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News II/2002

FDP-Fragen: gescharpt

26. Juni 2002

Am 27. Febr. 02 hat die FDP-Bundestagsfraktion 208 Einzelfragen zum Thema “Bundeswehr im neuen Jahrhundert” abgegeben - am 19. Juni gab das Kabinett die Bundestags-Drucksache 14/9501 (71 S.) mit den Antworten zur Weiterleitung an den Bundestag frei.

Dass man den Wortlaut im Archiv haben muss, zeigen nicht wenige detaillierte Angaben, allerdings nur zu Fragen, die für “Strategen” nicht ganz so prickelnd sind:

  • Über die Zahlen zum Attraktivitäts-Programm werden sich die Soldaten freuen; hoffentlich gibt es nicht zuviel Frust bei denen, die leer ausgegangen sind (Ziff. 22 ff.);
     
  • Zum Nachrechnen werden die durchschnittlichen, jährlichen Personal-Kosten genannt (Ziff. 30):
    - Grundwehrdienst-Leistende (W9): 11.600 EUR,
    - Freiwillig-Wehrdienst-Leistende (FWDL): 15.700 EUR,
    - Mannschaften/Soldaten auf Zeit (SAZ): 20.700 EUR,
    - Unteroffiziere/Feldwebel: 26.600 EUR,
    - Offiziere (Mil.Fachdienst): 40.800 EUR,
    - Offiziere (Truppendienst): 46.100 EUR;
    Leider hat die FDP vergessen, nach den Kosten für Beamte, Angestellte und Arbeiter zu fragen.
     
  • Ab Ziff. 31 wird interessantes zu Vergleichen mit den Bündnis-Armeen geboten;
     
  • Zum Thema Frauen ist zu dokumentieren (Ziff. 43):
    “Die hohe Leistungsbereitschaft, die Motivation und der Ehrgeiz haben bei den männlichen Kameraden leistungsanspronend gewirkt und zur Harmonisierung des Dienstbetriebes geführt”(!);
     
  • U. E. wird es erst wieder ab Ziffer 134 interessant:
    - Die Luftwaffe beziffert genau die Einsatz-Rollen;
    - in Ziff. 140 ist nachzulesen, dass 2001 nur 140 Flugstunden geflogen wurden, eindeutig zu wenig. Der BMVg hat nun entschieden, 180h/Jahr zu erreichen; “die schrittweise Umsetzung dieser Weisung hat begonnen.” (Wiedervorlage);
    - die Marine glänzt mit einer detaillierten Aufzeichnung der “Fahrtstunden” ab 1996 all ihrer Schiffstypen (Ziff. 146).
     
  • Ab Ziff. 159 beginnt der Eiertanz zum Thema Rüstung und Haushalt. Bis zur Ziff. 173 wird die reale Lage brav verscharpt. Wer angesichts des Datenwerks zur Rüstungsplanung das Parlament derart verschaukelt, ist sich der Unmöglichkeit der kurzfristigen Abstrafung sicher - wird aber (hoffentlich rechtzeitig) von der Wahrheit überholt.
     
  • Die Ziffern 178 bis 181 sind der “deutschen wehrtechnischen Industrie” gewidmet. Angesichts der tatsächlichen Lage auch pisa-verdächtig.
     
  • Experten werden sich freuen, konkrete Angaben über die Einsatzbereitschaft der Luftfahrzeuge von Heer, Luftwaffe und Marine zu erhalten.

Es wäre schon möglich, einen Ansatz zu konzipieren, der die Grosse Anfrage zu einem tauglichen Instrument der Aufklärung befördert. dazu würde aber z.B. gehören, dass man dem Dokument mit den Fragen und Antworten eine fachliche Kommentierung anhängt, die die gescharpten Antworten mit Daten und Fakten enthüllt. Insgesamt hilft nicht, immer wieder die (einzige) Beleg-Quelle der FAZ/So. mit Ex-Heeres-Inspekteur Willmann heranzuschleifen. Den Rest der dazugehörigen Vorschläge bieten wir ganz arrogant als Consulter an, in der “Stand Alone”-Rolle.

{Be- ist nicht immmer Verantwortung}

 

Fussball-Strategie: Beifall?

21. Juni 2002

Sorry, wir sind heute mal wieder faul, und im Fussball-Fieber. Dass wir hoffen und wünschen, dass die Deutschen die Amis von der Platte putzen, bedarf keiner Frage. Aber in der Kommentar-Flut des TV - dahinter stecken ja ungeheuer kluge Köpfe - ist eines doch recht nachfrage-bedürftig:

  • Alle deutschen TV-Kommentatoren gehen davon aus, dass die deutschen Kicker einen nicht zu unterschätzenden Vorteil dadurch haben, dass das (süd-) koreanische Publikum sehr parteiisch für die Krauts klatschen wird, weil die Süd-Koreaner sich an die Rolle der Amis erinnern, welche diese im Korea-Krieg gespielt haben.

Bisher haben wir ja gedacht, dass die geschichtlichen Daten nicht im Orwell’schen Sinne umgedichtet werden können. Zur eigenen Beruhigung haben wir noch einmal im “Auszug aus der Geschichte”, dem PLOETZ, nachgeschaut. Irgendwie können wir uns des Eindrucks nicht erwehren, dass die verdammten Amis den (Süd) Koreanern - nach dem “völlig überraschenden” Angriff nord-koreanischer Militärkräfte am 25. Juni 1950 - irgendwie ihr Hinterteil gerettet haben. Der drei-jährige Krieg soll die Amis rund 37.000 Tote und 103.000 Verwundete gekostet haben. Dazu wollen wir auch nicht aufrechnen, was die US-Bürger seitdem an Steuern für den US-Schutz Südkoreas aufgewendet haben. Danach müssten sich die Süd-Koreaner eigentlich für die US-Kicker die Hände mindestens hochdurchblutet klatschen.

Natürlich haben wir keine Ahnung, ob nun die Kommentartor-Deutschen die Klatsch-Motivation der Süd-Koreaner orwellsch oder richtig einschätzen. Weil wir manchmal in einem geradezu verliebten Ausdruck von unendlicher Macht-Demonstration verweilen mögen, empfehlen wir der US-Regierung den Abzug aller US-Truppen, falls die Süd-Koreaner gegen die US-Boys klatschen. Und die Krauts müssen den ganzen Kram übernehmen! Was die Italiener können, wird Bush doch toppen können.

Wir wünschen uns schon heute für die Fussball-WM in Deutschland 2006 die (fast) entscheidende Begegnung: USA : Russland. Dann sollen unsere russischen Freunde die verdammten Amis gnadenlos versenken und wir werden uns (für die Russen) die Hände blutig klatschen.

Nachdem wir aus unseren Allmachts-Träumen aufgewacht sind, empfehlen wir, den Ball flach zu halten. Natürlich sehen wir ein, dass die Amis nicht auch noch beim Fussball Führungsmacht werden, schon gar nicht gegen die Deutschen.

{Beifall gibts nur für die wirkliche Leistung als solche}

Nachtrag 25. Juni:

Natürlich haben die Süd-Koreaner nicht gegen die bösen Amis geklatscht. Leider bleibt uns nichts anderes übrig, den Fussball-Kommentatoren sicherheitspolitische Protuberanz zu entschuldigen.

 

ICC: inkompatibel

13. Juni 2002

SPIEGEL-Online hat die Geschichte so schön verpackt, dass sie Haupthema bei Harald Schmidt wurde: “US-Kongress droht Niederlanden mit Invasion”. Hintergrund ist die Problematik der Satzung des Internationalen Strafgerichtshofes (ICC), die die US-Regierung deshalb ablehnt, weil US-Militär-Angehörige nach einem bestimmten Szenar dort abgeurteilt werden könnten. Für diesen hypothetischen Fall hat ein niederländischer Diplomat Abgeordneten des US-Repräsentanten-Hauses die Ficiton von der US-Invasion zum “Joken” gegeben.

Nicht ganz so heftig trifft die Problematik allerdings auch auf Deutschland zu, genauer: deutsche Soldaten. Wir als Nicht-Juristen haben auch ein hübsches Szenar:

  • Erinnern wir uns an den Luftkrieg der NATO gegen Jugoslawien 1999. Es gab kein völkerrechtliches Mandat. Vor allem haben die Amis Bomben abgeworfen und es waren keineswegs alles nur militärische Ziele; der Anteil der Präzisions-Munition lag ungefähr bei 10 %. Es sollte nicht vergessen werden, dass es einige Anstrengungen gab, die NATO deswegen der Internationalen Gerichtsbarkeit zu unterwerfen. “Glücklicherweise” ist es ihr erspart geblieben.
     
  • Als nächstes nehmen wir uns die Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommen zum Kriegsvölkerrecht von 1977 zur Hand, Art. 35 ff. Es ist geradezu eine Fundgrube für Begründungen der Verurteilung. Dazu empfehlen wir das intensive Studium des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes; zunächst Art. 8 “Kriegsverbrechen” (speziell Abschnitt b), iv). Zur weiteren Ermunterung ist im Art. 28 interessantes zur “Verantwortlichkeit militärischer Befehlshaber und anderer Vorgesetzter” zu lesen. Noch spannender ist der Genuss des Art. 30 (Subjektive Tatbestandsmerkmale), vor allem Absatz 2, b) und Absatz 3.

