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N e w s   II/2003

 

Jugend-Offiziere: Kapitulation

30. Juni 2003

Der Presse- und Informationsstab, Abteilung Öffentlichkeitsarbeit, hat den “Jahresbericht der hauptamtlichen Jugendoffiziere” dem Verteidigungsminister vorgelegt. Auf 15 Seiten wird über die Arbeit der 94 uniformierten Öffentlichkeitsarbeiter in Sachen Sicherheitspolitik im Jahr 2002 berichtet. In 2002 haben sie 7.348 Veranstaltungen mit 200.502 Teilnehmern erreicht. Dem Verteidigungsminister wird in dem Anschreiben die “Freigabe für die Einstellung ins Internet” (bundeswehr.de) empfohlen. Bis dahin geben wir die kritischen “highlights”:

  • “Die Jugendlichen sehen im Jugendoffizier den sicherheitspolitischen Experten von Berufs wegen, der ihnen zudem nach Alter und Habitus näher steht, als die Masse der Lehrer.”
     
  • “Unverändert liegen die Hauptinteressen der Jugendlichen überwiegend im konsumorientierten perönlichen Bereich ... Politik im allgemeinen, speziell jedoch internationale Sicherheitspolitik interessiert Schüler nur wenig. Sicherheitspolitik erscheint sowohl Jugendlichen als auch Erwachsenen häufig als ein Thema zu großer Komplexität.”
     
  • “Weder Auftrag noch Notwendigkeit der Bundeswehr werden von den Jugendlichen kritisch hinterfragt. Ihre sicherheitspolitische Wahrnehmung ist zwischenzeitlich auf das Thema Auslandseinsätze reduziert.”
     
  • “Auffällig ist ein fast völliger Verzicht auf die Nutzung seriöser Medien. Informationen aus dem Boulevardjournalismus (Print und Fernsehen) entnommen und sind somit oft wenig fundiert.”
     
  • “Erneut ruft allerdings bei allen Jugendoffizieren der geringe Stundenansatz im Fach Sozialkunde/Politik Kritik hervor ... Das Thema ‘Sicherheitspolitik’ wäre im Schulunterricht kaum wahrnehmbar, wenn die Schulen nicht die Möglichkeit des Zugriffs auf den hauptamtlichen Jugendoffizier der Bundeswehr nutzen würden.”
     
  • “Wenn Jugendoffizieren der Zugang zu Hochschulen ermöglicht wurde, sind diese Kontakte häufig über langfristige Projekte etabliert worden.”
     
  • “Kontakte zu den Arbeitgeber-/Arbeitnehmerorganisationen sind nach wie vor unregelmässig und nur vereinzelt vorhanden.”
     
  • “Die Kontakte zu den Jugendorganisationen der Parteien sind auffallend zurückgegangen. In der geringen Anzahl der Veranstaltungen ragte quantitativ lediglich die mit der Jungen Union hervor.”
     
  • “Ebenso gibt es regelmäsig und gute Kontakte zu den Zivildienstschulen.”
     
  • “Die uneingeschränkte Zustimmung zu den deutschen Streitkräften bleibt weiterhin mit der Haltung - ‘Bundeswehr ja - aber ohne mich’ verbunden.”
     
  • “Einzig der sichere Arbeitsplatz wird zu einem Kriterium für einen Dienst bei den Streitkräften.”
     
  • “Die verschiedenen Institutionen werden - wenn sie überhaupt zugeordnet werden können - meist plakativ mit Begriffen wie NATO=Krieg, UNO=Ohnmacht und EU=Bürokratie belegt.”
     
  • “Während US-amerikanische Kultur, Lebensstil und Flair noch als trendsetzend angesehen werden, wird die Außen- und Sicherheitspolitik der USA strikt abgelehnt.”
     
  • “Eine breite Akzeptanz hingegen beobachteten Jugendoffiziere gegenüber der aktuellen Außenpolitik der Bundesregierung mit ihrer Verweigerung einer Beteiligung an einer militärischen Konfliktklärung im Irak. Die Motive der Jugendlichen für das vehemente Ablehnen einer militärischen Beteiligung scheinen jedoch eher einem diffus-gefühlsmässigen Friedens- und Ruhebedürfnis zu entspringen als auf sicherheitspolitische Analyse gegründet.”
     
