privat-TV-Provenienz a`la 0190 vermischt zur
  • Wiedergeburt des riefenstahl’schen Neu-Soldaten.

Aber: Jeder denkt und macht es so, wie er mag. Unserer höchstdistanzierten Analyse entspricht, dass der derzeitige Luftwaffen-Inspekteur, General Back, ein solches “Leitbild” abzeichnet; sein “rumor”-Nachfolger Klaus-Peter Stieglitz wird seine eigenen “Duftmarken” setzen wollen (alleiniges Trachten aller Inspekteure).

{Welches Gedrängel, wenn wir alle in die Geschichte eingehen wollen}

 

Marine-Ziele: verschwimmen

7. September 2003

Am 8. Juli 2003 hat Vizeadmiral Lutz Feldt, Inspekteur der Deutschen Marine, eine vierseitige “Zielvereinbarung” abgezeichnet, mit der er in das grosse Schlachtengetümmel über die Formulierung der neuen “Konzeption der Bundeswehr” eingreifen will. Unter Hinweis auf die neuen “Verteidigungspolitischen Richtlinien” (VPR) werden die “künftigen maritimen Fähigkeiten” so betitelt:

  • “Der Schwerpunkt maritimer Einsätze hat sich weg von großräumig angelegten Operationen auf Hoher See hin zu Einsätzen in entfernten Randmeeren und Küstenregionen im Rahmen eher regional begrenzter Krisen und Konflikte entwickelt. Wir sprechen hier im weitesten Sinne von (offensive oder expeditionary) ‘Littoral Warfare’. Dabei wird es besonders darauf ankommen, dass die Marine durchhaltefähig über einen längeren Zeitraum auch unter Bedrohung in einem streitkräftegemeinsamen Aufgabenspektrum operieren kann.

Darunter werden drei Fähigkeiten besonders hervorgehoben:

  • Führungsfähigkeit in der “Vernetzten Operationsführung” (NetOpFü) - der nun gültigen Eindeutschung von Networkcentric Warfare (NCW),
  • “sichere Verlegung und Vorausstationierung von Einsatzkräften über See” und
  • das “Wirken gegen Ziele an Land”.

Damit die “alten” Material-Forderungen nicht unter den Tisch fallen, wird drastisch eingeschränkt:

  • “Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass insbesondere die klassischen Warfare Areas die Marine erst in die Lage versetzen, durchsetzungs- und überlebensfähig operieren zu können. Sie sind von herausragender Bedeutung, um die für Kriseneinsätze wichtigen und bestimmenden Fähigkeiten entfalten zu können.”

Danach folgt eine in sieben Ziel-Thesen detaillierte Beschreibung der Schwerpunkte, die angepasst und weiterentwickelt werden sollen:

  1. “Führungsfähigkeit durch sichere und schnelle Kommunikationsmittel zur Führung über alle Ebenen hinweg stellt eine Grundvoraussetzung für jeden Einsatz dar.
     
  2. Fähigkeit zum strategischen militärischen Seetransport ist eine unverzichtbare und zum strategischen Lufttransport komplementäre Voraussetzung für die strategische Mobilität der Bundeswehr. Sie gewährleistet die sichere Verlegung von Einsatzkräften über See und ermöglicht die Vorausstationierung von Einsatzkräften.
     
  3. Fähigkeit zum Wirken von See an Land schliesst die Durchführung begrenzter amphibischer Operationen ebenso ein, wie die logistische Unterstützung und Kampfunterstützung durch präzise Bekämpfung von Landzielen in unterschiedlichen Entfernungen von der Küste.
     
  4. Fähigkeit zu einem Beitrag zur Nachrichtengewinnung und -aufklärung mit schwimmenden, fliegenden, bemannten und unbemannten Seekriegsmitteln.
     
  5. Fähigkeit zum Schutz vor und Abwehr von Luftbedrohung.
     
  6. Fähigkeit zum Schutz und Abwehr von asymetrischer Bedrohung.
     
  7. Fähigkeit zur Abwehr moderner Seeminen und autonomer Unterwasserwirkmittel.”

So man diese geforderten Fähigkeiten in Waffen-Systeme umdenkt und sich der entsprechenden Postitionen im alten “Mat-Konzept” des ehemaligen Generalinspekteurs Kujat erinnert, wird man für den amtierenden Konzeptionär Wolfgang Schneiderhan Beistand erhoffen müssen. Seine bis Dez. 03 vorzulegende neue Bw-Konzeption muss ja auch in ein neues Material- und Ausrüstungs-Konzept umgegossen werden, dass unter Kuratel der Finanzplanung der gesamten Regierung und der VPR steht. Es wäre zu wünschen, dass die Haushaltsabteilung des Verteidigungsministeriums einmal zu Papier bringt, wie denn die Daten einer realistischen Finanz-Erwartung und -verwendung die “Mat-Ziele” zur Ermüdung bringen. Dann würden nicht nur die maritimen Ziele so absaufen, wie man es mit dem Kälte-Schutz-Anzug der Deutschen Marine zu tun pflegt.

{Ziele kann man auch verschwimmen}

 

Aussenminister Fischer: Verlustgeschäft

5. September2003

So sorry, wenn wir aus dem Mustopf kommen und uns an einem Interview des Aussenministers Fischer reiben, das er bereits am 29. 8. 2003 dem “Handelsblatt” gegeben hat (war auf auswaertigesamt.de, ist nicht im Archiv unter “Handelsblatt” zu finden).

Obwohl es keine offizielle Position der Bundesregierung zu der Frage von Kritierien für die Einsätze der Bundeswehr gibt, behauptet Minister Fischer:

  • “Es gibt Kriterien für die Einsätze:
    Erstens muss Europa künftig seine eigene Sicherheit gewährleisten und dafür sorgen, dass wir auch in den europäischen Randzonen ohne die militärische Hilfe unseres transatlantischen Partners, der USA, auskommen.

    Zweitens müssen wir entscheidend zur Sicherheit von Europas strategischer Nachbarschaft beitragen. Dazu gehört ein Engagement in Konfliktzonen wie dem Nahen und Mittleren Osten bis nach Zentralasien. Dazu gehört aber auch Afrika ...

    Und drittens müssen wir - im Rahmen unserer Möglichkeiten - unseren Verpflichtungen in multilateralen Organisationen wie der UNO und Bündnissen (sic!) nachkommen.”

Wenig später lautet die “Handelsblatt”-Frage: “Also ist ein Beitrag zu einem NATO-Einsatz möglich, einer zur EU aber zwingend? Minister Fischers Antwort:

  • “Die NATO ist ein Bündnis, sicher ein essentielles, aber eben ein Bündnis. Die EU dagegen ist mehr, nämlich eine Gemeinschaft, die auf politische und wirtschaftliche Integration ausgelegt ist. Die aussen- und sicherheitspolitische Integration verstärkt sich zusehens. Dies hat eine andere Qualität. Im übrigen ist für EU-Missionen der Beitrag Deutschlands als einem der drei grossen Länder von überragender Bedeutung. In der NATO kommt es dagegen vor allem auf einen Beitrag der USA an.”

Mit tödlicher Sicherheit wird viel Marker-Tinte in den Amtsstuben vor allem westlicher Botschaften verstrichen worden sein, denn dort geht man automatisch von einer bewussten “Inszenierung” aus. Fraglich ist aber, wie sich das Verteidigungsministerium zu solch grundsätzlichen Fragen positioniert, denn deren gesamte strategische Ausrichtung ist natürlich auf die NATO gerichtet. Wer sich in dementsprechenden Fragen auskennt, wird die verteidigungspolitische Performance des Aussenministers wenigstens müde belächeln. Nichtsdestotrotz verbleibt die Frage, ob Verteidigungsminister Struck sich zum ausgleichenden Pol in Sachen Sicherheitspolitik aufschwingen oder zum Bundeswehr-Minister abgleiten will. Gegen die “Männer-Freundschaft” von Schröder und Fischer kann er nicht gewinnen, wohl aber in eigener Statur, indem er sich der Sache und der Wirklichkeit verpflichtet.

{Realität ist das grösste Verlustgeschäft}

 

Afghanistan: Anpassung

3. September 2003

Mit Datum 1. 9. 2003 haben Auswärtiges Amt, Verteidigungsministerium, BM für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Innenministerium ein 11-seitiges “Afghanistan-Konzept der Bundesregierung” vorgelegt; Zweck ist wohl die Begründung für ein deutsches “Provincial Reconstruction Team” (PRT) in der von 3,2 Millionen Menschen bewohnten, 85.200 km2 grossen Provinz Kunduz, im äussersten Nordosten Afghanistans gelegen. Übernommen wird die PRT-Aufgabe aus US-Hand im Sinne einer Entlastung.

Wundersam ist, dass in Regierungspapieren, auch hier, immer wieder der US-Ansatz der Provinz-Aufbau-Teams gelobt wird: “ein dezentraler Einsatz von kleineren militärisch-zivilen Unterstützungsgruppen (als) ein realisierbares und zielführendes Konzept”. Schwierig vorzustellen ist, wie “230 - 450 Soldaten” folgende Vorgabe operativ umsetzen:
“Ein Schwerpunkt der Tätigkeiten wird die politische Arbeit sein, in Form von Verbindungsarbeit, Dialog und Überzeugungsarbeit gegenüber örtlichen Machthabern und religiösen Führern, die Stärkung der Zivilgesellschaft und Unterstützungs des vorpolitischen Raums und UNAMAs” (was immer das letztere sind).

Im Hinblick auf das überragende Ziel der freien Wahlen in 2004, die als letztlich auch über das Engagement der internationalen Gemeinschaft als “entscheidend” bezeichnet werden, heisst es verhalten selbstkritisch:

  • “Deshalb muss die internationale Gemeinschaft ihr Konzept für die Unterstützung des Landes anpassen, um Rückschläge und eine Stagnation im Petersberg-Prozess zu verhindern.”

Wenn von “Anpassung” die Rede ist, sollten “1984”-geschulte Zeitgenossen aufmerken:

  • Der afghanistanische Übergangs-Regierungs-Chef Karzaid hat von Anfang an eine über Kabul hinausgehende Präsenz internationaler U.N.-Sicherheit gefordert; die U.N. war dazu nicht in der Lage.
     
  • Sicher zuwenig diskutiert wird von allen “Sicherheits-Intellektuellen”, wie es möglich ist, dass bei allen “Stabilisierungs”-Einsätzen des “Westens” die Soldateska der Rettungs-Anker ist, und für alle “zivilen” Retter ein erhebliches Präsenz-Manko zu verzeichnen ist. Jene, die gern die Konflikt-”Prävention” und -Nachsorge in den Vordergrund rücken, werden ob ihrer Personal-Performance aus jeder kritischen Betrachtung ausgeschlossen.

So man die Problematik zuspitzt, sind Soldaten die einzigen Menschen, die man ungefragt absetzt, wo immer man will. Jeder andere Staatsbürger in Zivil hätte reichlich Möglichkeiten, der Staatsmacht den Stinkefinger zu zeigen.

{Hoch lebe Befehl und Gehorsam}

 

Heer 2020: No-EUR-Fahrt

2. September 2003

Im zweiten Teil unserer “Heer 2020”-Serie (Teil 1) möchten wir eine Spezies von Heeres-Hardware herausgreifen, die in den 18 Seiten Grafik aufgeführt ist und die folgenden Merkmale aufweist:

  • Der Titel für alle 18 Seiten lautet: “Ausrüstungsplanerische Forderungen”;
  • in allen Grafiken ist der Zusatz “Auswahl” vermerkt - es sind also nicht alle Forderungen des Heeres aufgeführt;
  • die Systeme gehören alle zur Kategorie “Grundbefähigung” (“Phase 1”);
  • zeitlich reicht diese Phase 1 von 2003 bis 2008;
  • alle hier aufgeführten Systeme sind mit der Farbe rot gekennzeichnet, was “Bedarf” bedeutet und
  • tragen ein durchgestrichenes EURO-Zeichen in einem roten Kreis mit dem Zusatz “Kurzfristige Beschaffung möglich”.