Nun nehme man einen Krieg alá Kosovo, militärische Verantwortliche mit Art. 30 und den “Eisen”-Bomben der Bundes-Luftwaffe; und einen knackigen Richter, der schon immer dem Recht zur Macht verhelfen wollte. Das Strafmass geht bis zu 30 Jahren; klar ist, dass der Vertrags-Staat des ICC den eigenen Soldaten ausliefern muss. Die Gesellschaft wird das nicht sonderlich aufregen, vor allem wenn Fussball-Weltmeisterschaft ist.

Wenn aber verantwortliche Militärs sich der Problematik ernsthaft stellen, dann wird die Befehlsverweigerung zur permanenten Überlegens-Möglichkeit. Und positiv bedeutet alles, dass man ohne die entsprechende Bewaffnung (Führungsfähigkeit, Nachrichten-Gewinnung und Aufklärung, Präzisions-Munition) der Politischen Führung sagen muss: Nicht kriegsbereit, weil ICC-inkompatibel.

{Selten einen so intellektuellen Rückzug gesehen}

 

Ostsee-Unglück: Bericht

22. Mai 2002

Mit Datum vom 14. März 02 haben drei Offiziere der Königlich-Britischen und zwei der Deutschen Marine ihren als vertraulich eingestuften Ermittlungsbericht (34 S.) den Vorgesetzten vorgelegt, “zu den Umständen im Zusammenhang mit dem fatalen Seeschiffsunglück .., das sich am 6. März 2002 neben der HMS CUMBERLAND ereignete.”

Während der NATO-Übung STRONG RESOLVE befand sich die HMS CUMBERLAND (CUMB) in “enger Begleitung” von HMS EDINBURG (EDIN) und FGS MECKLENBURG-VORPOMMERN (MECK) in der Ostsee. Wegen noch schlechterer Wetter-Erwartung wurde der Rücktransport der drei deutschen Soldaten Unteroffizier Paul, Unteroffizier Nieschwitz und Matrose Scheffelmeier von 16.30 auf 14.45 Uhr vorverlegt. Die Wetterbedingungen zu dieser Zeit:
- Wind: aus südwestlicher Richtung, 30 - 35 Knoten (Windstärke 7)
- Zustand der See: 4-5
- Lufttemperatur: 4,5 o C
- Wassertemperatur: 3 o C
- Dünung: 2 Meter, hauptsächlich aus südwestlicher Richtung.

Nachdem Steuermann Ireson mit der Bugfrau, Obermatrosin Sharp, mit einem “Pacific 22-Rettungsboot” eine Fahrt mit Ladung zur EDIN durchgeführt hatten, fuhren sie um 14.49 Uhr an der Passagier-Transfer-Station längsseits des backbordseitigen Achterdecks der CUMB, um die drei deutschen Seemänner zur MECK zu bringen.

Um 14.51 Uhr, die Passagiere hatten ihren Platz eingenommen, geschah das Unglück: Das Heck der Pacific 22 wurde durch eine Welle stark angehoben - der Bug ging rasch nach unten und es drang Wasser ein. Das Boot kenterte, und alle fünf Insassen wurde abseits des Hecks ins Wasser geworfen.

Obermatrose Ireson war unter dem Bootsrumpf gefangen, liess Luft aus seiner Schwimmweste, konnte hervorschwimmen und kletterte auf den umgekippten Bootsrumpf; nach 30 Minuten wurde er gerettet.

Die drei Deutschen trieben in einer Gruppe. Der inzwischen von der CUMB eingesetzte Rettungschwimmer Godfrey erkannte die Rettungspriorität für sie. Unteroffizier Paul konnte er trotz aller Massnahmen nicht helfen. Sein Kopf befand sich “ungefähr zehn Zoll unter der Wasseroberfläche” (er ist vermutlich von der Schwimmweste unter Wasser gedrückt worden - d. Verf.); alle Wiederbelebungsversuche waren vergeblich.

Es war inzwischen 15.07 Uhr - die Verunglückten waren 16 Minuten im Wasser. Bootsfrau Sharp hatte inzwischen die Seemänner Nieschwitz und Scheffelmeier erreicht; beide waren bei Bewusstsein. Eines der von der CUMB heruntergelassenen Hebeseile konnte Frau Sharp fassen “und forderte Nieschwitz auf, zusammen mit ihr daran festzuhalten. Besatzungsmitglieder auf dem Oberdeck könnten dies gesehen und angenommen haben, daß auch Scheffelmeier ein Seil ergriffen hatte, was in Wirklichkeit nicht der Fall war. Während das Schiff in der Dünung schlingerte, wurde die Gruppe gegen die Schiffsseite gedrückt. Daher hielten Sharp und Nieschwitz ihre Füsse gegen die Schiffsseite, um mit den Wellen daran ‘auf- und abzulaufen’. Als sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Scheffelmeier richtete, fiel Sharp auf, daß er sich von der Gruppe entfernt hatte und nun unter dem Leuchtfeuer des Steuerbordbugs nach vorne trieb; es ist nicht klar, ob dies von irgendjemand auf dem Oberdeck bemerkt wurde. Von der Gruppe getrennt und ohne ein Seil, trieb Scheffelmeier rasch um den Bug herum windaufwärts von der CUMB. Die Entfernung begann sich rasch zu vergrössern, da das Schiff weiter mit dem Wind trieb. Besatzungsmitglieder auf dem Backbord-Brückenflügel sahen ihn endlich, aber der Verunglückte war nun ein gutes Stück windaufwärts von der CUMB.”
An anderer Stelle des Berichts heisst es: “
“Er wurde sogar noch dabei gesehen, wie er rief und winkte, als er ungefähr 20 Minuten nach dem Eintauchen erstmals abseits des Backbordbugs gesichtet wurde. Wäre er in diesem Zustand geborgen worden, ist es wahrscheinlich, daß er überlebt hätte.”

Um 15.20 Uhr wurden Nieschwitz und Sharp geborgen; Nieschwitz zeigte alle Symptome von Unterkühlung.

Um 15.15 Uhr tauchte der Merlin-Hubschrauber der LANC auf; er hatte sich zum Zeitpunkt des Unfalls zu einer taktischen Übung in der Luft befunden, 40 nm vom Unfallort. Die Besatzung bot Hilfeleistung an und wurde beordert. Er erreichte Scheffelmeier 26 oder 27 Minuten nach dem Zeitpunkt des Unglücks. Scheffelmeier zeigte keine Lebenszeichen mehr.

Der Ermittlungsbericht beschreibt die Hergänge sehr genau - und er listet eine ellenlange Kette von Schlussfolgerungen und Empfehlungen auf.

  • Wegen Abwesenheit des Kommandeurs führte der 1. Offizier der CUMB die Operation. Neben nicht unerheblichen Führungs-Unsicherheiten werden seemänische Punkte kritisiert. Der folgende Umstand ist einer der schwerwiegendsten:
    “Landbasierte SAR-Einsatzmittel wurden von keinem Schiff aus kontaktiert. Dies war ein unglücklicher Umstand, denn wie jetzt bekanntgeworden ist, war ein SAR Seaking der Deutschen Marine zu einem routinemässigen Trainingsflug etwa 15 Minuten südlich von der Gruppe unterwegs und hätte Hilfe leisten können. Traurigerweise wurde er über das Unglück nicht informiert.”
     
  • Auf der CUMB funktionierte das “System zur automatischen Freisetzung von Rettungsbojen” an drei Stellen nicht und die vierte setzte die Boje fehlerhaft.
     
  • Auf der MECK war das Schnellboot auf der Backbordseite “wegen eines defekten Kranes längere Zeit ausser Betrieb gewesen”. An anderer Stelle heisst es: “... dass sein erstes Boot wegen eines schon lange bekannten Mangels der Davits nicht verfügbar war”.
     
  • Der wohl schwerwiegendste Punkt ist die mangelnde Bekleidung der Seemänner der Deutschen Marine. Dies wird durch den Bericht eindeutig belegt. Hätten die Deutschen die gleiche Schutzbekleidung wie ihre englischen Kameraden getragen, hätten die Todesfälle vermieden werden können. Es ist nur zu hoffen, dass die entsprechenden Verantwortlichen rasch und durchgreifend handeln und dies auch öffentlich darlegen.

Ein Kapitel für sich sind die Presse-Berichte und die Texte verschiedener Verantwortlicher in den Beileids-Briefen an die Eltern der Unglücksopfer. Zumindest bei Samuel Scheffelmeier kann niemand behaupten, er habe seine Rettungsweste nicht richtig angelegt. Weder der Verteidigungsminister noch der Generalinspekteur verwenden in ihren Beileidsbekundungen die Formel, dass sie den Vorgang genauestens untersuchen lassen werden und umgehend alle notwendigen Konsequenzen ziehen werden.

Unfassbar und unglaublich formuliert aber der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Dr. Willfried Penner:
“Ihr Sohn Samuel hat erfahren müssen, dass auch Manöver sehr gefährlich sein können. Er ist bei der Teilnahme daran ums Leben gekommen.”