  • “Palästina und Israel sind durch die ständige Medienberichterstattung präsent, die Sympathien der Jugend sieht nicht nur der Jugendoffizier Stuttgart auf der Seite Palästinas: ‘Die Einstellung der Schüler kann mehrheitlich als anti-israelisch bezeichnet werden, wobei parallel eine äußerst pro-palästinensische Haltung zu Tage tritt.’”

Wirft man einen Blick auf die Anlage 3a des Berichts, den “Vergleich der Einsatzstatistiken 1994 bis 2002”, fällt der teilweise drastische Abfall der Zahl der Einsätze der Jugendoffiziere auf. Als Gründe werden genannt:
“Offenbar führen Auslandseinsätze, Strukturmaßnahmen und Kasernenschließungen dazu, dass der Rückgang der Anzahl auch von Besuchen in der Truppe anhält ... Die Truppe erscheint für den Jugendlichen immer mehr nur noch ‘virtuell’ zu existieren.” Allerdings darf man nicht übersehen, dass 10 % der Dienstposten der Jugendoffiziere über einen längeren Zeitraum nicht besetzt worden sind.

Den auf Seite 9 zu findenden einleitenden Absatz zur allgemeinen Situation der “Einstellung Jugendlicher zu bestimmenten politischen Themenfeldern” darf man allerdings zum “Knaller” küren:

  • “Die Jugendlichen fühlten sich von dem komplexen politischen System deutlich überfordert. Das aus dieser ‘Kapitulation’ resultierende mangelnde Interesse führt dazu, dass Jugendliche nicht mehr zwischen Personen, Programmen oder Parteien differenzieren, sondern vielmehr ihren Unmut auf das gesamte System projezieren. Aktive Informationsgewinnung findet praktisch kaum statt, Medien oder Zeitung werden wenig genutzt. Politik und Weltgeschehen werden so kaum wahrgenommen.
    Das Vertrauen in Politik und handelnde Personen ist gering. Persönlich empfundende Ohnmacht verstärkt dieses Bild, zumal die Meinung vorherrscht, Politik nütze nur den Politikern.”

{Aus Kapitulationen können auch Bewegungen entstehen}

 

“Impulse 21”: heimlich

25. Juni 2003

Zwei halbe Tage haben wir in Berlin während des Berliner Forums “Sicherheitspolitik” den Meistern des Fachs lauschen dürfen. In einer bisher nicht gekannten Koalition haben Bundesverteidigungs-Ministerium und die Frankfurter Allgemeine Zeitung diese Neuheit unter dem Stichwort “Impulse 21” veranstaltet, während gleichzeitig bekannt wurde, dass 100 FAZ-Mitarbeiter ihre Kündigung erhalten haben. Die Einzelheiten des BMVg/FAZ-“Deals” wurden natürlich nicht erwähnt. Gelungen ist die Veranstaltung allemal, denn Peter Struck war glänzend aufgelegt und auf dem Podium bescheinigte man sich, dass doch (trotz aller vermuteten Gegensätze) ein fast familiäres Gespräch geführt worden sei; niemand war unartig, jeder konnte sein Steckenpferd reiten.

Das Maximum an Informationen findet man unter
http://www.bmvg.de/sicherheit/030616_impulse_21.php

Die wesentlichen Neuigkeiten (Struck bekennt sich zu W9, erhält 2007 800 Mio. EUR mehr, regt ressortübergreifende, nationale Sicherheitskonzeption an) sind bekannt. Für Fakten-Fans ist die “Brigaden”-Geschichte von NATO-Generalsekretär Lord Robertson ein Muss (S. 4): Die NATO hat zwar 240 Brigaden zu je 5.000 Soldaten, bringt aber letztlich nur 16 ins potentielle Gefecht.

“Unser” Überraschungs-Gast war Ex-General-Inspekteur Hans-Peter von Kirchbach. Der von Offizieren gern als väterlicher und un-intellektueller “Held der Oder” Charakterisierte legte eine beachtenswerte 7-Punkte-Kritik auch schriftlich vor, die bundeswehr.de natürlich nicht einstellen durfte. Der dritte Absatz der Kirchbach-Punktation beginnt:

  • “Es fehlen Kriterien, Definitionen von nationalen Interessen für die Beteiligung der Bundesrepublik an militärischen Einsätzen. Die Bundeswehr war und ist in einen Strauß internationaler Einsätze eingebunden, die auf ganz verschiedene Weise entstanden sind. Nicht jeder Einsatz war sinnvoll.”