Die 25 geforderten und beschaffbaren Systeme mit dem Verkehrsschild-Symbol (EURO)-”Durchfahrt verboten” sind:

  • Kategorie “Führungsfähigkeit”:

    - “Führungsinformationssystem des Heeres” (FüInfoSys H) - ab 2004 bis 2015,
    - “Regeneration” des Heeresflugabwehraufklärungs- und Gefechtsführungssystems (HFlaAFüSys) - ab 2006 bis 2010;
     
  • Kategorie “Nachrichtengewinnung und Aufklärung”:

    - “Bodensensorausstattung” (BSA) - 2005 bis 2015;
     
  • Kategorie “Mobilität”:

    - “Mechanisierte Umschlag-, Lager- und Transport-Integration” (MULTI)”, weiterer über das 1. Los hinausgehender Bedarf - 2004 bis 2015,
    - “MULTI Fahrzeugausstattung” (FSA) - 2005 - 2015;
     
  • Kategorie “Wirksamkeit im Einsatz - Kampf gegen Bodenziele”:

    - Pz-Munition “120mm x 570 LKE 2”, “weiterer Bedarf” - 2004 - 2015,
    - “Leichtes Panzerabwehrraketensystem” (PARS, le) - 2006 - 2015,
    - “Maschinenpistole MP 7” - 2006 - 2012,
    - “Leichtes Maschinengewehr MG 4” - 2004 - 2012,
    - “Gewehr G 36” - Restbedarf - 2004 - 2012,
    - “Infrarot Nebel”-Granate 155 mm - 2006 - 2012;
     
  • Kategorie “Unterstützung und Durchhaltefähigkeit”:

    - “Gepanzertes Rüstsatzträgerfahrzeug, z.B. DINGO 2” - 2004 - 2015,
    - “M113, Nutzungsdauer-Verlängerung (NDV) 1, 2. Los” - 2004 - 2010,
    - “M113, NDV 2, 2. Los - 2004 - 2012,
    - “Allschutztransportfahrzeug (ATF) DINGO 2” - 2004 - 2015,
    - “Einsatzfahrzeug Spezialisierte Kräfte (ESK) - 2004 - 2015,
    - “WIESEL 2 (Bewegliche Befehlsstelle, Munitions-, Pioniererkundungs-, weitere Sanitätstrupps)” - 2004 - 2015,
    - “BV 206 S (Bewegliche Befehlsstelle, Transportfahrzeug, weitere Sanitätstrupps)” -2004 - 2015,
    - “Wechselladepritschen (weiterer Bedarf)” - 2004 - 2015,
    - “Container (Wasser, Betriebsstoff)” - 2005 - 2015,
    - “Mobile Camp 150 (für Anfangsoperationen/schnell zu verlegende Kräfte)” - 2004 - 2015;
     
  • Kategorie “Überlebensfähigkeit und Schutz”:

    - “Infanterist der Zukunft (Basis)” - 2006 - 2015,
    - “Soldat im Einsatz” - 2004 - 2015,
    - “Minenschutzausstattung LEOPARD 2” - 2004 - 2015

Aufgrund der vom Heer gewählten Symbol-Kennzeichnung “EURO-Durchfahrt verboten” darf man wohl davon ausgehen, das man die 25 Fähigkeits-Forderungen unter “feldgraue Theorie” abbucht. Man kann sich auch ersatzweise auf eine Verhaltensweise kaprizieren, deren Dominanz so leicht vergessen wird: WARTEN, netter umschrieben mit Geduld. Kann man denn ahnen, dass Geduld eines der zentralen Phänomene des Lebens ist? Immerhin wird auf den Bundesautobahnen schon massiv Werbung für “Gelassenheit” plakatiert.

{Den Geduldsfaden sollte man gelassen reissen laschen}

 

Heer 2020: feldgraue Theorie

1. September 2003

Generalleutnant Gert Gudera, Inspekteur des Deutschen Heeres, hat mit Datum vom 12. August 2003 die “Zielvorstellungen” für “Das Deutsche Heer 2020” festgelegt. Auf 20 Seiten Text und 18 Seiten Grafik zu den “Ausrüstungsplanerischen Forderungen in den Fähigkeitskategorien” wird dargestellt, was man glaubt, haben zu müssen.

SPIEGEL-Online meldet, Verteidigungsminister Struck habe Gudera gerüffelt, weil er das Dokument (VS - Nur für den Dienstgebrauch) als “Ausbildungshilfe” in die Truppe gestreut habe und gar den Abgeordneten zuschicken wollte. Ausserdem wird ein “Ministerberater” zitiert, der den Lizensierungswechsel vom Töten zum Gelddrucken kritisiert.

Jegliche Aufregung ist Nonsens, denn

  • in einer demokratischen und somit “offenen Gesellschaft” gehört das zum “Spiel”,
  • die wenigen “Verteidiger” dürften sich gar nicht bekriegen, weil sie sonst noch weniger Staatsknete von den Zivilgesellschaftern kriegen,
  • die Weisheit gilt, dass “Planung der Ersatz des Zufalls durch den Irrtum” ist.

Wer sich die Mühe macht, den im Heer-2020-Papier definierten “Beitrag des Heeres zum Fähigkeitsprofil der Streitkräfte” aus der Begrifflichkeit in finanzierte Hardware auf der Zeitachse umzusetzen, wird die Problematik verstehen, denn gefordert wird:

  • “Führungsfähigkeit,
  • Fähigkeit zur Netzwerkbasierten Operationsführung,
  • Fähigkeit zur uneingeschränkten Jointness und Combindness,
  • Befähigung zur Übernahme einer Lead Nation-Rolle,
  • Fähigkeit zur Nachrichtengewinnung und Aufklärung,
  • Schutz der eigenen und Beeinträchtigung der gegnerischen Führungsfähigkeit,
  • Fähigkeit zum Kampf um und mit Information,
  • Fähigkeit zu Operationen in urbanen Gebieten und schwierigem Gelände,
  • Befähigung zur Eskalation oder Deeskalation,
  • Befähigung zur Friedenskonsolidierung (Post Conflict Operations, Beitrag zum Nation Building),
  • Taktische Beweglichkeit und operative Verlegefähigkeit,
  • Fähigkeit, über strategische Entfernungen rasch verlegt zu werden,
  • Fähigkeit zum Schutz von Räumen, Objekten und Verbindungslinien,
  • Befähigung zur Abwehr von asymetrischen und terroristischen Bedrohungen,
  • Abstands- und Präzisionsfähigkeit,
  • Fähigkeit zur Freund-Feind-Identifizierung,
  • Befähigung zum Einsatz nicht-letaler Wirkmittel (NLW),
  • Überlebens- und Handlungsfähigkeit auch unter ABC-Bdedingungen sowie bei Umweltkatastrophen,
  • Fähigkeit zum Erhalt der personellen und materiellen Einsatzbereitschaft sowie Durchhaltefähigkeit.”

Natürlich ist der feldgrauen Autorenschaft das Konkrete klar:

  • “Das Realisierungskonzept des Heeres baut auf den gegenwärtigen Perspektiven des zur Verfügung stehenden Planungsvolumens für Investitionen des Heeres auf. Dieses Planungsvolumen kann jedoch den tatsächlichen Bedarf nicht zeitgerecht decken. Die in den Verteidigungspolitischen Richtlinien eindeutig formulierte Forderung, mit modern geführten, mobilen, geschützten und durchsetzungs-, durchhalte- und überlebensfähigen Kräften zur internationalen Sicherheitsvorsorge beitragen zu können, bedingt deshalb eine angemessene Höhe der Investitionsmittel des Heeres.”

Zum eigentlichen Charakter des Lobby-Papiers heisst es abkühlend auf S. 18:

  • “Die Zielvorstellungen für das Deutsche Heer 2020 sind Richtschnur für die noch im Jahre 2003 in die Dokumente zur Weiterentwicklung der Bundeswehr, insbesondere in die Konzeption der Bundeswehr und das Material- und Ausrüstungskonzept der Streitkräfte, einzubringende Position des Heeres.”

Wer an unserem 1. Arbeitstag nach dem Urlaub noch auf die Daten zu konkreten Einzelheiten der heeren Zukunft hofft, wird warten müssen; dieser Stoff reicht für 20,20 Geschichten.

{Feldgrau ist alle Theorie}

 

MEMRI: neuer Gedanke

14. August 2003

Seit längerer Zeit stehen wir auf der mailing-list von www.memri.de und stellen mehr und mehr fest, dass es Zeichen für ein “Erwachen” von arabischen Intellktuellen gibt. Allerdings fragt sich, wie lange es dauert, bis sich dies herumgesprochen hat. Es wird Zeit, dass sich Araber (und natürlich nicht nur sie)

  • nicht mehr mit dem ältesten Staatstrick der Regierungs”kunst” aufhetzen lassen, dass irgendwelche auswärtigen Mächte Schuld an den täglichen Mängeln des Lebens sind, sondern nur die eigene Regierung damit von ihrer haarsträubenden Politik ablenken will,
     
  • nicht auf die abscheulichste Strategie einiger eigener Politiker einlassen, die Religion zum Büttel ihrer teuflischen Terror-Politik zu machen, anstatt sich der wahren Natur des ALLMÄCHTIGEN zu erinnern,
     
  • der Werte erinnern, die ihrer Kultur zu bestimmten Zeiten so unnachahmliche Bedeutsamkeit verliehen hat.

Würden die westlichen Medien auf die z.B. bei memri.de feststellbaren Trends reagieren, wäre schon viel gewonnen. Wenn der allmächtige Medien-Trend unsere altvorderen Besserwisser erstmal mit reichlich DigBits präzisions-bombardiert hat, besteht immerhin die Chance, dass sich eine alte Weisheit wieder durchsetzt:

{Nichts ist ungeheuerlicher als ein neuer Gedanke}

 

Deutsche Marine: ausreichend?

13. August 2003

Am 6. März 2002 verstarb der Marine-Soldat Sammy Scheffelmeier während des NATO-Ostsee-Mannövers STRONG RESOLVE. Nach Kentern eines Beibootes konnte er erst nach 27 min. tot aus dem 3o kalten Wasser geborgen werden. Seit diesem tragischen Unglück stellt sich für die Marine-Führung die Frage nach den Konsequenzen:

  • Man meint, mit der Nachrüstung der Schwimm-Weste vom Typ MRS 3/KSA der Firma Secumar mit einer vollautomatischen Aufblas-Vorrichtung wären alle Probleme gelöst. Aufgrund unserer Fragen hat der Presse- und Informationsstab des BMVg am 8. August geantwortet:
    “Die für jedes Besatzungsmitglied vorhandene Schwimmweste mit Kälteschutz-Anzug wird in absehbarer Zeit nicht durch die Beschaffung eines anderen Modells ersetzt. Die Weste erfüllt bei richtiger Handhabung und sachgerechter Nutzung die Anforderungen der Marine an ein modernes persönliches Rettungsmittel in jeder Hinsicht.”
     