{Abtreten}

 

KnowMail: Unerheblich?

21. Mai 2002

Wir haben eine Top-Know-Mail bekommen von einem GP-Fan:

“ISAF Kontingent-Wechsel Juni/Juli 2002: Leitverband 1. Div. (Hannover).

Marineverband am Horn von Afrika: Planungen sprechen von einer Einsatzdauer von ca. 2 Jahren. Oktober 2002 soll anderes NATO-Land die Führung dort übernehmen.

Zahlreiche Eingaben an Wehrbeauftragten aus den Einsatzkontingenten:
Fehlende Heißwetter-Bekleidung, Hygieneprobleme; Fürsorge der Vorgesetzten
(dreschen bei Problemen nur Phrasen, nicht von Substanz gestützt), zu geringer Auslandsverwendungszuschlag, Alltägliches.

Einsatz der Spezialkräfte (Medienecho) sorgt für Aufregung; es liegt aber viel Desinformation vor.

KEINE Gedankenspiele über Nahost-Mission auf operativen Ebenen.”

Dafür, dass der US-Verteidigungsminister praktisch jeden Tag eine Pressekonferenz zum Einsatz von US-Truppen gibt (geben muss), und der deutsche Verteidigungsminister monatelang hinter vorgeblichem Geheimschutz schweigt, wünschen wir uns ein paar Takte mehr über den Einsatz “unserer Jungs”. Es ist schon erstaunlich, wie sehr diese Nation interessiert, wer und wie für sie die Knochen hinhällt.

{Das “öffentliche Interesse” ist heutzutage wirklich unerheblich}

 

DIE ZEIT: Proll-Litzer-Preis

17. Mai 2002

Zu dem bevorstehenden Bush-Besuch hat sich das als Intellektuellen-Flaggschiff geltende Print-Medium “DIE ZEIT” die prima Idee einfallen lassen, “Intellektuelle und Künstler” zu bitten, einen Offenen Brief an den US-Präsidenten schreiben zu lassen. 10 Autoren kommen im Feuilleton der Ausgabe 21/2002 vom 17. Mai zu Wort; im Vorspann heisst es: “Klare Worte haben sie jedoch alle gefunden”:

  • Maxim Biller
    sagt erstmal, dass der Präsident (“der meistgehasste Politiker auf der Welt”) ihm leid tut. Warum lautet die Überschrift “Sie sind der Mann, auf den die Feinde Amerikas gewartet haben”? Weil Bush’s Vater, Ronald Reagan und der Bush-Junior “im Weltbild der Nicht-Amerikaner” ... “amerikanischen Chauvinismus anbieten”, in dessen “Lücken” “Berlusconi, Le Pen, Jörg Haider oder der bisher noch nicht politisch aktive Harald Schmidt stoßen.”
    Immerhin findet Herr Biller für Amerika selbst ein paar nette Worte: “Lieber von den Amerikanern besetzt als von den Russen befreit!”
     
  • Ernst Tugendhat
    titelt: “Brauchen die USA ein Feindbild, brauchen sie Krieg?” Tugendhat plädiert für “Universalismus”, der verkürzt besagt: “Auch die anderen sind Menschen”. Bush hingegen “steht für eine extreme Verschärfung der partikularistisch-nationalistischen Tradition der Amerikaner, ähnlich wie Sharon in der Tradition der Juden.”
     
  • Sybille Berg
    teilt Bush erst einmal mit, “dass Hitler nicht mehr Deutschlands Staatsoberhaupt ist” und blödelt noch mit Leni Riefenstahl und Marika Rökk. Irgendwan kommen dann obstruse Empfehlungen, zu regieren, wie man “eine Schulklasse” unterrichtet und Kinder sind “die kleinen Arschgesichter”. Nach den Menschen als “dumme Rasse” kommt dann die “Einrichtung freiwilliger Einschläferungsanstalten”. Frau Berg sendet dann auch Grüsse an die “Gattin und Monica Lewinsky” und fügt als Postskriptum ein Gedicht an, das sie als “nett” einstuft - aber grottenblöd ist.
     
  • Matthias Altenburg
    reiht grob 100 US-Namen und -Begriffe hintereinander und beklagt, dass
    “seine Landsleute entweder ‘Amis raus’ fordern oder sich den Simulationen der Popkultur zu Füssen werfen. Nein, Herr Präsident, wir haben uns nichts zu sagen.”
     
  • Josef Bierbichler
    treibt es ganz “künstlerisch”. Zum Schluss heisst es:
    “Aber die Zeit verwandelt sich immer in sich selbst. Ja. Wie das Geld. Oder wie Faschismus sich in Zivilisation verwandelt und umgekehrt - oder eben Hitler in Bush. Das ist banal. Entschuldigung. Warum? Wegen banal, Entschuldigung, dass die Zeit banal ist.”
     
  • Christoph Schlingensief
    meint erstmal: “Erfurt und die Angst vor neuen Anschlägen. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass du dahinter steckst.” Zum Schluss heisst es:
    “Du bist viel zu uninteressant als offene Rechnung, obwohl auch ich mit dem Gedanken gespielt habe, Dich bei unserem nächsten Treffen ganz einfach in die Luft zu sprengen. Aber ich glaube, es würde nur langweilen.”
     
  • Herbert Achternbusch
    macht es kurz: “Arme Amerikaner”. Zum Schluss schweinigelt er noch ganz erbärmlich.
     
  • Slavoj Zizek
    zeigt über 1,5 Seiten, welch gewaltige Ahnung er von Sicherheitspolitik hat:
    “Nicht der Widerstand der Dritten Welt gegen den amerikanischen Imperialismus, sondern nur das vereinigte Europa kann gegen die Weltmächte USA und China bestehen. Die Linke sollte sich deshalb das Schlagwort vom vereinten Europa als Gegenkraft zum amerikanischen Globalismus unerschrocken zu Eigen machen.”
     
  • Feridun Zaimoglu
    weiss auch ganz genau bescheid:
    “Das Böse ist ansteckend, und Sie höchstpersönlich - ein Texaner alter Schule - haben sich vom Tage Ihres Dienstantritts an zum Super Desinfector aufgeworfen. Die Feindmarkierung gelang Ihnen zur profitbildenen Maßnahme, und GOTT - Amerikas Erster Staatsbürger - hielt Seine Hand über Ihr Haupt.”
     
  • Gert Voss
    ist mit den Lesern gnädigt, denn in seinem 6-Zeiler empfiehlt er nur, “an die CIA oder die maßgeblichen Konzerne (zu) schreiben.”

Sicher ist, dass sich ein Kommentar angesichts derartiger “künstlerischer” und “íntellektueller” “Leistungen” erübrigt. Aber an “DIE ZEIT” verbleiben doch Fragen:

  • Hat “DIE ZEIT” tatsächlich die in Deutschland mehr oder weniger “führenden” Künstler und Intellektuellen zu Wort gebeten, so dass man von einer “repräsentativen” Auswahl ausgehen kann? (Leider sind wir zu blöd, dies selbst einschätzen zu können)
     
  • Oder hat irgend jemand an der Geschichte ganz heftig “gedreht”?

Dabei ist uns eine grandiose Idee gekommen:

  1. Wir berufen uns auf das “Super-Maximum” der Meinungsfreiheit nach der Auslegung des Bundesverfassungsgerichts in Sachen “Mörder-Urteil” hinsichtlich Soldaten.
     
  2. Wir ernennen uns selbst als “Intellektuelle” und “Künstler”.
     
  3. Wir dementieren scheinheiligst auf das Heftigste, dass wir nach der “Quote” schielen und “inszenieren” das ganz “legitim”.
     
  4. Nehmen für uns das Höchstmass an Chuzpe in Anspruch, welches “DIE ZEIT” vorgelegt hat.
     
  5. Hoffen auf Gnade vor Gericht wie die Demonstranten, die die ZEIT gelesen haben.
     
  6. Gestehen ein, dass wir von der Materie nicht die geringste Ahnung haben -
     
  7. und verleihen dem STÜRMER neuer ZEITen den Proll-Litzer-Preis.

Sollten wir verknackt werden, freuen wir uns auf Ihren Besuch. Dann werden wir endlich auch Ihnen unsere ganz besondere intellektuelle und künstlerische Verschwörungs-Theorie verklickern können.

{Sun Tsu sagt: “Denke weit über alles hinaus”}

 

Kabinett: Scharping-Bericht

16. Mai 2002

Stellen Sie sich vor, Sie wären gestresster Minister im Bundeskabinett. Zu Beginn der Sitzung hieven Sie eine ca. 30 cm dicke Wiedervorlage-Mappe auf den Tisch, in der sich auch eine 13-seitige Vorlage des gelobten Kollegen Scharping befindet: “Information zum Stand der Neuausrichtung der Bundeswehr”. Wir wissen nicht ganz genau, ob dieser Regenwald-Killer tatsächlich am 15. Mai auf dem Kabinettstisch lag, aber wir haben ihn.