Gerade diese Frage nach der Definition des “nationalen Interesses” war der heimliche Schwerpunkt der Konferenz. Ex-U.S.-Botschafter John C. Kornblum meinte, dass Deutschland in dieser Frage der “deepest reality check” noch bevorstehe, denn Frankreich und Gross-Britannien etwa besäßen eine “National Security Strategy”.

Wir verstehen diese Debatte wiederum so nicht ganz, denn entgegen der verbreiteten Auffassung, dass die Deutschen nichts ohne eine Konzeption tun, haben wir in Berlin nach entsprechenden informellen Gesprächen gelernt, dass die deutsche Sicherheitspolitik ausschliesslich im Bundes-Kanzleramt “gemacht” wird (siehe zuletzt “Herat”/Powell und Kongo/Chirac). Da ein neues “Weißbuch” nun zum 50-jährigen Geburtstag der Bundeswehr für das Jahr 2005 versprochen ist, hat man ja genügend Zeit, sich die zu alledem die passenden Formulierungen einfallen zu lassen.

{Wer bleibt, der schreibt}

 

Wehrpflicht: Dauerfeuer

23. Juni 2003

Zur Wehrpflicht-Frage haben die Befürworter das Dauerfeuer eröffnet:

  • Der Planungsstab des Verteidigungsministeriums hat ein 10-seitiges Papier mit dem Titel “Zu den Folgen eines Verzichts auf die Allgemeine Wehrpflicht” verfasst;
     
  • Die Arbeitsgruppe Sicherheitsfragen der SPD-Fraktion titelt ihr 9-seitiges Papier “Die Bundeswehr bleibt Wehrpflichtarmee”;
     
  • Der “Beirat Innere Führung” des BMVg übergibt dem Verteidigungsminister Struck heute seinen “Bericht zur Wehrpflicht” (er wird wahrscheinlich nach 11.30 Uhr auf bundeswehr.de abladbar sein).

Bedeutsam ist, dass Fraktions-Chef Müntefering in dieser Woche in der Fraktions-Sitzung über die Wehrpflicht nicht abstimmen lassen will. Dies ist insofern folgerichtig, weil die SPD in ihrem Regierungsprogramm 2002-2006 die Beibehaltung der Wehrpflicht fordert und der Parteitag dies am 2. Juni 2002 so beschlossen hatte. Deshalb soll die Fraktion vor allem über die Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR) debattieren.

Bedenkenswerte Daten und Fakten enthällt das Papier des Planungsstabes. Deutlich wird, dass nach Suspendierung der Wehrpflicht der für das Jahr 2006 geplante Umfang der Bundeswehr keinesfalls aufrechterhalten werden kann. Dies bedeutet wiederum, dass das Kabinett und vor allem der Kabinetts-Chef sich zu der Frage äussern muss, welche Bundeswehr er eigentlich haben möchte.

Andererseits befinden sich die “Verteidiger” in einer nicht beneidenswerten Position:

  • Gerade Bundeswehr-Planer können nicht ohne eine gewisse Nachhaltigkeit grundlegender Plan-Parameter auskommen;
     
  • Selbst wenn die Wehrpflicht mit einer Dauer von 9 Monaten derzeit “gerettet” würde, ist die allgemeine Wahrnehmung nicht wegzudiskutieren, dass die Halbwerts-Zeit dieser Entscheidung nicht währt;
     
  • Planer des BMVg “träumen” davon, bis Jahresende eine neue Bw-Konzeption hinzubiegen, die von W9 ausgeht, aber einen “schmerzarmen” Übergang zu Länger-Diener-Armee ermöglicht.