  • Das Unglück hat deutlich gezeigt, dass der in die Secumar-Weste integrierte Kälteschutz-Anzug untauglich ist; es kann ausgeschlossen werden, dass er in kaltem Wasser angelegt werden kann. Auf unsere Frage nach der Beschaffung eines tauglichen Kälte-Schutzanzuges antwortet das BMVg:
    “Die Marine verfügt über einen Nässeschutzanzug, welcher gleichzeitig Kälteschutzeigenschaften besitzt. Der Nässeschutzanzug ist in absehbarer Zeit nicht mehr lieferbar und wird durch ein Nachfolgemodell ersetzt. Ein Auswahlverfahren ist eingeleitet.”
    Verschwiegen bei dieser Antwort wird, dass lt. Vorschrift der Nässeschutzanzug nicht bei Verwendung der Schwimm-Weste angelegt werden darf.
     
  • Unsere letzte Frage galt dem eindeutigen Klarstand aller Rettungsboote an Bord der Fregatten. Im beim OLG Oldenburg laufenden Prozess hatte der Kapitän der am Unglück beteiligten Fregatte “Mecklenburg-Vorpommern” ausgesagt, dass die Schiffe seit 1995 mit Ausnahme-Genehmigungen hinsichtlich ihrer untauglichen Rettungsboote fuhren. Die Antwort des BMVg spricht Bände und gehört in ein Lehrbuch für “erfolgreiche” Presse-Arbeit:
    “Einheiten der Deutschen Marine laufen nur dann aus, wenn einsatzklare Rettungsmittel in
    ausreichendem Umfang vorhanden sind, um die Sicherheit der Besatzungen zu gewährleisten. Dies gilt ohne Einschränkungen auch für die Fregatten der Deutschen Marine.”

Man wird sehen, ob der seit März 03 amtierenden Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Lutz Feldt, das alles auch als ausreichend empfindet. In einem Interview mit “Bundeswehr aktuell” (19.5.03) hat er auf die Frage nach einem freien Wunsch für die Marine geantwortet:
“Das alle, die in Einsätze fahren, auch gesund wiederkommen ...”

{Wünsche sind ausreichend - im Schulnoten-Sinne?}

P.S.: Das Heer hat sich nach dem Absturz eines CH-53-Hubschraubers in Kabul (4 Tote) umgehend die Beschaffung neuer Triebwerke genehmigen lassen.

 

Wehrpflicht: Noltings 31 Antis

12. August 2003

Der sicherheitspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion hat sich richtig hingesetzt, bzw. sitzen lassen: Auf das 31-Punkte-Papier des Planungsstabes “Zu den Folgen eines Verzichts auf die Allgemeine Wehrpflicht” vom Juni 2003 hat MdB Günther F. Nolting Punkt für Punkt geantwortet:
http://www.guenthernolting.de/Material/31AntithesenWpfl.pdf

Nur logisch ist, das MdB Nolting mit vielen seiner Argumente richtig liegt, denn das Planungsstab-Papier ist selbst an vielen Stellen platt polemisch, schlicht mangelhaft (der Fü S hat bewiesen, dass er es besser kann). Ob dies auch für die strategischen Fragen gilt, sei dahingestellt. So beruft sich Günther F. Nolting an entscheidenden Punkten (Ziff. 1, insbes. Ziff. 18, 27) auf die SWP-Studie von Hans-Dieter Lemke, “Welche Bundeswehr für den neuen Auftrag?”
http://www.swp-berlin.org/pdf/ap/S26_03.pdf ,
die
wir bereits besprochen haben. Lemkes Rechnungsführung ist u.E. aber leider so fehlerhaft, dass der Abgeordnete durch seine Abstützung darauf in den Strudel von dessen Fehlern gerät.

Zum anderen suggeriert MdB Nolting, als sei die F.D.P.-Truppe von 240.000 Berufssoldaten und sog. Längerdienern dasselbe wie die “Weizsäcker”-Armee von 240.000. Dazu ist zu anzumerken, dass der Weizsäcker-Vorschlag vom Mai 2000 bei einem Bw-Umfang von 240.000 einen Anteil von 30.000 Grundwehr-Dienstleistenden vorsieht, mit 10 Monaten Wehrdienstzeit! Zusätzlich gilt, dass die Bundeswehr derzeit knapp 190.000 Berufs-/Zeitsoldaten generiert, d.h., dass nach Weizsäcker 20.000 und nach Nolting noch 50.000 zusätzliche Zeitsoldaten anzuwerben wären (also bitte eine Rechnung mit “Attraktivitäts”-Bonus, beispielsweise Eingangsbesoldung nach A7 wie bei Polizei und Bundeswehr, in Auftrag geben).

Vielleicht bricht sich in dieser Republik wenigstens irgendwann ein gemeinsamer Ansatz Bahn, um die Konzeption für die Bundeswehr zu schreiben. Was auf die Beteiligten wartet, mag die folgende Kostprobe verdeutlichen:

  • Seit dem Kabinettsbeschluss vom Sommer 2000, seit dem Rundbrief des General-Inspekteurs Schneiderhan vom 21. Februar 2003 (gültig für seinen Auftrag zur “Neu”-Konzeption bis Jahresende 2003) gilt für den operativen Auftrag der Bundeswehr gleichermassen:
    - “eine grosse Operation mit bis zu 50.000 Soldaten über einen Zeitraum von bis zu einem Jahr
    oder
    - zwei mittlere Operationen mit jeweils bis zu 10.000 Soldaten über mehrere Jahre
    sowie jeweils parallel dazu
    - mehrere kleine Operationen mit jeweils bis zu 1.000 Soldaten durchzuführen.”

Diese Felder sind die strategischen Ausgangspunkte für die Konzeption der Bundeswehr, für Organisation, Struktur, Umfang etc. Erst danach stellt sich die Frage der Bemannung.

Wir wünschen uns, dass endlich jemand Erbarmen mit allen Diskutanten hat und einen “Fahrplan” für die Ablaufpunkte einer beliebigen Bundeswehr-Konzeption erstellt, samt allen notwendigen Datenblättern. Die Debatte wäre dann so einfach.

{Nein, einfach darf nichts sein - wo kämen wir da hin?}

Nachtrag 14. August 2003:

Für die Kritik des Planungsstab-Papiers und das Lob des Fü S-Papiers zur Wehrpflicht haben wir uns eine böse Mail eingefangen:
Hallo Anwesende....

Ihre getätigte Aussage "(der Fü S hat bewiesen, dass er es besser kann)" tut vielen im innersten weh. Das wäre das erste .......

Noch so ein Ding über den FüS und ihr landet im Papierkorb!”

Im Baller-Geschäft dürfte man diesen Schuss einen fulminanten Selbstzerleger nennen. Es reizt uns, das Planungsstab-Papier bald zu veröffentlichen, damit unsere User selbst Gelegenheit haben, den Vergleich anzustellen. Okay?

{Man kann es auch einfach machen}

 

Rüstungskontrolle: spät

11. August 2003

Man liegt ja nicht falsch, wenn man Geheimdienst-Berichten über Massenvernichtungs-Waffen keine gute Konjunktur einräumt. Deshalb gilt der Hinweis auf ein neues Regierungsdokument der U.S.-Administration auch nur den wenigen Unverdrossenen. Paula DeSutter, Assistant Secretary of State for Verification and Compliance” hat ihren ersten Bericht über die Praxis der Einhaltung der weltweit gültigen Rüstungskontroll-Abkommen vorgelegt:
http://www.state.gov/documents/organization/22466.pdf

Auf 42 Seiten werden alle Verträge und alle Staaten durchgehechelt, ob und wie sie sich an die von ihnen gezeichneten Rüstungskontroll-Verträge im Zeitraum 2001 gehalten haben. Wir gehören zu der kleinen Gruppe von Menschen, die sich für diese Berichte überhaupt interessieren, aber

  • sie nicht lesen, weil die Knackpunkte (im wesentlichen) bekannt sind,
     
  • nicht sehen, dass sich jemand wirklich dafür interessiert,
     
  • das immer wieder beschworene Konzert der (westlichen) Regierungen vermissen, entsprechend zu handeln,
     
  • nur bei den U.S.A den Versuch erkennen, im Sinne der “Public diplomacy” den Druck der öffentlichen Welt-Meinung zu initiieren, während die europäischen Regierungen in der Manier des 19. Jahrhunderts nur Geheim-Diplomatie betreiben (für Doktor-Arbeiten empfehlen wir, einen systematischen Vergleich zwischen dem deutschen Berichtsgebaren in Form des jährlich im Auswärtigen Amt erstellten Abrüstungs-Berichts und dem US-Pendant anzustellen),

Der entscheidende Grund für unsere Analyse-Unlust ist aber die Erkenntnis des Phänomens, welches neuerdings mit “pathologischem Lernen” umschrieben wird. Bundeskanzler Schröder hat es im Zusammenhang mit der Diskussion des “Hartz-Konzepts” als Regierungspraxis umschrieben: Man kann Reformen erst beginnen, wenn “das Kind in den Brunnen gefallen” ist und die umstehende Menschenmenge nach Abhilfe ruft. Wer zuvor nach Kassandra-Art eine Abdeckung für den Brunnen fordert, hat keine Chance. Deshalb wird bewusst abgewartet, dass der GAU eintritt.

Welche “strategische” Bedeutung dieses Prinzip für das Regierungs-Handeln hat, lässt sich gar nicht recht ermessen. Es wartet noch auf eine knackige Begrifflichkeit.

{Zu spät}

 

C. Rice: geschrubbelt?

8. August 2003

Wenn sich die Nationale Sicherheitsberaterin des U.S.-Präsidenten wieder einmal zu einem Meinungs-Artikel in der Presse, hier in der “Washington Post”, bemüssigt fühlt, könnte man auf die Idee kommen, dass das etwas zu bedeuten hat. Unter dem Titel “Transforming the Middle East” hat Condoleezza Rice zwei Seiten geschafft, die zum Orakeln einladen:
http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/articles/A26193-2003Aug6.html

An die Transformations-Aufgabe Europas im Zusammenhang mit dem II. Weltkrieg erinnernd, fordert die Autorin, dass sich “Amerika, seine Freunde und Alliierten” sich einer Langzeit-Transformation in einem anderen Teil der Welt verpflichten sollten, dem Mittleren Osten. Diese Region beinhalte 22 Länder mit zusammen 300 Millionen Menschen und einem zusammengenommenen Brutto-Inlandsprodukt, das etwas geringer als das von Spanien mit 40 Mio. Menschen sei.

Danach folgt der Hinweis, dass das politische und ökonomische “Freiheits-Defizit” eine zunehmende Bedrohung für die Region und “America’s security” sei. Hier muss man erstmals stocken, denn die Sicherheits-Intellektuelle hätte hier die klassische Formulierung einfügen müssen: Amerikas Sicherheit und die seiner “friends and allies” (im letzten Satz des Artikels ist es allerdings so formuliert: “throughout the world”).

Nur an einer Stelle wird Europa angesprochen, dass es sich engagieren sollte. Also darf der Artikel auch nicht als Hilferuf an die Europäer interpretiert werden.

Sollte der Beitrag von Condoleezza Rice im Schwerpunkt an den Mittleren Osten gerichtet sein, dann fehlt ihm das notwendige Vokabular, wie es beispielsweise der von Arabern für die U.N. verfasste Bericht über die Defizite der Entwicklung in der arabischen Welt enthällt.

Rein für den inner-amerikanischen Verzehr kann der Beitrag auch nicht gedacht sein. Dafür fehlen konkrete Daten und Fakten, die Amerikaner überzeugen könnten, dass das alles seine Wichtigkeit hat.