Keine Sorge, es ist ein Non-Paper. Wer mit diesem Sachstand auf eine Wahlveranstaltung geht, wird garantiert ausgepfiffen. Zu recht wird man nicht danach gefragt, welch ein “Gebirge von Taten” (Objekt-Verpacker Christo) man hinter sich hat, sondern welche Konzepte für Herausforderungen (Probleme) vorliegen. Und was den meisten Papier-Vorlegern abgeht, ist die Tatsache, dass man allerhöchstens Zeit für knackige Problem-Papiere hat und Selbst-Beweihräucherungen ins Recycling wandern. Unvergessen ist der richtige Ausspruch des ansonsten aus eigener Erfahrung eher “problematischen” Ex-Verteidigungsministers Hans Apel, der anlässlich des “Tornado”-Untersuchungs-Ausschusses meinte, er lese keine Vorlage mit einer Länge von mehr als einer (DIN-A-4-Seite); den Rest packt man in die “Anlagen”.

  • 3,5 Seiten Text mit
    “1. Ausgangslage 1998”: geschenkt
    “2. Anforderungen an die Bundeswehr”: Einziger zitat-reifer Satz: “Die Angehörigen der Bundeswehr haben sich durch ihre hohe Professionalität in internationalen Friedensmissionen in besonderer Weise bewährt und erfreuen sich zu Recht hoher internationler Anerkennung.”
    “3. Ziele der Neuausrichtung der Bundeswehr”: durchgehend bekannt (und geschönt).
    “4. Fortschreibung des Reformprozesses”: Zu dem Problem-Zentrum heisst es:
    “Kontinuierliche Verbesserung der materiellen Ausstattung mit dem Ziel, den Modernisierungsprozess unter Berücksichtigung der begrenzten finanziellen Mittel fähigkeitsorientiert und strukturoptimiert voranzutreiben.”

    Im letzten Absatz werden noch einmal die “Menschen” in der Bundeswehr gelobt:
    Sie haben die “Herausforderung angenommen”, “vertrauen auf die zukunftsweisenden konzeptionellen Grundlagen der Reform und bringen sich mit hohem persönlichen Engagement ein”, folgt noch einmal “Dank und Anerkennung”.”
    Der letzte Satz ist ein Mix von Selbstkasteiung und Hilferuf, der in seinem Kern nicht nur verhallt, sondern programmiert selbstzerstörerisch ist:
    “Um diesen (Einsatz) auch weiterhin leisten zu können, sind sie angesichts der Dimensionen der laufenden Reform in besonderm Maße auf den Rückhalt der politisch Verantwortlichen angewiesen.”
     
  • Dann folgen 10 Seiten “Anlagen”, die in tabellarischer Dreiteilung die “Beschlusslage” (Zitate aus einer nicht genannten Quelle, aber passend für Sebstbekränzung), “Eingeleitete Maßnahmen” und “Hinweis/Bezug” ordnen. Sicher eine gute und hilfreiche Fleiss-Arbeit, vor allem mit Zeit-Daten und neuem. Wer weiss schon, dass es z.B. “192 neue Planstellen A 13 für Stabshauptleute” gibt oder “1.417 zusätzliche Planstellen für Unteroffiziere mit Portepee”.
    Oder dass “Reservistenkonzeption liegt im Entwurf vor” in Wirklichkeit bedeutet, dass selbige ein Rohrkrepierer sondergleichen ist.

    Ab Anlagen-S. 7 gehts zum Thema “Material, Ausrüstung und Fähigkeiten der Streitkräfte”:
    - Ohne Frage gibt ein paar Beschaffungsbeschlüsse, die man Unkundigen als Mords-Leistung auf die Nase binden kann, wie z. B. A400M, SAR-Lupe, SOSTAR - oder TAURUS, auf das die Tornados seit mindestens 10 Jahren vertröstet werden.
    - Die Ägypter wird man schön verschaukeln mit 5 Schnellbooten der Klasse 148, es sei denn man baut erst einmal dicke Klima-Anlagen in die kalten Ostsee-Renner.
    - Wenn die türkischen Regierungs-Offiziellen lesen, dass die Griechen mit einem “Kaufinteresse” an 123 Kampfpanzern Leo 2 A4 und 225 Leo 1 A5 gelistet sind, kippen sie ab.

    Wenn es zum “High Noon” kommt, wird die Uhr zurückgestellt: bei den Finanzen. Erst ist die Rede von einer “dauerhaften finanzielle(n) Anstrengung über Jahre hinaus”. Dann kommt die Biege: “Inhaltlich ist dieses Ziel zum Teil (!) durch die gegenseitige Deckungsfähigkeit in den grossen Ausgabebereichen erreicht”.
    Im nächsten Kästchen ist alles noch viel netter formuliert:
    “Mit dem Bundesminister der Finanzen sind Regelungen getroffen, die einerseits der Konsolidierung der Staatsfinanzen Rechnung tragen, andererseits der Bundeswehr dauerhaft zusätzliche Investitionsspielräume eröffnen und damit die Ausrüstung der Streitkräfte nachhaltig verbessern werden.”
    Wir bewundern schlicht die kabarettsreife Schönschreibe angesichts der nackten Zahlen, die die Beschaffungsliste der
    “Wesentlichen Gross-Vorhaben” (und deren Eigentümlichkeit: welche Vorhaben sind beschlossen, unabweisbar, und vor allem, welche fehlen noch) zeigt. Hätte VM Scharping den Mut besessen, diese Liste auf den Kabinettstisch zu legen, wäre ihm die “Aufmerksamkeit” seiner Kollegen sicher gewesen.
     
  • Auf Anlagen-Seite 10 wird das Hohelied zum Thema “Wirtschaftlichkeit, Effizienz und modernes Management” gesungen:
    - Gemäss der sozialistischen Tonnen-Ideologie hat man “bisher 621 Vertragspartner” in Sachen “Kooperation mit der Wirtschaft”. Und eine Mordslatte von sonstigen Erfolgen, die jede für sich eine eigene Wirklichkeit darstellt.

    Was uns aber in diesem Zusammenhang interessiert ist die Frage, die bei der Finanzverwaltung im Clement’schen NRW schmort, denn die GEBB will ihr “Flotten-Management” (LKW-Fuhrpark) im heimeligen Düsseldorf plazieren. Mittelpunkt des Streits ist die preistreibende Frage, wie man es mit der nicht unerheblich zu Buche schlagenden Mehrwert-(Umsatz-)Steuerfrage hält. Eigentlich ist die Sache einfach. Falls es einen entsprechenden Präzedenzfall gibt, verfährt man nach demselben. Falls nicht, gilt es, erheblich “Smoothness” zu entwickeln, um die Kuh von der Wiese zu lotsen.

Zugestanden, es macht richtig Spass, Kabinettsvorlagen zu lesen - aber nur, wenn man nicht alle Buchstaben in der Marketing-Birne hat.

{Der verteidigungspolitischen Relativitätstheorie fehlt nicht die Masse}

 

Op-ed: Nachjustieren

15. Mai 2002

Erlauben Sie uns dieser Tage ein Op(inion)-ed(itorial); gönnen Sie sich das “Vergnügen”, Unmassgebliches zu konsumieren:

  • Im Vergleich zu SALT I + II, START und wie die Kürzel aus alten Tagen der “Rüstungskontrolle” auch heissen, hat die US-Regierung mit der Einigung hinsichtlich der Reduzierung der Zahl der Nuklear-Sprengköpfe um rund zwei Drittel mit der russischen Regierung einen Achtungserfolg hingelegt, der nicht von schlechten Eltern ist.
     
  • In Reykjavik haben die NATO-Aussenminister den Eye-Catcher “NATO zu 20” hingelegt. Wer auf TV gesehen hat, wie Ivanov und Powell sich in die Arme geworfen haben, dürfte an die “Essenz der Chemie” in der Aussenpolitik erinnert worden sein. Dies heisst natürlich noch lange nicht, dass die alten Eisenfresser glauben, dass Russland nicht doch wieder eine Bedrohung für Europa wird, nach der hessischen Lebensweisheit: “Ma wäses nich”.  Historisch ist das allemal - man wird die strategische Landkarte neumalen müssen - bis in Detail.
     
  • Dass Ex-US-Präsident James Earl Carter einen historischen Kuba-Besuch abgefackelt hat, werden wohl nur CNN + BBC-Glotzer mitbekommen haben. Beeindruckend für uns war die kommunikative Leistung von Jimmy, die er mit seiner in Kubas TV übertragenenen Rede incl. Diskussion geleistet hat.
     
  • Der Sicherheitsrat der UN hat einstimmig ein neues Sanktions-Regime für den Irak verabschiedet. Man wird sehen, wie sich der Propaganda-Krieg weiterentwickelt. Wir haben in der Vergangenheit jede Menge Medien-Berichte gelesen, die das Elend der Bevölkerung im Irak nicht der Regierung, sondern insbesondere den USA anlasten. Auf diesem Wege gratulieren wir Saddams PR-Experten. Gleichzeitig beglückwünschen wir die Zeitgenossen, die in dem von Saddam Hussein verkündeten Öl-Produktions-Stopp für die Unterstützung der “palästinensischen Sache” nichts anderes sehen als den spätestens seit Nasser verzweifelten Versuch aller arabischen Herrscher, sich zum Führer aller arabischen Nationen aufzuschwingen.
     