Bei allem Pulverdampf, der noch entwickelt werden wird, kann man ruhig und sicher prognostizieren:

  • Zum Jahresende wird General-Inspekteur Schneiderhan eine neue Bundeswehr-Konzeption vorlegen, die von W9 ausgeht und den Umfang der Bundeswehr auf die Grössen-Ordnung der “Weizsäcker”-Empfehlung von 240.000 SoldatenInnen absenkt. Damit werden alle Parameter der Planung hinreichend bedient;
     
  • Alle Diskutanten, die sich nur ihr Sahnestückchen aus der Bundeswehr schneiden möchten, können getrost weiter parlieren: z.B. Aussenminister Fischer, der als GRÜNER natürlich gegen die Wehrpflicht ist, darf munter für die Ausweitung des ISAF-Mandats in Afghanistan plädieren und neuerdings noch ein Irak-Engagement versprechen, ohne dafür auch nur im geringsten nach den entsprechenden Mitteln dafür befragt zu werden, bzw. sich dafür verantwortlich zu fühlen. Absehen darf man hierbei davon, dass die Experten des AA von einem Engagement in Herat abraten.

Wenn “die Verteidiger” also wieder eine Wehrpflicht-Schlacht gewinnen, dann werden sie das letztlich den Daten und Fakten zu verdanken haben, die geliefert worden sind, bzw. werden. Dass man letztlich jeden Krieg verliert, muss man ja nicht gleich in den Vordergrund rücken.

{Wenn man immer gewinnt, hat man trotzdem verloren}

 

Aussenminister Fischer: Abseits

20. Juni 2003

Eigentlich müsste das Heer von Sicherheits-Experten, dass es allein in Deutschland gibt, die Rede von Aussenminister Fischer (auswaertigesamt.de) noch einmal in aller Ruhe analysieren. Bei uns sind die folgenden Fragen entstanden:

  • AM Fischer kontert die Forderung von MdB Wolfgang Schäuble nach einem Konzept für die “Herausforderungen in Afrika”. Das dürfte absolut neu sein, dass ein Deutscher, ein Politiker, ein Grüner noch dazu, eine Frage ohne Konzept angehen will. Und wenn alles nichts fruchtet, fordert er gar ein “Gesamt-Konzept”.
     
  • Genauer als zuletzt im ZEIT-Interview dürfte diesmal die Spezifizierung der “afrikanischen Bedrohung” ausgefallen sein. Minister Fischer fürchtet sich vor dem “Export” der “furchtbaren Instabilität” und sieht deshalb das “Sicherheitsinteresse der Europäer direkt betroffen.”
    U.E. ist das europäische Werte-System sehr direkt betroffen, aber nicht seine Sicherheit, denn eine militärische Bedrohung kann gar nicht von Afrika ausgehen. Einzige denkbare Variante der Berührung des “Sicherheits”interesses wäre eine massive Asylsuche von Afrikanern in Europa. Wie realistisch diese Version ist, sei dahingestellt.
     
  • Zur zentralen Frage einer Begründung für die deutsche Beteiligung hat man sich im Auswärtigen Amt nichts überzeugendes einfallen lassen:
    “Wir müssen uns in diesem Zusammenhang in Bezug auf die zukünftige europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik und die zukünftige europäische Aussenpolitik auch darüber Klarheit verschaffen, dass es im deutschen Interesse ist, nicht abseits zu stehen, wenn die beiden anderen großen europäischen Nationen mit dabei sind ...”
    Sicher ist der Grundsatz des “Dabei sein ist alles” eine ganz so falsche soziologische Tatsachen-Feststellung nicht. Dies reicht deutschen Intellektuellen aber keinesfalls für eine grundsätzliche Begründung “aus sich selbst heraus”. Und wenn die ersten Särge eingeflogen werden, reicht es auch nicht für den Bild-Druck.

{Sicherheitspolitik ist nicht Abseits-Fussball}

 

K. O. Hondrich: Hegemonika

16. Juni 2003

Die Woche beginnt gut für die Gewalt-Intellektuellen, denn SPIEGEL-Online hat dem 65-jährigem Soziologen Karl Otto Hondrich Platz für ein Essay über “Die ordnende Gewalt” eingeräumt, dass man/frau lesen sollte:
http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,druck-252950,00.html

Neben dem wunderschönen Satz, dass  “der Grössenwahn der Macht .. im Auge des Betrachters (entsteht)”, ist Hondrichs Problem-Beschreibung beachtenswert:

  • “Die gewaltige Macht Amerikas ist nicht das Problem. Sie ist die Lösung. Was aber ist das Problem?
    Das Problem ist die Vielfalt und Streuung der Gewalt, weltweit. Es spitzt sich zu: Immer mehr Staaten, Banden, Terroristen, Fanatiker können sich vernichtende Waffen beschaffen und die Welt in Schrecken versetzen. Mit Recht und Verträgen ist dem nicht beizukommen.”