Letztlich ist ja unsere Ausgangs-Annahme vielleicht falsch, dass die Nationale Sicherheitsberaterin mit ihrem Namens-Beitrag in der “Washington Post” der Welt irgendeine zentrale Botschaft oder Neuigkeit o.ä. senden wollte? Oder wir sind einfach zu blöd, des Pudels Kern zu finden? Oder: das Ding ist einfach “geschrubbelt” (die Zeitung wollte Condy, aus “Nettigkeit” hat sie das abgesegnet und der Schreiber hatte seine Mühe, irgend etwas zu Papier zu bringen). Oder das Leben wird so normal, dass die Normalität journalistische Sensations-Hascherei töten soll.

{Wer gibt schon gern zu, dass er sie Alle killen will - softly}

 

Flug-Roboter: fallender Kurs?

7. August 2003

Die oberste sicherheitspolitische Denkfabrik, die “Stiftung Wissenschaft und Politik” (SWP, www.swp-berlin.org ) hat schon wieder eine Studie zum Fachgebiet ausgestossen, diesmal zum Thema “Flugroboter statt bemannter Militärflugzeuge”. Autor Sascha Lange breitet auf 30 Seiten alles Wissenswerte zum Thema “Unmanned Aerial Vehicles” (UAV) aus, was zur Meinungsbildung notwendig ist. Beachtenswert ist, dass die Bundeswehr erhebliche Kritik hinsichtlich ihres Flugroboter-Kurses erfährt (S. 12, 24 ff.).

Interessant ist, dass der Autor der Politik Aussagen abverlangt, um die langfristige UAV-Strategie Deutschlands zu bestimmen. Er unterscheidet dabei zwei Szenarien, die den Kern treffen (S. 26 ff.):

  • “Szenario 1: Peacekeeping”:

    Wird die Bundeswehr von der Regierung “nur” noch (und “heimlich”) als Instrument für U.N.-mandatierte Friedenseinsätze wie Kosovo und Afghanistan betrachtet, berechnet Autor Lange einen Bedarf an taktischen Flugrobotern in Höhe von 20 bis 40 Systemen mit jeweils 4 - 8 Fluggeräten; ausreichend wäre das deutsche System LUNA, ein unbemannter Flieger mit Fernseh-Kamera, billig dazu.
     
  • “Szenario 2: Robuste Militäreinsätze”:

    Bemerkenswert ist Langes Einleitungssatz:
    “Falls die politische Entscheidung getroffen würde, dass die Bundeswehr in der Lage sein soll, im europäischen oder NATO-Rahmen auch weltweit an grösseren Kampfhandlungen teilzunehmen, sind deutlich umfangreichere UAV-Strukturen erforderlich.”
    Bemerkenswert deshalb, weil die deutsche Politik das deklaratorisch behauptet, in der Zukunft aber abnehmend dazu in der Lage sein wird.

    Für Kriegseinsätze errechnet der SWP-Wissenschaftler 100 - 140 UAV der “Global Hawk”-Klasse (High Altitude Long Endurance - HALE), allerdings für alle NATO-Europäer.

    Zusätzlich wären jedoch noch 240 - 500 MALE-UAVs (Medium Altitude Long Endurance) von den Europäern zu beschaffen, als “taktische Vor-Ort-Überwacher” und teilweise als Combat-UAVs (UCAV).

Bei aller Bewunderung für die analytische Klarheit der SWP-Analyse fallen wir leider wieder in unsere Unart zurück, auf das Finanz-Tableau speziell der Deutschen zu schauen und den Blick auf die Action-Policy der europäischen Nationen in Sachen Rüstung zu werfen, natürlich auch auf deren Haushalte, die, dem (neuerlichen) kulturellen Stolz entsprechend, wohlfahrtsstaatlich dominiert sind, in wohlfeiler Distanz zum “amerikanischen Rüstungswahn”.

{Man ist öfter am falschen Platz, als man sich das gemeinhin denkt}

 

Iran/Nuklear-Waffen: few years

6. August 2003

Oliver Thränert, Wissenschaftler bei der deutschen Denkfabrik “Stiftung Wissenschaft und Politik” ( www.swp-berlin.org ), hat auf 36 Seiten alles Wissenswerte zum Thema
“Der Iran und die Verbreitung von ABC-Waffen” incl. Politik-Optionen optimal verdichtet. Seine wichtigsten Folgerungen sind, dass

  • der Iran “die europäische Sicherheit mittel- bis langfristig bedroht”,
     
  • “es noch für mindestens vier bis fünf Jahre ein Fenster der Gelegenheit (gibt), um auf Iran politischen Einfluss zu nehmen”,
     
  • “ein nuklear bewaffneter Iran .. unbedingt zu verhindern (ist)”.

Als politische Strategie empfiehlt Oliver Thränert den Versuch, “rüstungskontrollpolitisch auf Teheran einzuwirken und mehr Transparenz einzufordern”:

  • “Sollte Iran das Zusatzprotokoll der Internationalen Atomenergie-Behörde endlich in Kraft setzen, müssten die dann enstandenen Möglichkeiten der Inspektion an nicht gemeldeten Einrichtungen konsequent genutzt werden. Im Rahmen des Chemiewaffen-Übereinkommens empfiehlt sich eine Nutzung des Instruments der Verdachtsinspektion. Ein solches entschlossenes rüstungskontrollpolitisches Vorgehen wäre mit wirtschaftlichen Anreizen wie dem baldigem Abschluss eines Handels- und Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Union und Iran zu verknüpfen. Gleichzeitig sollte die Europäische Union gegenüber Teheran klar machen, daß jegliche Wirtschaftsbeziehungen abgebrochen würden, sollte Iran ABC-Waffen bauen und gegen die Rüstungskontroll-Regime verstossen oder sie verlassen.”

Zentrale Frage ist, welchen Zeitraum der Iran noch benötigt, um A-Waffen herzustellen. Bei Thränert heisst es:

  • Allerdings dürfte die Produktion von genügend hochangereichertem Uran für einige nukleare Sprengsätze noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Hinzu kommt, dass diese Sprengsätze technisch nicht so weit fortgeschritten sein dürften, dass sie mit Raketen zu verschiessen wären. Für den Bau nuklearer Raketen-Sprengköpfe sind Kenntnisse und Erfahrungen notwendig, über die Iran vermutlich nicht verfügt. Sie zu erwerben dürfte nicht ohne nukleare Tests möglich sein, die wiederum kaum unentdeckt blieben. Sollte es Iran allerdings gelingen, sich in anderen Ländern (zum Beispiel Pakistan) Zugang zu Sprengkopf-Designs zu verschaffen, ist es nicht auszuschliessen, dass Iran auch ohne vorherige Nukleartests in relativ kurzer Zeit nukleare Sprengköpfe für Raketen baut.”

Zum gleichen Thema hat die “Los Angeles Times” ausführlich berichtet (Douglas Frantz, Iran Closes In on Ability to Build a Nuclear Bomb, 4.8.03 - www.latimes.com - Zugang nur mit kostenfreiem Login):

  • Aus einem Geheimbericht für die französische Regierung vom Mai 03 ist umschreibend entnommen, das Iran “überraschend nahe daran ist, angereichertes Uran oder Plutonium für eine Bombe zu haben”. Zitiert wird die Warnung an andere Regierungen, “die höchstmögliche Wachsamkeit über ihre Exporte nach Iran und iranische Regierungs-Firmen” auszuüben.
     
  • Uran-Proben, die im Juni von U.N.-Inspekteuren in Iran getestet worden seien, wären so hoch angereichert, dass das Uran für den Bau einer Bombe verwendbar sei.
     
  • Europäische Geheimdienst-Quellen würden anhand Teherans “Shopping list” die gefestigte Indikation ableiten, dass Iran sich in die letzten Stufen der Waffen-Entwicklung bewegt.
     
  • Interessant ist, dass sehr wichtige Hinweise zum iranischen A-Waffen-Programm nicht von den internationalen Geheimdiensten gekommen sind, sondern von iranischen Oppositions-Gruppen.
     
  • Einem französischen Bericht an die “Nuclear Suppliers Group” ist entnommen, dass Iran “within a few years” Nuklearwaffen entwickelt haben wird.

Ein Teil des 9-Seiten-Berichts der LATimes ist dazu angetan, bestimmten Journalisten für bestimmte Aussagen zu helfen:

  • Zunächst wird aus einer Bush-Rede zitiert: “all options remain on the table” (das ist deklarierte U.S.-Politik seit annodunnemal);
     
  • Auswärtige Geheimdienst-Kreise haben dem Autor berichtet, dass die C.I.A. dem U.S.-Präsidenten “Contingency”-Pläne (das kann man so oder so “übersetzen”) geliefert habe für Luft- und Raketen-Angriffe gegen iranische Nuklear-Installationen. Ausserdem wird ein “Offizieller” zitiert, der auch noch behauptet, es sei “foolish”, den U.S.-Präsidenten nicht mit allen Optionen zu versorgen;
     
  • Da auch noch aus israelischen Geheimdienstkreisen berichtet wird, dass eine iranische Nuklear-Anlage gebaut worden ist, die konventionellen Luftangriffen standhält, ist das Verschwörungs-Konstrukt fertig: Die Bushisten planen, die iranischen Nuklear-Anlagen mit Atomraketen zu plätten!

{Man schreibt, was gefällt}

 

Afghanistan: PRT-Bericht

4. August 2003

Am 16. Mai war U.S.-Aussenminister Colin L. Powell in Berlin und die deutschen Regierungsvertreter haben ihm versprochen, dass Deutschland sich an dem “Provincial Reconstruction-Team” (PRT)-Konzept für Afghanistan beteiligen werden. Am 5. Juni hatte das Bundeskabinett beschlossen, eine interministerielle Erkundungsmission zu entsenden, die vom 10. - 22. Juni in Afghanistan “ergebnisoffen” berichten sollte.

Das “Fact Finding Team” (FFT) war mit Vertretern des Auswärtigen Amtes, des Verteidigungsministeriums, des Innenministeriums sowie Vertretern des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) besetzt. Aus dem Bericht von Generalleutnant Riechmann (25.6.03) geht hervor:

  • Das PRT-Konzept “soll einen Beitrag zur Verhinderung eines ‘Abdriftens’ Afghanistans leisten. Zahlreiche Gesprächspartner sahen im PRT-Ansatz das derzeit einzige Instrument, welches diese Ziele mit kalkulierbarem Risiko für die eingesetzten Zivilisten und Soldaten erreichen kann.”
     
  • “Die Sicherheitslage in AFG wird von allen nationalen wie internationalen Beteiligten als zentrales Hindernis für den Wiederaufbauerfolg sowie das internationale Engagement angesehen.”
     
  • “Das PRT Konzept ist ein Experiment mit einem ganzheitlichen Ansatz, für das es ausserhalb AFG keine Erfahrungswerte gibt ... PRT wäre als ‘Auslandseinrichtung des Bundes’ ohne Vorbilder.”

Die weiteren Eckpunkte werden wie folgt umrissen:

  • Die Deutschen wollen entgegen ihrer bisherigen Praxis den Briten folgen, nämlich keine zivil-militärische Zusammenarbeit (CMIC, sprich “Brunnen-Bauen”) anzustreben.
     
  • Andererseits heisst es:
    “Politische-zivile Komponente PRT ist das eigentliche Instrument zur Umsetzung der Aufgaben des PRT ...”
     
  • “Wichtig wird sein, Empfindlichkeiten im Gastland zu respektieren und mit einem ‘light footprint’ (Auftreten, Erscheinungsbild) Ängsten vor ausländischer Militärpräsenz entgegenzutreten.”
     
  • Für die “Rules of Engagement” wünscht man sich:
    “Waffengebrauch zur Wahrnehmung der Schutzaufgabe gegenüber anvertrauten Personen und Sachen, keine Polizeibefugnisse; kein Kampfauftrag.”
     