  • Ausserdem hatten wir das “Vergnügen”, Herrn Netanjahu auf dem Parteitag des Likud-Blockes via TV zu studieren. Nach der historischen Entscheidung, keinen Palästineser-Staat anerkennen zu wollen, trommelte der Nicht-Staatsmann einfältigst der Marschmusik nach.
     
  • Dankend haben wir den Nachhilfe-Unterricht in Sachen “Wirklichkeit Palästina” zur Kenntnis genommen, den SPIEGEL-Online mit seinem Bericht “Blutiger Machkampf unter den Palästinensern” (14.5.) gegeben hat.  Vielleicht kommt der eine oder andere Verführte zu Grips, seine “Führer” mit etwas Abstand zu sehen.

Die “Schöne Neue Welt” hat noch keiner beschrieben, in der jeder super-idiotische Verschwörungs-Theoretiker seine Welt herbeibomben darf, und seinem narzistischen Grössenwahn noch intellektueller Nachruf von anti-manichäischen Nietzsche-Epigonen gezollt wird.

{Es wird Zeit für neuen Raum}

Nachtrag: Sierra Leone

16. Mai 2002

Very sorry, wir haben gestern eine wichtige Geschichte vergessen: Sierra Leone. Wahrscheinlich hat kein deutscher Nachrichtensender darüber berichtet, wohl aber CNN und BBC: Im von der Welt fast vergessenen Afrika, in Sierra Leone, haben Wahlen stattgefunden. Nicht direkt diesen Punkt meinen wir, sondern:

  • Nach unserer schwachen Erinnerung hat in Sierra Leone so etwas wie ein Bürgerkrieg stattgefunden. Daraufhin hat die britische Regierung sich entschlossen, ihr Militär einzusetzen. Wir wissen nicht wieviel, wie lange, und zu welchen Kosten.

Verzeihen Sie bitte die hybride Selbstüberschätzung, aber wir möchten den britischen Soldaten danken, dass sie ihr Leben hingehalten haben; der britischen Regierung sollte man doch einigen Dank abstatten. Und für Sierra Leone wünschen wir das Beste.

 

BWB-Chef: VM-Abschuss

6. Mai 2002

Nach unserer schwachen Erinnerung kann der Verteidigungsminister jeden Dienstgrad ab B6 in den Ruhestand schicken. Dieses probate Mittel haben Minister des öfteren eingesetzt, um widerspenstige oder vermeintliche Gegner auszuschalten; legal ist es allemal. Um die missliebige Öffentlichkeits-Wirksamkeit solcher Massnahmen zu umgehen, hat sich VM Scharping eine trickreiche Version einfallen lassen:

  • Detlev Petry, Chef des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) in Koblenz, der grössten Bundesbehörde überhaupt, und mit der Besoldung B9 gekränzt, ist das Ziel.

Natürlich ist Petry als BWB-Chef Macht-Faktor im Gerangel um die Privatisierung derselben, programmiert auf eine Gegnerschaft zur Wundergesellschaft GEBB. Fraglich ist allerdings, wo die Grenze zwischen Machtkampf und Hinweis auf Sachlichkeit verläuft. Installiert zu CDU-Zeiten, gilt Petry als hinreichend sachlich und scheint genüsslich auf den Kernpunkt der Übernahme von Industrie-Arbeit hinzuweisen: sie muss wirtschaftlicher als von der Bundeswehr erledigt werden. Dem Minister (und seinem derzeitigen Souffleur Dr. Stützle) scheint es nun zu arg geworden zu sein:

  • Am Montag-Abend, den 29. 4., knisterte aus dem Petry-Fax die Minister-Anweisung an den Widerspenstigen, sich nach dem dienstfreien “Tag der Arbeit” (2.5.) als neuer Leiter der “Rechnungsstelle” des BMVg am Dienstsitz in Bonn zur Arbeitsaufnahme zu melden.einzufinden.
     
  • Petry soll am 30. 4. zum Gericht geeilt sein, welches ihm irgendwie rechtgegeben hat (die liebe “Rhein-Zeittung” muss wohl immer gut informiert gewesen sein).

Wie die Geschichte auch immer ausgehen mag: Sicher ist, dass diese Art von “Personalführung” jeder Integrität spottet. Zumal, wenn Verteidigungsminister Scharping inzwischen eine neue Marschzahl hinsichtlich der bisher von ihm hochgelobten “Partnerschaft” zwischen Bundeswehr und Industrie ausgegeben hat.

Auf der für ihn veranstalteten “Mini-Kommandeur-Tagung” am 2. Mai im Kloster Seon (nahe Chiemsee) war ein Punkt schlagzeilenwert:

  • Scharping ging vor den Generalen/Admiralen (ab 2 Sterne/Kolbenringe aufwärts) die Industrie frontal an: Sie verspreche 150 % Leistung für die Hälfte der Kosten, um danach 30 % der Leistung bei gleichen bisherigen Kosten realisieren zu wollen. Unausgesprochen meinte er damit natürlich das “Herkules”-Angebot der Deutschen Telekom.

Übereinstimmend wird berichtet, dass Scharping sich bei den 2+-Granden geschickt “verkauft” hat. Alles erschien sachlich, nicht konfrontativ; keiner hat eine “Watschen” bekommen. Schlimmer noch: bis zum Juli will der Minister acht Regional-Konferenzen mit Kommandeuren (in “Silber”) abhalten, um auf der Welle zu reiten: “Tragt die gute Botschaft nach aussen!”. Was in den Köpfen der frontal Beschallten vorgegangen ist, bleibt Stoff für Spekulationen:

  • Haben Sie “geschwiegen”, weil sie das Wahlergebnis am 22. Sept. abwarten?
     
  • Wollten sie die “Darstellung der einen Seite der Medaille” nicht mit “Petry”-Mannövern zu eigenem Ungunsten zum ungeeigneten Zeitpunkt kaprizieren?

Indiz für diesbezügliche Schwingungen ist das Urteil eines Teilnehmers: “Das Beste, was man von der Tagung sagen kann: sie war verzichtbar.”

{Verzicht war und bleibt eine Tugend}

Nachtrag: 15. Mai 2002

Am 13. Mai hat es anlässlich der Gründungsfeier für das IT-Amt in Koblenz eine nette “body-language”-Demo gegeben. Als der als “Drahzieher” des Petry-Abschusses eingestufte Rüstungs-Staatssekretär Dr. Stützle sich in Richtung des Standortes von Detlev Petry bewegte, stellten sich eine Reihe von BWB-Mitarbeitern demonstrativ vor ihren Boss.

Sts Dr. Stützle muss nun den gesamten Anlauf zum Abschuss von Petry von vorn beginnen, denn das Gericht hat ihm Formfehler bescheinigt.

Von Verteidigungsminister Scharping wird berichtet, er habe seine Staatssekretäre Stützle und Biederbick wegen der Petry-Geschichte “zusammengefaltet” und ein wenig getobt. Die Betroffenen hatten dabei nicht den Mut, Scharping daran zu erinnern, dass er der Verantwortliche ist.

 

D-Wissenschaft: affektive Enthemmung

3. Mai 2002

Im Februar 2002 hatten 60 US-Wissenschaftler ein Manifest veröffentlicht, welches sich sehr grundsätzlich mit den derzeitig diskutierten Fragen der Sicherheitspolitik auseinandersetzt:
http://usinfo.state.gov/regional/nea/sasia/text/0214trsm.htm

Jetzt haben 90 deutsche Wissenschaftler, Künstler und Publizisten auf das US-Manifest “Gerechter Krieg gegen den Terror” mit vier Seiten geantwortet:
http://www.propositionsonline.com

Natürlich sind die 90 nicht “die” deutsche Wissenschaft, Kunst oder Publizistik; die Namensliste erinnert uns eher an die entsprechenden Aufrufe aus den Zeiten des NATO-Doppelbeschlusses. Das Dokument darf man wohl als zurückhaltende Beschreibung der Links-Intellektuellen zum Thema einstufen. Uns sind die folgenden Passagen notizwürdig::

  • “Es gibt keine universal gültigen Werte, die es erlauben, einen Massenmord mit einem weiteren Massenmord zu rechtfertigen ... Demokratische Staaten verfügen über hinreichend entwickelte rechtsstaatliche Mittel, um Verbrechen innerhalb ihres Einflussbereiches zu bekämpfen und um Schuldige zur Rechenschaft zu ziehen. Es gilt, diese erprobten Mittel in enger Zusammenarbeit mit anderen Staaten global zu erweitern.”
     
  • “Die Vereinigten Staaten konzentrieren vielmehr ihre Phantasie, sowie ihre wissenschaftlich-technischen und ökonomischen Kapazitäten darauf, ihre Position als die einzig verbliebene Supermacht in der Welt zu festigen und eine unipolare Weltordnung zu etablieren.”
     
  • “... stimmen wir alle darin weitestgehend überein, dass die Konzentration von ungeheuren Machtpotentialen in einem einzigen Land der Welt und die militärische Fähigkeit, anderen den eigenen Willen aufzwingen zu können, eine wichtige Quelle der Instabilität von grenz- und kulturüberschreitenden Beziehungen ist. Sie ist auch eine Quelle des Ohnmachtsgefühls und der Demütigung vor allem für jene Menschen geworden, die sich als Opfer dieser Machtungleichheit empfinden ...
    Die als ungerecht wahrgenommene eigene Unterlegenheit ruft affektive Enthemmungen hervor und mobilisiert ein ungeheueres Reaktionspotential bis zur Bereitschaft, auch das eigene Leben durch Selbstmordattentate zu opfern.”
     
  • “Fundamentalistische Reaktionen auf reale Konflikte unserer Welt verschließen unsere Augen vor zivilen und gewaltfreien Lösungen dieser Konflikte und setzten die Eskalation zwischen Terrorismus und Krieg erst recht in Gang.”
     
  • “Zur Bekämpfung der terroristischen Selbstmordattentate gibt es sicherlich verschiedene Wege. Unsere Meinungen gehen darüber auseinander. Wir alle sind jedoch zutiefst davon überzeugt, dass die Achtung der Menschenwürde eine Grundvoraussetzung für alle Lösungswege darstellt.”
     
  • “Wir brauchen moralisch begründete, weltweit akzeptable und allseits geachtete gemeinsame Spielregeln im Zusammenleben der Menschen, welche die Kooperation anstelle von Konfrontation in den Vordergrund rücken ...”

Bemerkungen:

  1. Bemerkenswert ist, dass “die 90” anfangs zur Terroristen-Bekämpfung empfehlen, die innerstaatliche “Verbrechens-Bekämpfung” als “erprobtes Mittel” schlicht “global zu erweitern”. Später geben sie ehrlich zu, dass ihre Meinungen über die Bekämpfung des Terrors “auseinander” gehen und dass die “Achtung der Menschenwürde eine Grundvoraussetzung für alle Lösungswege darstellt”.
    Zu den unverrückbaren Tatsachen der innerstaatlichen “Verbrechensbekämpfung” gehört, das letztlich der “finale Rettungsschuss” befohlen werden kann, befohlen wird (siehe Geisel-Gangster Degowski). Und ebenso unverrückbare Tatsache ist, dass zunächst das Recht auf körperliche Unversehrtheit die Basis der “Achtung der Menschenwürde” ist, abgesehen von allen weiteren Freiheitsrechten.
    Demnach ist es intellektuell ausgeschlossen, die Verfolgung von schwereren Straftaten unter Achtung der Menschenwürde durchzuführen.
     
  2. Ebenso unverrückbar ist die Tatsache, dass wir nicht “moralisch begründete, weltweit akzeptable und allseits geachtete gemeinsame Spielregeln” brauchen, weil wir sie zur Genüge bereits haben. Als ob es je Problem der Menschheit gewesen wäre, Spielregeln zu haben. Problem war immer, dass sich einige oder mehrere Zeitgenossen aus ihrer eingebildeten oder tatsächlichen Machtposition nicht herablassen wollten, diese einzuhalten. Gerade der Begriff “Spielregeln” legt die Assoziation von der Verletzung derselben nahe, fast “spielerisch”; andererseits genauso die Fragestellung nach den Ahndungen bei Regel-Verletzung.
     
  3. Auszeichnungswürdig ist die Begrifflichkeit der “affektiven Enthemmung”. Nach unserem Verständnis ist eine im “Affekt” begangene Tat aus dem Hergang “verständlich” und geradezu “entschuldbar”, fast Notwehr, sozusagen ein “Reflex”. Fügt man allerdings die “Enthemmung” dazu, liegt die “Schuld” eindeutig beim “Verteidiger”; Chuzpe in Reinform (Chuzpe = Eltern-Mörder bittet um Gnade, weil Voll-Waise).
     
  4. Wer weniger auf die Meta-Regeln des 90ger-Papiers schaut, sondern die durchgängig auf die US-Macht und ihre Wirkungen bezogenen Passagen, wird sich der Entschuldbarkeit “affektiver Enthemmungen” gegen die amerikanische “Demütigung” kaum entziehen können. Dies wäre ja noch einer genaueren Untersuchung wert. Uns schimmert aber sehr deutlich der Wunsch nach eigener Macht-Ausübung hervor. Davor müsste allerdings jeder Wissenschaftler, Künstler oder Publizist erschauern. Wenn nicht, fehlts leider an entscheidender Stelle erheblich.

{Macht nix}

 

Kanzleramt: Unruhe

29. April 2002

Aus dem Kanzleramt wird noch nie dagewesene Unruhe gemeldet. Auslöser ist wie schon so oft Verteidigungsminister Scharping. In neuer Rekordzeit ist es ihm gelungen, vier neue Anstösse zu zelebrieren, die nach der Wahl in Sachsen-Anhalt wesentlich empfindlicher wahrgenommen werden:

  1. Mini-Kommandeur-Tagung

    Absolut unüblich wird am 2. Mai 02 die Runde der höchsten Militär-Führer zusammengerufen, ab 2 Sterne aufwärts. Normalerweise die Plattform für Auftritte des General-Inspekteurs, muss erstmals Rudolf Scharping die Gelegenheit gegeben werden, die katastrophalen Ergebnisse der
    39. Kommandeur-Tagung “nachzubessern”.
     
  2. In der Bundestags-Debatte letzter Woche mussten Kanzler Schröder und Aussenminister Fischer erhebliche Anstrengungen aufwenden, um die Mär aus der Welt zu schaffen, dass die Deutschen ein teilweises Waffen-Embargo gegen Israel praktizieren würden. Diese Falschmeldung haben sie Rudolf Scharping zu verdanken, der dies ursprünglich zirkuliert hatte.
     
  3. Mit seiner Rede vor dem “American Enterprise Institute” in Washington D.C. am 24. April konnte VM Scharping die Gelegenheit nehmen, die US-Administration zu verärgern. Obwohl unter den NATO-Oberen ausgemacht war, keine Zahl über die neu aufzunehmenden NATO-Kandidaten zu nennen, patzte der Deutsche mit 26 heraus - also sieben Neu-Aufnahmen.
    US-Verteidigungsminister Rumsfeld hatte sich schon präemptiv Ärger erspart. Die bei Amtskollegen absolut übliche gemeinsame Presse-Konferenz wurde schon vor Scharpings Eintreffen abgewunken.
     
  4. Spitzen-Knaller ist natürlich der erneute A400M-Ärger, der am kommenden Mittwoch im Haushalts-Ausschuss noch herrlich hochgekocht wird. Am vergangenen Mittwoch führte der Vorgang zu Nachtarbeit. Kanzler Schröder wies seinen Stab an, alle relevanten A400M-Unterlagen aus dem Verteidigungsministerium zu holen, um sich durch mühevolles Akten-Studium ein eigenes Bild von der Lage zu verschaffen.

Vom direkten Ärger wurde Studiker Schröder allerdings durch Kanzleramts-Minister Steinmeier abgeschirmt. Er durfte die Anrufer besänftigen, die das Wahl-Kill-Potential von Scharping auf zwei bis drei Prozent taxieren und ihn schlicht weg wünschen. Noch ein Rekord: Der Faden ist wieder ganz dünn.

{Der Zweck des Rekords ist nicht die Einstellung}

 

PostView: 39. Kdr.-Tagung

10. April 2002

Allgegenwärtig war das Motto der 39. Kommandeur-Tagung der Bundeswehr in Hannover:

  • Auftrag
  • Mittel
  • Fähigkeiten,

graphisch dargestellt in Form eines Dreiecks: Der Auftrag als schwarzer Eckpunkt, die Mittel als roter Punkt und die Fähigkeiten mit der untersten Farbe unserer National-Flagge. Keine schlechte Symbolik, denn für den Knackpunkt - die Mittel - zeichnet der rote Rudi samt seinem Chef verantwortlich.

Natürlich ist die Reform in vielen Elementen richtig und notwendig - und die Eröffnungs-Rede des Verteidigungsministers konnte zu recht Erfolge vermelden. Aber es ist wie im täglichen Leben: nicht über Selbstverständliches (die “Leistung”) wird diskutiert, sondern über Probleme.

Deshalb war Scharpings Rede daneben:

  • Die Super-Problem-Zone “Mittel” (sprich: Finanzen) kanzelt er:
    “Wir haben die Finanzierung der Bundeswehr auf eine solide Grundlage gestellt.” Zur Begründung folgt ein Daten-Salat, der an den entscheidenden Zukunftsfragen vorbei-filibustert.
     
  • Kritische Fragen wie Wehrpflicht generieren den Beweis für die Unfähigkeit des Ministers, Widersprüche intellektuell abzutragen: Die Gegner sind “naiv”, “populistisch”, “unverantwortlich”.
     
  • Die non-verbale Kommunikation des Oliv-Befehlshabers ist Lehrstück:
    - Zwar ist die Modulation der Stimme ganz hervorragend, aber klirrender kalt als null Grad Kelvin;
    - die Körpersprache unterstreicht dies; die Gestik entspricht der eines für diesen Anlass von Gefühlen völlig unbewegten Menschen - regungslos.