  • Knackpunkt ist natürlich die befehlsmässige Unterstellung:

    - Die politisch-zivilen Teile der PRT stehen unter Leitung des US-Sonderbotschafters Jackovic in Bagram, der einem “Policy Steering Committee” mit einem komplizierten Konsultationsmechanismus vorsteht.

    - Militärisch sind die PRT-Kommandeure im “Chain of Command CJTF 180”, also im amerikanischen Militär-Kommando für Afghanistan, eingebunden. Dies ist nicht verwunderlich, denn die U.S.-Kräfte in AFG unterstützen hinsichtlich der Logistik, Kommunikation, Luftnah-Unterstützung und “Extraction” (Rauspauken). Für die “unerlässliche Zusammenarbeit im Bereich des Nachrichtenwesens (Intelligence)” werden “klare Regelungen” gefordert.
     
  • Hinsichtlich der Mandatierung durch den Bundestag wird eine Obergrenze von 250 Soldaten gefordert; allerdings geht man von einer permanenten Stärke von 100 Soldaten aus. Nach drei Monaten Vorbereitungszeit hofft man, “alle Kräfte vor Ort” zu haben. Obwohl die “Phase 3” mit dem Zusatz “abhängig von Lageentwicklung” versehen ist, heisst es: “Dauerhafte Präsenz in der AOR”.

Spannend wird der Bericht hinsichtlich der Beschreibung der möglichen Einsatzgebiete für deutsche PRTs. Die Provinzen Herat und Ghazni werden deutlich abgelehnt; der Standort Charikar wird klar favorisiert, vor allem wegen der Nähe zu Kabul, der Möglichkeit der Abstützung auf logistische Einrichtungen.

Wann und wie die Bundesregierung in dieser Frage auch immer entscheidet, ein Mega-Ereignis steht unverrückbar fest: Nach der vier-jährigen Dürre-Periode feiert Afghanistan die grösste Getreide-Ernte seit zwei Jahrzehnten in Höhe von vier Mio. t. Natürlich sind die poppis auch nicht schlecht gewachsen, lt. FAO um 20 %.

{Selektive Freude ist auch ganz heimelig}

 

Konrad-Adenauer-Stiftung: D/U.S.-Memo

1. August 2003

Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) unternimmt derzeit erhebliche Anstrengungen, um im deutsch-amerikanischen Verhältnis zu retten, was noch rettbar ist. Neu eingerichtet wurde die Web-Adresse www.transatlantik-netz.de; am 16 Juli wurde ein Memorandum mit dem Titel
“Die Deutsch-Amerikanische Partnerschaft: Überwindung der Krise” veröffentlicht:
http://www.kas.de/db_files/dokumente/7_dokument_dok_pdf_2071_1.pdf

Ausgangspunkt des beachtenswerten Memorandums ist die Feststellung, dass die US/D-Partnerschaft “strategische Bedeutung” hat und sich “in einer tiefen Krise” befindet. Die “gemeinsame Agenda” umfasst:

  • “Handlungsempfehlungen für Deutschland”, z.B.:

    - “Deutschland muss klarstellen, dass es die NATO als das vordringliche Instrument betrachtet, um seine Sicherheitsinteressen zu verfolgen”;

    - “Zu diesem Zweck muss Deutschland seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um so seine Glaubwürdigkeit als militärischer Partner der USA wieder herzustellen.”
     
  • “Handlungsempfehlungen für die USA”, z.B.:

    - “Auch eine Nation ohne ebenbürtige Gegner kann nicht ohne Partner auskommen.”

    - “Amerika hat ein vereintes Europa stets als im eigenen Interesse liegend betrachtet.”
     
  • “Felder gemeinsamen Handelns”, z.B.:

    - “Deutschland und die USA müssen einen fortgesetzten strategischen Dialog auf höchster Ebene führen ...”

Lobenswert sind die Anstrengungen der KAS allemal; sicherlich könnte man sich an manchen Formulierungen des Memos reiben. Entscheidend dürfte jedoch sein, ob ein Momentum erreicht werden kann; dazu müssten neue operative Wege gesucht werden. Beispiel hierfür ist die Zersplitterung zahlreicher Vereine und Verbände des Sektors “Sicherheitspolitik”. Alle dümpeln vor sich hin, pflegen ihren alternden Vorgarten, jammern seit Jahrzehnten über die nicht stattfindende Debatte und ahnen den nahen Untergang deutscher Sicherheitspolitik. Massive Pfründe und mangelnde Sachbezogenheit verhindern jegliche Durchschlagskraft.

Während z.B. die fixen Jungs von attac längst Network-centric warfare praktizieren, lernen pensionierte Verteidiger im Zubrot-Job noch den e-mail-Versand. Führung und Organisation ist Kommunikationssache - und die hat ihre eisernen Regeln.

{Am Anfang steht das Wort - dann gehts zum Ort}

 

U.S.-Geheimbericht: NIE

31. Juli 2003

Vor einer Woche haben wir auf das Papier hingewiesen, jetzt sind die sechs Seiten des deklassifizierten Textes aus dem wichtigsten amerikanischen Geheimbericht, “National Intelligence Estimate” (NIE), bei John Pike zu finden:
http://www.globalsecurity.org/intell/library/reports/2002/nie_iraq_october2002.htm

Lesenswert ist der Auszug aus 90 Seiten der versammelten U.S.-“Intelligence” vom Okt. 2002 allemal, denn er enthällt auch abweichende Voten der beitragenden sechs Dienste (CIA, DIA, Intelligence and Research - INR - des US-Aussenministeriums, NSA, Department of Energy und die National Imagery and Mapping Agency, NIMA).

Zugegeben, unsere natürliche Faulheit hindert uns, mehr zu berichten, aber auch die Einsicht, dass aufgrund der Meinungslage nur Frohnaturen an dem Thema überhaupt interessiert sind. Diese wenigen Witzbolde wiederum werden nicht unseren Bericht, sondern gleich das Original durcharbeiten, zu recht.

Aber ein Bonbon möchten wir doch als Anreiz bieten. Auf S. 4 ist bei den “ausgewählten Schlüssel-Beurteilungen” unter dem “High Confidence”-Level der Eintrag zu finden:

  • “We are not detecting portions of these weapons programms”.

Nun fehlt nur noch, dass alle Geheimdienste aus demokratischen Staaten ihre NIEs vom Okt. 2002 teilweise deklassifizieren und andererseits alle Medien ihre Berichte, dass es gar keine irakischen Massenvernichtungs-Waffen gibt, einer Zentral-Stelle abliefern, damit es bei einem Show-down die Dokumentation gleich als Buch zu kaufen gibt - die Story über die heisseste Schlacht zwischen Regierungen und Medien, die es je gegeben hat.

{Unser Wettbüro ist geöffnet: setzen müssen Sie}

 

Verschwörung: allerorten

24. Juli 2003

Aufgrund der Medienflut dürfte sich in den Köpfen der meisten Konsumenten festgesetzt haben, dass das durch Krieg beseitigte irakische Regime keinerlei Massenvernichtungs-Waffen besaß. Die westlichen Geheimdienste haben nicht nur versagt, sondern sich auch noch von der Politik drängen lassen, die Mär zu verbreiten.

Nun muss man leider feststellen, dass auch der Bundesnachrichtendienst an diesem Jahrhundert-Fake mitgestrickt hat. In einem 15-Seiten-Papier zum Thema “Proliferation”, ohne Datum (!), auf der BND-Website im Vorfeld des Irak-Krieges plaziert, heisst es auf S. 9:

  • “Irak nutzt den weitgehenden Wegfall der Einblicksmöglichkeiten von UNSCOM seit August 1998 und kauft auf alten Wegen als auch mit neu eingerichteten Beschaffungsnetzen Ersatzteile für die früher gelieferten Anlagen und Maschinen ein.”
    http://www.bundesnachrichtendienst.de/download/proliferation.pdf
    (Wenn Sie schon auf die BND-Site gehen, nehmen Sie doch bitte gleich die Infos über das BND-Kochbuch (kein Scherz!) mit).

Nein, halt, wir sind absolut nicht der Meinung, dass Materialien für Massenvernichtungs-Waffen im Irak nicht existieren. Dass sie gefunden werden, ist nur eine Frage der Zeit. Interessanter an der Angelegenheit ist, welche “Blüten” die Debatte treibt und welche Folgerungen daraus zu ziehen sind:

  • Man muss schon verdammt quotengeil sein, wenn man den Selbstmord des Briten Kelly dem Premier oder der BBC ans Hemd klebt;
     
  • Am 20. Juli veröffentlichte http://usinfo.state.gov 26 Seiten eines White House-Briefings incl. Journalisten-Beschuss zu der Debatte um die 16 Wörter des US-Präsidenten in seiner State of the Union Message zum Thema: irakische Bemühungen um Nuklear-Material in Afrika. Dafür hat man sogar Teile des hochwichtigen Geheimdokuments “National Intelligence Estimate” (NIE) declassifiziert - leider bisher nur für die anwesenden Journalisten, nicht fürs Internet. Aus dem Text des Briefings (S. 10) geht aber eindeutig hervor, dass nicht nach britischen, sondern nach amerikanischen Quellen der Irak in drei verschiedenen Staaten Afrikas den Versuch unternommen hat, an Nuklear-Stoffe zu kommen;
     
  • Am 23. Juli hat noch eine 23-Seiten White House-Pressekonferenz stattgefunden. Der stellvertretende “National Security Adviser” Steve Hadley ist nun als “Sündenbock” enttarnt. Überfliegt man den Text, findet man interessante Infos zu den Prozessen in der Administration, nicht aber die Bestätigung für eine (erneute) Verschwörungstheorie;
     
  • Nach SPIEGEL Online hat “Die Zeit” eine repräsentative Forsa-Umfrage bereit:
    - 19 % der Deutschen halten es für möglich, dass die US-Regierung die Terror-Anschläge vom 11/9 2001 selbst in Auftrag gegeben hat; bei den unter 30-Jährigen glaubt das jeder Dritte! (Wir selbst haben die entsprechende e-mail erhalten, die dazu wohl prägend war).

Als ungeprüfte Kommunikations-Experten geben wir deshalb folgende Ratschläge:

  • Verschwende weder zuviel Zeit noch Geld für politische Informationen;
     
  • Glaube nur an die “Verschwörungstheorie”, dass viel zu viele Menschen Dir für Geld den grössten Schwachsinn erzählen;
     
  • Denke daran, dass zum Nachdenken und zur notwendigen Analyse kein Mensch weder Zeit noch Lust hat, schon gar nicht das Geld dafür;
     
  • Vergiss nicht, dass es nach Thomas Friedman (Pulitzer-Preisträger 2002) nicht nur die jetzt tragenden Zeit-Säulen Super-Power und Super-Markets gibt, sondern die “super-empowered individuals”. Diese Krankheit ist schlimmer als die Pocken; wer leidet nicht daran?
     
  • Nach Monaten, Jahren oder Jahrzehnten erledigt sich jede Scheisshaus-Parole. Ausnahme dürfte die Verschwörungstheorie sein, dass die Juden hinter allem stecken;
     
  • Irgendwann ist sowieso Schluss mit dem Unsinn. Die Nachlese wird köstlich werden.

{Ei, Ei, Verpoorten - Verschwörung allerorten}

 

U.S./U.K: DTSI-Strategie?