Danach folgt der Kanzler:

  • Er war zumindest auf halber Strecke, um das staatsnotwendige Pathos auch kommunikativ auszudrücken, welches den entscheidenden Punkt betrifft: Dass Soldaten letztlich ihr Leben und ihre Gesundheit für die Werte und Interessen ihres Staates “hinhalten” (wir versagen uns die drastische Version).
     
  • Bezüglich des Knackpunktes “Mittel” hat der Richtlinien-Meister sich auf die von seinem verantwortlichen Minister gelieferte Formulierung eingelassen:
    “Die Bundesregierung hat die Finanzierung der Bundeswehr auf eine solide Grundlage gestellt.”
    In der anschliessenden Presse-Konferenz im Beisein des verantwortlichen Resssort-Ministers rettet sich Gerhard Schröder angesichts der sachkundigen Fragen geschickt mit diesem “Scharping”-Anker.
    Allerdings: Würde vergleichbares in anderen Ressorts passieren, würde der Bundeskanzler dies zur Chefsache erklären. Gerhard Schröder ist nach wie vor davon entfernt, wirkliches Interesse an “harter” Sicherheitspolitik zu haben - passt nicht ins politische Gesamtbild - ist viel zu kompliziert.
     

Nach diesem “politischen” Montag folgt der “trockene” Dienstag. Nur noch wenige (Fach)-Journalisten tummeln sich, um die Rede des bald zur NATO scheidenden General-Inspekteurs Harald Kujat anzuhören. Wir wissen nicht, ob es Kalkül oder “Zufall” war:
Das vorab gelieferte Rede-Manuskript ist für Insider schon Fundgrube genug. Nachdem wir aber aus dem Schlaf erwacht waren, haben wir festgestellt, dass General Kujat zwischendurch auf eine Art und Weise frei extemporiert hatte, die zu dokumentieren ist (sorry: wir können es derzeit nicht bieten - bekommen den Original-Ton - und liefern nach):

  • Diese Kujat-Rede ist u.E. die sauber formulierte, vor allem sachliche, Bestandsaufnahme, die einzig gültig sein kann; auf jede Formulierungs-Feinheit ist besonders zu achten.
     
  • Die Kujat-Rede hat im Lichte der politischen Reden des Vortages ihre Wirkung nicht verfehlt. Die Quintessenz lautete ungefähr: “Noch ist nicht erkennbar, wie Aufgaben, Mittel und Fähigkeiten in eine Balance gebracht werden können” - und das war erkennbar sehr zurückhaltend formuliert, aber nicht im Gesamt-Zusammenhang.
     
  • In der abschliessenden Pressekonferenz konnte der GI souverän den Gebrauch des Wortes von der “Finanz-Katastrophe” spezifisch (nur hinsichtlich der Rüstung) von sich weisen. Der Gesamt-Zusammenhang (Entwicklung im Bereich Personal-Ausgaben, Pilot-Projekte und “Strecken und Schieben” von Rüstungs-Projekten) legt aber nahe, nicht von einer Katastrophe zu sprechen, wohl aber von einem “geordneten Siechtum”.

Nach Ende der Kujat-Rede (12.20) waren noch zehn Minuten Zeit bis zur geplanten Presse-Konferenz. Augenscheinlich wohlwissend eröffnete Kujat die Diskussion, die “weltweit” online zu haben war. Wir hatten (natürlich) nicht das Tonband laufen - und haben nicht alle Namen der drei oder vier Diskussions-Redner notiert - aber es war wie eine repräsentatives Jahrzehnt-Gewitter:

  • Gnadenlos wurde der “politische” Vortag abgestraft;
  • geradezu genüsslich wurde die “Mittel”-Problematik filletiert;
  • und politisch ins Herz wurde die Frage an die Bundesregierung gestellt:
    “Ob sie ein inneres Verhältnis zu den Streitkräften hat” (die Verneinung war greifbar).

Wir wagen Chronisten-Text: Wahrscheinlich hat es noch nie ein derartiges “Delta” zwischen militärischer und politischer Führung in der Bundesrepublik Deutschland gegeben. Allerdings wird man in dieser Republik fröhlich darauf antworten können:

{So what}

 

Preview: 39. Kdr.-Tagung

6. April 2002

Am Montag (8.3.) findet die 39. Kommandeur-Tagung in Hannover statt. Unter dem Motto “Aufgaben - Mittel - Fähigkeiten” versammelt der im Juni 2002 zur NATO scheidende General-Inspekteur Harald Kujat rund 600 Offiziere, mit viel Silber oder Gold auf Ärmel und Schulter, in Hannover:

  • Am Montag, (8. April, 13.30 Uhr) wird
    - Rudolf Scharping geschlagene zwei Stunden lang der Zuhörerschaft eine legitime Inszenierung seines gloriolen Sieges bieten (da werden wieder etliche einnicken);
    - gut verdeckten Vor-Wahlkampf wird danach Bundeskanzler Gerhard Schröder in 45 Minuten bieten, vor allem den mittleren Teil des Tagungs-Mottos, “Mittel”, meiden wie die Pest.
     
  • Am Dienstag (11.15) wird General Kujat (wahrscheinlich wieder) vorlesen, 75 Minuten lang:
    - einerseits wird er ausführlich darlegen, dass “seine” Bw-Reform” richtig angelegt war, denn er hat sauber die der Bw durch die Politik gestellten Aufgaben zu Fähigkeiten umgezeichnet;
    - andererseits die entsprechenden Mittel nicht bekommen. Spannend ist nur, wie deutlich er es vor versammelter Mannschaft sagt.

Wir hätten einige Passagen vorzuschlagen: Absätze aus Kujats Rede während der Klausur-Tagung der SPD-MdBs, Abteilung Verteidigung, am 4. März 02 in Berlin:

  • “Die angestrebte Investitionsquote von 30 %, die wie in moderaten Schritten bis 2006 erreichen wollen, reicht aber nur aus, eine Armee modern zu halten; sie reicht aber nicht aus, eine veraltete Armee zu modernisieren.
    Wir liegen derzeit bei 24 %, eine Besserung vermag ich gegenwärtig nicht zu erkennen. Die zusätzlich geschaffenen Möglichkeiten, wirtschaftlicher zu handeln, oder ausserhalb des Einzelplans 14 neue Mittel zu erschliessen, sind bisher nicht erfolgreich.
    Es besteht sogar die Gefahr, dass aus dem Verteidigungshaushalt längerfristig zusätzliche Mittel zu Anschubfinanzierung eben jener Pilotprojekte bereitgestellt werden müssen.”
     
  • “Die materielle Erneuerung ist im Material- und Ausrüstungskonzept auf 10 - 15 Jahre angelegt. Sie ist nach derzeitiger Lage nur in Teilbereichen zu realisieren.”
     
  • “Die Quintessenz dieser Gedankenführung ist:
    Wenn die Mittel nicht ausreichen, um die Fähigkeiten zu entwickeln, die Voraussetzung für die Auftragserfüllung sind, müssen entweder mehr Mittel bereitgestellt oder die Aufträge reduziert werden. Einer Ihrer Kollegen hat sich bereits entschieden. Ich zitiere den Abgeordneten (Volker) Kröning in der ZEIT vom 28. Februar (02): ‘Die Bundeswehr ist an den Finanzrahmen anzupassen, nicht umgekehrt.”

Wir werden sehen, ob Harald Kujat sich zum Kröning’schen “Umkehrungsgesetz” aus dem Fenster lehnt - er fällt eh die Treppe rauf.

Ausserdem wird zur Konferenz eine neue Broschüre vorgestellt werden: Reformbilanz der Bundeswehr 2002 oder so - alles haarscharf an der Wahrheit vorbei, Marketing wie bei Enron oder Kirch - aber für den Wahlkampf tauglich und gut finanziert.

Wir werden uns das Schauspiel real antun müssen; deshalb gibt es am 9. April nix - sorry.

{Wer vorausschaut, hat immer noch das Nachsehen}

 

Nah-Ost: Flaschen-Post (mit Nachtrag 6.4.)

5. April 2002

Gestern hat sich die ungeliebte Hegemonial-Macht endlich deutlich zu den jüngsten Entwicklungen im Nah-Ost-Krieg geäussert. Im “Rose Garden” hat sich US-Präsident Bush mit einer Rede positioniert:
http://www.usinfo.state.gov/cgi-bin/washfile/display.pl?p=/products/washfile/latest&f=0204045 0.nlt&t=/products/washfile/newsitem.shtml

Liest man die drei Seiten, wird man blass:

  • Obwohl sich Bush selbst als “comitted friend of Israel” bezeichnet, wird jeder, der die Rede sachlich analysiert, dem Cowboy ausnehmende Unparteilichkeit attestieren müssen. Alle wesentlichen Aspekte beider Seiten sind fein austariert und sehr geschickt formuliert.
     
  • Die massive Unterstützung für den saudischen Friedensplan wird zur Waffe gegen die Heckenschützen Iran, Irak und Syrien genutzt. Deren finanzielle Gratifikationen für die Familien der Teenie-Bomber wird direkt angesprochen, ebenso die staatliche Glorifizierung des “Märtyrer-Tums” und die Waffenlieferungen durch die iranische Regierung.
     