23. Juli 2003

Natürlich sind seit dem Besuch von Tony Blair bei Präsident Bush einige Tage vergangen. Trotzdem möchten wir etwas nachtragen, was nicht unbeachtet bleiben sollte: Die von beiden Regierungs-Chefs getroffene Vereinbarung über den “verbesserten Austausch von verteidigungs-relevanten Informationen”:
http://usinfo.state.gov/xarchives/display.html?p=washfile-english&y=2003&m=July&x=200307 18140340samohtj0.3777277&t=usinfo/wf-latest.html

Demnach wollen die USA und das Vereinigte Königreich ihre Beziehungen im Bereich Verteidigungspolitik verstärken und vertiefen. In einem Briefwechsel ist festgelegt

  • die verbesserte und verstärkte beiderseitige Möglichkeit des Zugangs zu sensitiven Informationen durch Regierungs-Mitglieder und Militär-Personal,
     
  • die Bildung eines bilateralen Beschaffungs-Kommitees (Defense Aquisition Committee) unter Vorsitz beider Verteidigungsministerien, das sich mit dem Erwerb, der Beschaffung und logistischen Aktivitäten sowie wirtschaftlicher Kooperation befassen soll.

Diese Vereinbarung kann durchaus strategische Bedeutung gewinnen. Falls sie ein Vorläufer der seit einiger Zeit überfälligen neuen “Defense Trade Security Initiative” (DTSI) der USA ist, werden nicht nur bisherige CLub-Mitglieder der “alten” DTSI wie Schweden und die Niederlande, sondern auch z.B. Italien, Spanien oder Polen und Tschechien Lust verspüren, mit den Engländern zu marschieren.

Damit wäre die europäische Rüstungs-Agentur, wie sie auch in dem Europäischen Konvent-Entwurf gefordert wird, vorab gescheitert. Für Deutschland ergäbe sich eine besonders prekäre Lage:

  • Das frankophone (“europäische”) Regierungslager wird vor allem amerikanische Industrie-Avancen abblocken wollen;
     
  • Frankreich wird unter allen Umständen seine rüstungsindustrielle Autarkie verteidigen und damit (wie schon in der Vergangenheit) seine konventionelle und nukleare Bewaffnung, produziert in Staats-Firmen, sehr teuer bezahlen. Aus französischer Sicht gibt es keine deutsche Rüstungsfirma, die den Ankauf lohnt (auch wenn man - siehe DCN - neuerdings mit HDW liebäugelt);
     
  • Die deutschen Rüstungs-Industriellen sind schon so verzweifelt, dass sie auf dem TV-Kanal “N24” einen recht hausbackenen Werbe-Trailer (“Lehrgeld” kommt öfters vor) laufen lassen (anschließend wirbt N24 mit seinem “Kommunikations-Konzept” für den Mittelstand):

    - Aufgrund der Kassenlage und der Rüstungsexport-Richtlinien bzw. Praxis kann der Verteidigungsminister sein in mehreren Dokumenten gegebenes Versprechen/Verlangen, rüstungs-industrielle Kernfähigkeiten zu erhalten, über einen Mittelfrist-Zeitraum von fünf Jahren keineswegs einhalten;

    - Zuerst vom BDI initiiert, dann mehrstimmig kritisiert, weiss die Regierung noch nicht so recht, wohin sie mit ihrer Gesetzes-Initiative will, die die Zustimmung der Regierung zum Verkauf einer (in Deutschland durchgängig privaten) Rüstungsfirma vorsieht;

    - Das Bild verschleiert sich gänzlich, wenn man feststellt, dass (mehr oder weniger) nur noch die Familien Bode (KMW), Röchling (Rheinmetall) und Diehl (sowie die Werften)  die weltbeachteten Leistungsträger deutscher Rüstungs-Technologie (“Goldrand-Lösungen”!) sind, die, in einem entsprechenden Altersegment, der Wehrtechnik mit einem gewissen Sentiment verhaftet sind. Nicht auszuschliessen ist die Fiktion, dass die Clans angesichts der Zukunftsperspektive “ausrasten” und sich profitablen Dingen zuwenden.

Verbleibt die Frage, ob man zur Erlangung des Analyse-Ergebnisses den “Top-Down” oder lieber den “Bottem-Up”-Ansatz wählt.

{I’m still confused, but on a very much higher level}

 

Tony Blair: Werte

18. Juli 2003

Aufgrund der Verleihung der “Congressional Gold Medal” hat der britische Premier Tony Blair gestern die Gelegenheit erhalten, vor dem U.S. Congress zu sprechen. U. E. ist der Text Pflicht-Lektüre:
http://www.number-10.gov.uk/output/Page4217.asp#

Herausragend ist, dass Premier Blair ein deutliches und gut begründetes Bekenntnis zu den Werten abgegeben hat, für die der Westen nach seiner Meinung stehen sollte. Allerdings ist undenkbar, dass z.B. der deutsche Bundeskanzler oder der Aussenminister jemals solche Sätze über die Lippen bringen wollen:

  • “Our ultimate weapon is not our guns, but our beliefs (Glaubens-Anschauungen)”;
     
  • “The spread of freedom is the best security for the free. It is our last line of defence and our first line of attack”;
     
  • “The risk is that terrorism and states developing weapons of mass destruction come together”;
     
  • “There is no more dangerous theory in international politics than that we need to balance the power of America with other competitive powers” (genau von dieser “dangerous theory” ist Kanzler Schröder überzeugt);

Dankbar sollte man Tony Blair sein, dass er ausführlich und mit guten Argumenten für die Europäer geworben hat; seine kritischen Formulierungen zum euro-atlantischen Verhältnis, die Bush-Regierung betreffend, konnten Wirkung zeigen, ebenso die zum Kyoto-Prozess. Für seine Forderung nach einem neuen internationalen Regime gegen die Verbreitung von Massenvernichtungs-Waffen bekam Blair extra dicken Beifall. Für Afghanistan forderte er mehr Truppen für die Regionen ausserhalb Kabuls. In Richtung Iran und Syrien fielen deutliche Worte. Für das nächste Treffen der WTO im September in Mexiko sind Sätze zur Liberalisierung des Welthandels verzeichnet, die vor allem die Europäische Union angehen.

Gar nicht gefallen wird nicht wenigen EU-Intellktuellen, dass Blair zur Fraktion derjenigen gehört, die von der historischen Schicksalsgewalt (destiny) spricht, die die USA zwingt, den Job zu tun (“the task is yours to do”), und, dass die Briten mit ihnen sind.

Vielleicht findet unser Kanzler irgend einen Grund, seinen guten Freund Tony für eine Rede im Reichstag, Sitz des Bundestages, zu gewinnen.

{Freund hört mit}

 

Raketen-Abwehr: Wunschtraum?

17. Juli 2003

Experten der “American Physical Society” (APS) haben eine 476-seitige Studie zum Thema Raketen-Abwehr verfasst mit dem Ergebnis, dass die Bekämpfung feindlicher Interkontinental-Raketen deren Startphase (boost phase) praktisch nicht möglich ist:
http://www.aps.org/public_affairs/popa/reports/nmdfull-report.pdf

Mit der Vermittlung der Vermutung, dass dies ein “harter Schlag gegen Bushs Raketenschild” (SPIEGEL-Online) sei, wird man allerdings nicht weit kommen:

  • In 2002/3 sollten die Forschungs- und Erprobungs-Ausgaben des US-Militär-Haushaltes für das “Boost Defense Segment” 685 Mio. US$ betragen. Für die von der APS-Studie überhaupt nicht behandelte Frage der Raketenabwehr in der mittleren Flugphase (Midcourse Defense Segment) wurden jedoch 3,9 Mrd. US$ angefordert;
     
  • Der von Präsident Bush am 17. Dez. 2002 verkündete Aufbau einer begrenzten Raketen-Abwehr für 2004 sieht vor:
    - 20 land-basierte Raketen für die Abwehr von Interkontinental-Raketen in deren Midcourse-Flugphase;
    - 20 see-gestützte Raketen für die Abwehr von “ballistischen Raketen” (also keine Interkontinental-Raketen) in deren Start- und Steig-Phase.

    Die APS-Studie ist nur interessant für die see-stationierten Abwehr-Raketen, denn die Autoren schreiben, dass die Schiffe in 10er km-Reichweite des Abschuss-Platzes der Kurz- oder Mittelstrecken-Raketen positioniert sein müssten.
     
  • Auch Gegner einer taktischen Raketen-Abwehr für europäische NATO-Staaten werden keine rechte Freude an der APS-Studie finden können, denn das Projekt MEADS (bzw. PAC-3) gehört in die Kategorie der Abwehr-Möglichkeit in der End-Anflugphase (Terminal Defense Segment, 2002/3 988 Mio. US$), welche ebenfalls nicht von den Ergebnissen der Studie berührt ist.

{Nicht jeder Kopf macht Nägel}

 

Peter Zadek: Saddam II.

15. Juli 2003

Wenn einer der “herausragenden Regisseure des deutschsprachigen Theaters” SPIEGEL-Online ein Interview gibt und dabei auch erläutert, warum ihm Amerika “zutiefst zuwider” ist, muss man das lesen, weil es irgendwo auch ein kleines Zeichen der kulturellen Befindlichkeit dieser Republik ist:
http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,257051,00.html

Für kulturell gänzlich unterbelichtete Zeitgenossen wie uns ergeben sich nach Lektüre (sicher furchtbar dumme) Fragen an die 77-jährige Kult-Ikone:

  • Zadek stimmt seinem “alten Freund Harold Pinter” bei, der wohl geäussert haben muss, dass “die Amerikaner .. heute mit den Nazis zu vergleichen” (seien). Aber der Inszeneur setzt eins drauf:
    “Der Unterschied besteht darin, dass die Nazis vorhatten, Europa zu besiegen; die Amerikaner aber wollen die ganze Welt besiegen.”

    Unsere Frage: Müssen wir demzufolge nicht für die Amis eine Begriffs-Steigerung von “Nazis” suchen? Wie wärs mit Giga-Nazis, Welt-Schlächter oder Atom-Nazis?
     
  • Zadek wird nach seinen USA-Erfahrungen gefragt und antwortet:
    “Ich war nie dort. Mir ist Amerika zutiefst zuwider ...”
    Der direkt folgenden Satz lautet aber:
    “Ich kritisiere nichts, was ich nicht mit eigenen Augen gesehen habe. Ich kritisiere das, was die Amerikaner mit der Welt tun.”

    Frage: Könnte es sein, dass Herr Zadek, der fürchtet, vom SPIEGEL als “elitärer Eremit” beschrieben zu werden, gar nichts von einem Besuch beim Augenarzt hält - oder Schwierigkeiten mit der Logik hat - oder die USA für allmächtig hält?
     
  • Ist Peter Zadek absoluter Pazifist? Die SPIEGEL-Redakteure Höbel und Hüetlin fragen den Kulturschaffenden, ob er auch die kriegerische Beteiligung der Amerikaner im 2. Weltkrieg für falsch hält.

    Zadekts Antwort:
    “Auch dieser Krieg hätte nicht stattfinden dürfen. Krieg produziert im Endeffekt nur Katastrophen. Diese Haltung habe ich vertreten, seit ich 18 war. Das war am Ende des Zweiten Weltkriegs, und ich habe damit nur Feinde gehabt, auch unter meinen jüdischen Freunden, als ich sagte: ‘Diesen Krieg so wenig wie jeden anderen.’ Nach den 60 Millionen Toten fühlte ich mich gewissermassen gerechtfertigt.”

    Auf die Nachfrage erläutert Zadek:
    “Es ist immer dieselbe Frage: Durch was entsteht Krieg? Krieg entsteht dadurch, dass Leute nicht im Stande sind, miteinander zu reden. Alle Leute haben Interessen. Und mit diesen Interessen kann man umgehen, solange man die Nerven und die Geduld dazu hat.”

    Nun ist keinem wirklichen Pazifisten bei solcher oder ähnlicher Position näher zu kommen. Mehrere Absätze vorher in diesem Interview ist aber Zadeks Bedauern zu finden, dass “wir solch einer Mafia ausgeliefert sind” (gemeint sind natürlich die USA) und danach:
    “Ich glaube nicht daran, dass es im Irak Massenvernichtungswaffen gab. Wenn ich Saddam Hussein wäre, dann hätte ich diese Waffen garantiert benutzt.”

    Frage:
    Ist das nun eine noch nicht entdeckte Form von Alters-Pazifismus - oder eine besonders hochentwickelte Form von kultur-intellektuellem Theatral-Pazifismus - oder nur freudianisch-heimliche Ich-wäre-lieber-richtiger-Tyrann-geworden-Sehnsucht?

Schade ist nur, dass die folgende Vermutung naheliegt:
Peter Zadek wird - als sich selbst krönender Kultur-Cäsar - den massen-vernichtenden Hass in seinem Seelen-Spiegel nicht einmal mit 77 + erkennen.

{Hast Du Kultur oder lebst Du schon?}

 

Network-Centric Warfare: Hits

14. Juli 2003

Wer in der Defense-Community auf sich hält, wird den Begriff “Network-Centric Warfare” (NCW) fehlerfrei aussprechen können. Holger H. Mey, Altgedienter in Sachen Sicherheitspolitik, inzwischen Professor, und Michael K.-D. Krüger, Leiter des Bereichs “Konzepte und Studien” bei der EADS, Defence & Security Systems, haben in einer 72-seitigen Studie mit dem Titel
“Vernetzt zum Erfolg? - “Network-Centric Warfare” - zur Bedeutung für die Bundeswehr” reichlich Notwendiges zum Thema beigesteuert (zu bestellen über
office@ISA-eV.de oder Fax 0228 970 9913).

Die Arbeit zeigt, in welche Tiefe und Breite das “Mode”-Thema “Netzwerk-zentrierte Kriegführung” abgleitet. Abschliessend bemerken die Autoren, dass NCW als Antwort jeder kennt, sich aber nicht der Fragestellung erinnert (S. 67). Es scheint, als dass die Debatte erst beginnt.

U. E. besteht eher die Gefahr, dass das Thema NCW in der Debatte über Kriegführung hochgepusht wird und die grundlegenden Faktoren zuwenig Beachtung finden; der Vergleich zur zivilen und alltäglichen “Kriegführung” und dem Hype über die Netzwerk-Revolution des Internets lässt grüssen:

  • Die jederzeitige und sichere Verfügbarkeit der Informationen, die zur Erlangung eines taktischen oder strategischen Ziels, einer konkreten “Applikation”, notwendig sind, dienen ohne jeden Zweifel einer schnelleren und effektiveren, effizienten Umsetzung.
     
  • Informationen und Kommunikation sind aber immer nur beschleunigender Katalysator in einer Kette von sehr “materiellen” Prozessen (Chain of ...).
     
  • Im militärischen Sinne heisst das:
    Kriegführung ist abhängig von bestimmten Grundfaktoren (Zahl, Feuerkraft, Schutz, Beweglichkeit, Moral, Ausbildung, Logistik, Aufklärung, Führung) und die Verbesserung der Kommunikation ist nur ein graduell verbesserndes Additiv.
     
  • Gänzlich hypothetisch wird eine NCW-Debatte in Deutschland, wenn aufgrund politischer Vorgaben die militärisch-bestimmenden Grundfaktoren zerbröseln und die innenpolitisch-bestimmten Strategien der Politik jegliche halbwegs rationale Sicherheitspolitik verdampfen.
     
  • Völlig unaufgeregt kann man alles aufnehmen: entscheidend ist nur, was die USA auf diesem Gebiet unternehmen. Wer wenigstens theoretisch kompatibel werden will, muss das auf höchster politischer Ebene entscheiden.

{If the shit hits the internet}

 

Globales Info-Netz: GIGantisch

11. Juli 2003

Aufgrund eines AFCEA-Vortrages von Michael S. Frankel, der im U.S.-Verteidigungs-Ministerium für IT-Programme (DASDL) zuständig ist, haben wir ein wenig über die Umsetzung für das globale Informations-Netz (“Global Information Grid” - GIG) der US-Streitkräfte gelernt. Das GIG ist wichtig, weil es für das Konzept des “Network Centric Warfare 2010” die entscheidende Voraussetzung ist. Damit würden die US-Streitkräfte ein Informations-Umfeld erreichen, welches das GPS-Zeitalter auf eine neue Stufe hebt: Jeder weiss nicht nur, wo er ist, sondern er kann sich über die Informations-Vernetzung jeden erdenklichen “Service” bestellen.

Für die Bereitstellung des GIG sind Konzepte, Finanzen, Hard- und Software geplant, die für die USA verwirklichbar erscheinen:

  • Eckstein des Konzepts ist das Internet-Protokoll (IP-Protocol) der Version 6, operationell ab 2008; derzeit wird im Internet die Version 4 angewendet;
     
  • Bereits ab Okt 2003 müssen alle IT-Hardware-Komponenten, die für das U.S.-Militär beschafft werden, mit dem IP-Protocol, Vers. 6 kompatibel sein;
     
  • In den USA werden 101 Stützpunkte für das Militär-Internet eingerichtet;
     
  • Mit einem Investitions-Volumen von 17 Mrd. US$ werden nicht nur die entsprechenden Satelliten beschafft, sondern auch die passenden “Computer” nebst Daten-Link, geplant bis zum letzten Fahrzeug; mehr oder wenig alles “commercial”.
     
  • Wie im derzeitigen Internet wird jeder Teilnehmer des Netzwerkes über eine eigene IP-Adresse verfügen. Damit wird z.B. jegliche Präzisions-Munition noch im Endanflug korrigierbar werden.
     
  • Während im Afghanistan-Krieg der Daten-Transfer noch auf 100 Mega-Byte/Sekunde begrenzt war, will man 2005 ein Giga-Byte/sec. und 2006/7 zehn Giga-Byte/sec. erreichen;
     
  • Als Problem ist die Verschlüsselung des IP-Protokolls (Vers.6) erkannt. Deshalb hat man gleich die sagenumwobene “National Security Agency” (NSA) beauftragt, die Lösung zu erarbeiten; die besten Kryptologen werden dort vermutet.
     
  • Was wir bisher aufgrund einer fachlichen Aussage immer geglaubt haben, ist kein Problem: Die Technik für die Übertragung von 1 oder 10 Gigabyte/sec.-Raten im Breitband des elektromagnetischen Spektrums.

Unsere “praktische” Frage hinsichtlich der Kompatibilität mit den “Alliierten und Freunden” der USA, die Dr. Frankel bereits in seinem (excellenten) Vortrag angesprochen hatte, wurde positiv beantwortet. Alles ist nur noch eine Frage der Software, die die Hardware-Kompatibilität gewährleistet. Voraussetzung ist natürlich immer, dass letztlich der Kryptologie-Schlüssel weitergegeben wird.

Als dummer Journalist sitzt man in einer solchen Versammlung immer im Schlamm. Denn man denkt an unsere Bundeswehr, z.B. die Divison Spezielle Operationen, die ihre Hard- und Software für die Führungsfähigkeit gegen 2010 erhält. Wird diese Ausstattung mit dem IP-Protokoll, Vers. 6, kompatibel zu schalten sein? Ist das militärische Bw-IT-Projekt 9.4 (richtig?), für die Konzeption von der Telekom gewonnen (richtig?), zum GIG vereinbar zu halten?

Richtig, wir haben nicht die geringste Ahnung. Und um es herauszufinden, fehlt uns die Zeit, und die Lust, und das Geld, und die Intelligenz. So sorry!

{Der Komplexität Lauf hält weder Ochs noch Esel auf}

 

Papier-Krieg: Sexed-up

10. Juli 2003

Wenn man schon nichts liest, sollte man sich den Stoff wenigstens abladen, für schlechte Zeiten sozusagen. Wir kommen nicht mehr mit und geben deshalb nur noch die Web-Adresse an, damit sich wenigstens unsere lieben User weiterbilden:

  • Unsere britischen Freunde sind in Sachen Irak mit zwei Dokumenten präsent, die in jede pdf-Library gehören: Eine erste amtliche Einschätzung des Irak-Krieges (“First Reflections”) und der Bericht des Parlaments zu der Geheimdienst-”Affäre” (The Decision to go to War”):
    http://www.publications.parliament.uk/pa/cm200203/cmselect/cmfaff/813/813.pdf
    http://www.mod.uk/linked_files/publications/iraq2003operations.pdf
     
  • Erstes Standardwerk zum Thema “erweiterter Sicherheitsbegriff ist die jährlich erscheinende U.N.-Studie “Human Development Report”; die deutschen Medien haben dazu berichtet, dass in diesem Bericht nachgewiesen werde, dass die Weltbank und der Weltwährungsfonds an allem Unglück dieser Welt schuld seien (Achtung: 7,2 MB):
    http://65.109.106.110/hdr2003/pdf/hdr03_complete.pdf
     
  • Spezialisten, die ganze Heeres-Brigaden aus der Luft abwerfen wollen, können in der Studie des amerikanischen Rechnungshofes genügend Daten finden, um noch 100 A400M zu bestellen (Hinweis eines lieben Users):
    http://www.gao.gov/new.items/d03801.pdf
     
  • Für die uns bisher fehlende Bezugs-Quelle des hervorragenden Berichtes des “Congressional Research Service” (CRS) zum Thema Irak-Krieg hat uns ein lieber Fellow aus Australien den Link geschrieben:
    http://www.urbanoperations.com/ifaar13.pdf
    Leider werden die klugen Experten, die allenthalben US-Einmärsche vermuten und das US-Engagement in Afrika als rein militärisches Mannöver deuten, natürlich mit neuen Öl-Funden gemixt, die CRS-Studie links liegen lassen.
     
  • Sehr schnell, aber mit grossem Erstaunen ist die ZEIT-Story von Jürgen Krönig über das “Sexed-up” bei der BBC verschlungen:
    http://www.zeit.de/2003/28/bbc_blair
    Geradezu unvorstellbar ist, dass jemand mit der gleichen Elle die Irak-Berichterstattung unserer öffentlich-rechtlichen TV-Medien messen würde. Aber halt, man war ja regierungsfromm und im 80%igen Mainstream.

{Schauen Sie doch bitte, dass Ihre Arbeit auch einwenig sexed-up wird}

 

DSO: pathologisches Lernen?

9. Juli 2003

Heeres-Inspekteur Gert Gudera hat dem Verteidigungs-Ausschuss des Deutschen Bundestages am 4. Juni zum Thema “Division Spezielle Operationen” (DSO) Bericht erstattet; er nennt sie das “wichtigste nationale Instrument zur Krisenvorsorge und Krisenbewältigung.”

Im Zeitraum 2003/4 sollte die DSO (8.000 Soldaten) voll einsatzbereit sein. Die Gründe dafür, dass die DSO erst 2009/10 einsatzbereit sein wird, sind nach General Gudera:

  • Wegen des Einsatzes der DSO in Afghanistan wurde “die Unterbrechung des Binnenausbaus dieser Division um mehr als ein Jahr in Kauf genommen”.
     
  • “Nicht unerwähnt bleiben kann in diesem Zusammenhang die eingeschränkte Leistungsfähigkeit und die geringe, zum Teil fehlende Flexibilität unserer Rüstungsindustrie, wodurch sich notwendige Entwicklungen und dadurch auch Beschaffungen über die Zeitachse strecken.”
     