  • Öffentlichkeitswirksam wird die Passage durch die Medien weltweit transportiert, die an alle Seiten geht: “Enough is enough”.
     
  • Bush begibt sich direkt in die Schuss-Linie, in dem er seinen Aussenminister nächste Woche in das Kriegsgebiet schickt. Abzuschätzen ist, das Colin Powell in seinem Reisegepäck wirksames Drohpotential gegen Ariel Sharon hat, denn sonst könnte sich Powell die Reisekosten sparen.

Warum US-Politik erfolgreich ist, und europäische nicht, kann wieder nachgewiesen werden:

  • Ebenfalls gestern haben der als Aussenminister der EU-Ratspräsidentschaft auftretende Spanier Josep Piqué und der Hohe Repräsentant für die EU-Aussen- und Sicherheitspolitik, Javier Solana, den Nahen Osten wieder verlassen müssen. Sharon wollte sie nicht sehen und den Kontakt mit Arafat hat der israelische Premier schlicht untersagt. Dazu hat EU-Ratspräsident Aznar immerhin sein Bedauern ausgesprochen!
     
  • Liest man die entsprechende Presse-Mitteilung (“EU stresses to Israel ...” vom 4.4., auf www.ue2002.es ), dann wird es ganz blamabel. Piqué und Solana haben gegenüber den israelischen Ministerien für Auswärtiges und Verteidigung wiederholt, das Ratspräsident Aznar vorbereitet ist, in den Nahen Osten zu reisen, “falls er sich mit Yassir Arafat treffen kann.”
     
  • In einer zweiten Presse-Mitteilung vom gleichen Tage (“Aznar: Continuation of the current situation ...”) wird aus Madrid vermeldet, dass sich Herr Aznar mit dem König von Jordanien und dem ägyptischen Präsidenten Mubarak getroffen haben, um “in enger Tuchfühlung mit der Entwicklung der Situation” zu sein. War das alles? Wiederholt wird, dass Aznar in einer “langen Unterhaltung” mit dem israelischen Premier eine Reise seinerseits nach Ramallah angeboten habe unter der Bedingung, dass er sich auch mit Arafat treffen dürfe. Sharon habe ihm darauf angezeigt, dass seine “Politik der totalen Isolation von Yassir Arafat ... Priorität” habe.

Wenn die führenden Aussen-Politiker der EU nicht willens sind, Sharon nicht-öffentlich, halb- oder ganz öffentlich entsprechend unter Druck zu setzten, um ein Gespräch mit Arafat führen zu können, würde man dafür eventuell ein geringes Verständnis aufbringen können. Wenn die Herrschaften jedoch unfähig sind, vor Antritt einer solchen Reise diese Frage zu klären, um sie dann ggfs. - auch im Sinne der Öffentlichen Diplomatie - wirksam abzusagen, dann nährt die Europäische Aussen- und Sicherheitspolitik (leider) die Assoziation mit der Flaschen-Post. Wir werden sehen, ob US-Aussenminister Powell sich mit Arafat trifft (wetten - ja?).

{Wie kann ich wissen, was ich mache, bevor ich merke, dass es falsch ist?}

Nachtrag 6. April:

Vergessen hatten wir leider im obigen Bericht, dass ja am 1. April (Oster-Montag) die Aussenminister der EU zu einem Sonder-Gipfel angereist waren. Die meisten Teilnehmer wollten keine Beschlüsse fassen, mit denen Israel auch nur drohungstechnisch ein Haar gekrümmt wird, insbesondere der deutsche Teilnehmer. Wenn irgendwelche Beamten einmal in den Statuten nachgeschaut hätten, die den Israelis in der EU Freihandelsrecht einräumt, wäre man vielleicht auf etwas gestossen, mit dem man von Herrn Sharon eine Besuchserlaubnis bewilligt bekommen hätte.

Warum ist es wohl gestern der US-Regierung gelungen, einen Besuch des Sonder-Botschafters Zinni durchzusetzen?

Erst im Nachhinein haben wir festgestellt, dass dem Präsidenten der EU-Kommission, Herrn Prodi, die absolute Meisterleistung gelungen ist:

  • Ungefähr 24 Stunden vor der Bush-Rede hat er sich vor die Presse begeben und die amerikanischen Friedensbemühungen für gescheitert erklärt und statt dessen eine internationale Konfrenz gefordert! Nun könnte man wieder die Fragen stellen:
    - hat er absichtlich so gehandelt?
    - war er zu faul, sich nach dem Sachstand zu erkundigen?
    - waren seine Mitarbeiter unfähig, die US-Politik mitzukoppeln?
    - oder war er einfach nur wieder einmal presse-geil?

{Wir verleihen Herrn Prodi unseren Award: Die blindfarbene Flasche}

 

Nah-Ost-Krieg: Marsch

3. April 2002

Wahrscheinlich ist es sinnlos, etwas über die Entwicklung des Krieges zwischen Palästina und Israel beizutragen. Gibt es (mehr oder weniger) unumstrittene Fixpunkte?:

  • Das Ende des Friedens-Prozesses von Camp David 1999 war ein Unglück?
     
  • Der Beginn der zweiten Intifada ebenso?
     
  • Die Politik unter Ariel Sharon ist nichts anderes als das Ende der Zustimmung eines jeden zivilisierten Menschen zu israelischer Politik, ganz zu schweigen von der Wut der Unterdrückten.
     
  • Dass die Führer und Verführten der verschiedenen Extremisten-Gruppen wie Hamas, Hisbollah und wie sie immer heissen, tatsächlich glauben, dass ihr Tun auch nur irgendwo irgend etwas mit Politik, Vernunft oder gar Glaube zu tun hat, ist - gelinde gesagt - so abwegig wie sonstwas?
     
  • Yassir Arafat ein totkranker Mann ist, der von vielen Palästinensern zu recht als autokratischer und korrupter Politiker angesehen wird und trotzdem das Stigma des Märtyrers hat, was noch steigerungsfähig ist - ganz zu schweigen von seiner Unfähigkeit, die Selbstmord-Kommandos noch irgendwie unter Kontrolle zu haben?
     
  • Tatsächlich jemand glaubt, dass europäische Politiker, die Vereinten Nationen oder selbst die USA noch die Möglichkeit haben, diesen Hergang der Wirklichkeit massgeblich zu beeinflussen? Gestern hat US-Aussenminister Powell fünf verschiedenen Premium-Medien TV-Interviews gegeben. Und das tägliche Presse-Briefing von Aussenamts-Sprecher Reeker umfasst 12 Seiten. Und die aller-üblichste Presse-Erklärung des deutschen Aussenministeriums haben wir bei der Durchsicht der e-mails wegen hergebrachter Floskel-Klopferei gleich versenkt.
     
  • Das Treffen der Arabischen Liga deutlich gezeigt hat, dass von einer irgendwie gearteten Unterstützung der Palästinenser keine Rede sein kann, und nur der saudi-arabische Aussenminister sich mit seinem alten und dazu noch derzeit unpassenden Friedens-Vorschlag sonnen wollte, nebenbei mit seiner Umarmung des irakische Vize-Premiers seine ehrwürdigste Bedeutsamkeit demonstrieren wollte.

Welche Dynamik in diesem interaktiven Prozess ist, wird man daheim kaum nachvollziehen können, selbst wenn man von hervorragenden CNN-Nachrichten mit Senator Mitchell oder einem aktuellen (und hervorragenden) TV-Report auf Bayern 3 zehrt. Man merkt nur selbst, dass angesichts der den Prozess anführenden “Signale”, die Ariel Sharon bestimmt, nur ein sehr massiver Interventionismus von europäischer und amerikanischer Seite schlimmeres verhüten kann. Da millitärische Mittel ausgeschlossen sind, kann es sich nur um massive monetäre Munition handeln. Aber ehe die europäische Politik irgend etwas derartiges zustande bringen wird, fallen die ersten Blätter von den Bäumen. Da aber alle Welt nur auf die US-Regierung schaut, kann man sich gut ducken. Die Amis hätten nur eine Chance, wenn sie Sharon öffentlich, für jederman sichtbar und ganz massiv drohen würden. Dafür wird es leider nicht reichen.

{Selbst den besten Freunden sollte man richtig den Marsch geigen können}

 

 

Clou: Weißbuch 2002

1. April 2002

Sie werden es kaum glauben: Bei der Beseitigung eines eigenen mittelprächtigen Fehlers haben wir den Original-Text unseres diesjährigen April-Scherzes “versenkt” (dies ist keine “legitime Inszenierung” - einer unserer neuen Lieblingsbegriffe).

Aber wir rekonstruieren es halbwegs. Uns (ausgerechnet uns) hat der Verteidigungsminister die für Nov. 2000, dann x-mal neu versprochen, zuletzt für den Nov. 2001, angekündigte Version des Weissbuches 2002 (ehemals 2000 gelabelt) exclusiv als pdf.-Datei zugesandt (von wilderen Plänen, seine Bundestags-e-mail als “Hol-Adresse” anzugeben, haben wir aus einsehbaren Gründen fallen lassen).

Wer noch immer gewildt ist, die Version zu sehen:

Weissbuch 2002 als pdf-Download!

{P.S. to our english-speaking audience: Beware of german traditions}

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