  • “Die Verschiebung auf der Zeitachse ganz wesentlich bewirkt hat die finanzielle Mittelknappheit. Ich bin gezwungen worden, 30 % meiner Investitionsmittel im mittelfristigen Bereich herauszuplanen.”
     
  • “Der ganz auschlaggebende Faktor war und ist natürlich das fehlende Geld.”

In der Sammlung der wichtigsten Gudera-Sprüche darf die Zusammenfassung nicht fehlen:

  • “Für die DSO insgesamt kann festgestellt werden:
    Ausbildung und Personalaufbau verlaufen im Grundsatz planmässig. Das Erreichen der materiellen Vollausstattung wird sich um 4 - 5 Jahre, also bis zum Ende dieser Dekade, verschieden. Das größte Defizit insgesamt ist die Führungsfähigkeit. Jetzt endlich ist der Realisierungsplan genehmigt. Das erste Los FüInfoSys wird der DSO im Schwerpunkt in den Jahren 2005 - 2008 zulaufen.”
     
  • “In der Summe sind für die Jahre 2004 bis 2010 657,6 Mio. EUR aufzubringen.”
     
  • “Aber mit der Ausrüstung und der Bewaffnung von heute und gestern können Aufträge übernommen werden, so wie das immer war! Das ist nicht schön und entspricht nicht dem angestrebten Standard, es entspricht auch nicht unserer Fürsorgeverpflichtung. Es bleibt also ein Risiko.”

Die Division Spezielle Operationen ist in Hinsicht auf einen deutschen Beitrag zu Elite-Einheiten der NATO oder der EU die erste Adresse. Sollten in Zukunft wieder Hurra-Meldungen anfallen, dass Deutschland seine Beiträge leistet, darf man dies getrost als Propaganda abhaken. Erfreulich ist, dass der Verteidigungs-Ausschuss den Heeres-Inspekteur zum Bericht antreten liess und General Gudera sachlich berichtet hat. Richtig schön wurde alles aber erst, als uns ein guter Freund den Text geschickt und somit die verehrte Leserschaft Stoff hat.

{Wie war das noch mit dem “herrlichen” Stichwort vom “pathologischen Lernen”?}

 

SWP: Freiwilligen-Armee besser

8. Juli 2003

Der ehrwürdige Denkpanzer (Think Tank) “Stiftung Wissenschaft und Politik” (SWP) hat mit einer Studie den Versuch lanciert, für die Bundeswehr (lt. Untertitel) zu beweisen:
“Die Freiwilligenarmee ist die bessere Lösung”:
http://www.swp-berlin.org/pdf/ap/S26_03.pdf

So man - wie wir - die Ergebnisse des Autors Hans-Dieter Lemke skeptisch angeht, hat man seine liebe Not; solche Rechenwerke erschlagen schlicht. Das Geheimnis verorten wir im Anhang, den Tabellen auf S. 28/29, natürlich in Verbindung mit den Erläuterungen im Text vorher:

  • Verschlossen bleibt uns Lemkes Unterscheidung in “AW” (Allgemeine Wehrpflicht) und “WK” (Auswahl-Wehrdienst), nicht als solche, sondern in der Tiefen-Gliederung AW 9 - 4 und WK 9 - 4, auf deutsch: die “Allgemeine Wehrpflicht” kann zwar 1 - x Monate dauern, die “Auswahl-Wehrpflicht” ist aber ein Konstrukt, welches sehr gezielt nur einen Teil des zu erwartenden Wehrpflicht-Aufkommens zu einer Wehrdienstdauer einberuft, die auf die Kopplung Aufkommen/Dienstdauer verzichtet.
     
  • Recht wundersam erscheinen die Angaben zum Thema “Ergänzungsbedarf BS/SaZ. Derzeit “krebst” die Bundeswehr bei knapp 190.000 Berufs- und Zeitsoldaten und schafft nicht die Planungsgrösse von 200.000. Wie ohne Wehrpflicht-Werbung die Lemke-Freiwilligenarmee-Grösse von 221.000 erreicht werden kann, bleibt offen (angeboten werden die früher bekannten Verpflichtungs-Prämien). Unterhalb der Eingangs-Besoldung A7 - wie bei Polizei und Bundesgrenzschutz üblich - dürfte eine Freiwilligen-Bundeswehr sowieso nicht bieten dürfen (die SWP-Studie rechnet so nicht).
     
  • Quotengerecht hat Lemkes Freiwilligen-Armee nur noch 62.000 Zivilbedienstete. In der Wirklichkeit braucht aber die Scharping-Bundeswehr Zeit bis zum Jahr 2010, um den Umfang von 85-90.000 Zivilbediensteten zu erreichen.
     
  • Ohne Nachweis erreicht Lemkes Armee (Heeres)Einsatzkräfte in Höhe von 100.000 Mann. Nirgendwo verliert der Autor ein Wort über das wundersame Bermuda-Dreieck, indem - unter Beachtung des “tooth-to-tail-ratio” - jede Armee dieser Welt ihren “Schrecken” verliert. Wer hier neugierig die entsprechenden US-Werte studieren möchte, sollte der Studie des “Congressional Research Service” nachjagen:
    “Iraq War: Defense Program Implications for Congress”, June 4, 2003 - Order Code RL31946” (trotz mehrfacher Suche haben wir sie im Internet nicht gefunden - die 73 Papier-Seiten haben wir nur auf dem Tisch;
    Nachtrag:
    http://www.urbanoperations.com/ifaar13.pdf ).
    Nach leichtem Hineinlesen, verbunden mit “eingebildeten” Kern-Kenntnissen zum Kräfteverhältnis, verdrehen sich vormals gläubige Augen zu neuen Einblicken, erzeugen Lachkrämpfe über Fließband-Kriege der so von den Medien geschilderten omnipotenten Amis.

Von der Sorgsamspflicht fühlen wir uns gar nicht enthoben. Wer auch immer zu gänzlich anderen Ergebnissen über der Lemke-Arbeit kommt, möge uns eines besseren belehren.

{Der Tod des Besseren ist der Feind des Eigenen}

 

Radiologische Bomben: Preußischblau

3. Juli 2003

Der deutsche Think-Tank “Stiftung Wissenschaft und Politik”  www.swp-berlin.org - hat wieder bewiesen, dass er sein Geld wert ist: Gebhard Geiger hat ein 8-Seiten-Papier zum Thema “Die ‘schmutzige Bombe’ - Radioaktives Material als Terrorwaffe” geschrieben, dass an den sicherheitspolitischen Aushang der Republik gehört.

Ausgangspunkt ist die durch amerikanische Arbeiten (deutsch in: “Spektrum der Wissenschaft, März 2003) beschriebene Bedrohung, ausgehend von der einfachen Vermengung von konventionellem Sprengstoff mit radioaktiven Substanzen wie z.B. Cäsium. Der tödliche Clou ist, dass sie in vielen zivilen Bereichen angewendet werden und leicht “verwaisen”. Finden sich neue Eigentümer mit terroristischen Intentionen, könnten Schäden entstehen, die alle bisherigen Aufwand/”Ertrags”-Relationen der Kriegführung nicht nur in den Schatten stellen würden.

Die wichtigsten “Zähler” aus Geigers Arbeit:

  • In Tiflis stellte die Polizei im Mai 2003 zwei Behälter eines Cäsium/Strontium-Gemisches mit dem Gewicht von 80 kg sicher; in Bangkok waren es 30 kg Cäsium.
     
  • Radiologische Bomben gelten zwar nicht als “Massenverichtungs-Waffen, können aber einige hundert Quadratkilometer grosse Flächen derart verseuchen, dass sie nach  geltenden (ernsthaften) Umweltschutz-Bestimmungen nicht mehr bewohnt werden dürften.
     
  • Die materiellen Schäden werden auf “Milliarden Dollar” geschätzt (in Europa natürlich in EUR).
     
  • Die zum Schutz gern ins Feld geführten internationalen Abkommen werden von Geiger derart in den Keller geschrieben (S. 5), dass das entsprechende Geblubber der Politiker als gesundheitsgefährdende Quelle tödlich wirken würde. Den terminus technicus sollte man sich merken:
    “Kennzeichnend für die vertraglichen Mängel ist das Problem der sogenannten verwaisten radioaktiven Quellen.”
    - Seit 1996 sind in US-Firmen “fast 1.500 nukleare Quellen verschwunden ... während in den EU-Ländern jährlich 70 radioaktive Quellen abhanden kommen. Weiterhin gibt es in der EU rund 30.000 ungenutzte Quellen, die verstreut und ohne Aufsicht gelagert werden un daher den vorgeschriebenen Kontrollen - sofern vorhanden- zu entgleiten drohen.”

Wirklich spannend wird Geigers Arbeit mit zurückhaltenden Formulierungen aber erst unter dem Titel “Schutz und Gefahrenabwehr” (S. 7 f.). Sollte unser Innenminister Geigers Zähler lesen, droht Schily’sche radio-aktive “Verseuchung”:

  • “Es ist daher notwendig, Vorräte an wichtigen Hilfsgütern in ausreichenden Mengen anzulegen, wie dies in anderen Ländern, so etwa in den USA, im Zuge des Antiterror- und Zivilschutzes bereits geschieht.
    Im Vergleich zu anderen Ländern werden Schutz- und Vorratsmassnahmen zur Abwehr radiologischer Terrorgefahren in Deutschland anscheinend nur zögernd ergriffen.”
     
  • Als müsste Kafka noch getoppt werden, ist nach Geiger der Farbstoff Preußischblau geeignet, die Ablagerung von Thallium und Cäsium im Organismus zu verhindern; Kaliumiodid-Tabletten sollen auch helfen.
     
  • Dramaturgisch absolut korrekt setzt Gebhard Geiger den letzten Satz:
    “Dieses und weitere Beispiele - etwa das völlige Fehlen einer Forschung über die Bedrohungsrisiken oder häufig beklagte ‘Defizite’ der Katastrophenmedizin - zeigen, daß im Vergleich zu anderen Ländern die
    Sicherheitspolitik in Deutschland immer noch zögert, sich den Herausforderungen des nuklearen Terrorismus im vollen, technisch möglichen Umfang zu stellen.”

{Oh Preußischblau - verwaise nicht}

 

Irak-Lektionen: dramatisch?

1. Juli 2003

Wer sich für die militärischen Lektionen des Irak-Krieges interessiert, sollte den letzten Stand der Arbeit von Anthony Cordesman vom CSIS abladen; sie ist inzwischen auf 332 Seiten angewachsen:
http://www.csis.org/features/iraq_instantlessons.pdf

Noch offen ist die Frage, ob die Darstellung, die der stellvertretende U.S.-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz am 18. Juni 03 vor dem “House Armed Services Committee” zum Vergleich der Operationen des Golfkrieges 1991 und 2003 gegeben hat, so aufrechterhalten werden kann (S. 4, unten - “dramatic operational military sucess”):
http://www.defenselink.mil/speeches/2003/sp20030618-depsecdef0302.html

Denn zunächst ist festzustellen, dass das irakische Militär-Potential durch den Golfkrieg 1991 um zwei Drittel reduziert worden ist. Geht man von diesem “Rest” im Jahr 2003 aus, wie er in Cordesman’s Arbeit auf Seite 259 verzeichnet ist und vergleicht den Verlauf der Kampf-Handlungen, dann wird deutlich, dass selbst dieses “Drittel” nur zu einem deutlich reduzierten Grad zum Gefecht angetreten sein kann. Erst wenn nähere Angaben zu dem “order of battle” der irakischen Streitkräfte von seiten des U.S.-Militärs gegeben werden, wird man genauere Einschätzungen abgeben können.

{Dramatisches ist nicht mit Drama zu verwechseln]

 

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