U.E. ist das noch nicht ganz der Kern des Problems, sondern:

  • Die Abnahme geordneter staatlicher Gewalt (“failed states”) ist vor allem in Afrika problematisch;
     
  • Das Bedrohungs-Bewusstsein und die Entwicklung von Gegen-Strategien greift erst nach herausragenden “Kriegs-Schäden” (ElAl flog aufgrund spezifischer Erfahrungen schon lange gesichert); das “Kind muss erst in den Brunnen fallen”.
     
  • Glückliche Fügung hat uns “nur” die Opfer von 9/11 gebracht. Wäre Al Qaida “schlauer” gewesen, hätten sie auf Container gesetzt und auf die radiologische Bombe gewartet.
     
  • Es ist keine Taktik oder Strategie erkennbar, mit der der verqueren Ideologie von Suizid-Terroristen begegnet werden kann. Weder ist im Bereich des muslimischen Glaubens eine Autorität vorhanden, die den Gläubigen erklärt, dass der ALLMÄCHTIGE die Attentäter auf gar keinen Fall paradiesisch aufnehmen wird, noch ist eine Form “weltlicher” Rationalität vorhanden, die die absolute Sinnlosigkeit des Cafe-Bombings erkennt, von Humanität ganz zu schweigen. Diese Art des Verhaltens ist noch nicht einmal kafkaesk.
     
  • Letztlich dürfte bestimmend sein, dass eine überproportional steigende Zahl von Menschen jeglichen ethischen Halt verliert und zum barbarischen Hegemon mutiert.

Sicher ist jedoch: Wer die Probleme dieser Welt listet, kommt nicht im mindesten auf die Idee, dass die USA überhaupt Hegemon sein könnten. Die israelischen Siedler und die Hamas beweisen es, und nicht nur sie.

{Hoch lebe Hegemonika}

 

Bundeswehr-Einsätze: gewöhnen

13. Juni 2003

Für die Auslands-Einsätze der Bundeswehr werden zusätzliche Informationen bekannt:

  • Bunia (Demokrat. Rep. Kongo)

    - Beitrag zum Lufttransport von Europa bis Entebbe (Uganda),
    - Gestellung von Stabsoffizieren für das Hauptquartier in Paris,
    - Bereitstellung von medizinischer Leistung (Medizin. Evakuierungs-Potenzial - Medevac) durch Airbus A-310;
    - Bewachung und Eigensicherung.

    Es wird mit einem Umfang bis 350 Soldaten gerechnet. Die Kosten des bis zum 1. 9. 03 befristeten Mandats belaufen sich auf ca. 10 Mio. EUR incl. des 23,2 %igen deutschen Anteils für den EU-Ausgabe-Titel “Gemeinschaftliche Kosten für EU-Operationen”.
     
  • Herat (Afghanistan)

    Über die Ausweitung des ISAF-Mandates will die Bundesregierung bis zum 30. Juli 03 entscheiden; die Zustimmung des Parlaments wird allerdings erst nach der Sommerpause erwartet. Unter dem Begriff “Provincial Reconstruction Team” (PRT) sind bisher
    - 3 US-Teams,
    - 1 Uk-Team,
    - 1 DE-Team in Herat und wahrscheinlich
    - 1 kanadisches PRT vorgesehen.

    Während sich das Bundeskanzler-Amt und NGO’s (Nicht-Regierungs-Organisationen) skeptisch äussern, hat man sich im AA und BMVg mit den möglichen Folgen der Kanzler-Zusage abgefunden.
    Für das deutsche PRT waren zunächst 70 Soldaten im Gespräch; jetzt geht man von einem Umfang von 500 Soldaten aus.

    Die Mandatierung ist schwierig. Da man für eine ISAF-Flagge einen erneuten Beschluss des U.N.-Sicherheits-Rates benötigen würde, will man das Herat-PRT unter den “Enduring-Freedom-Beschluss” des Bundesteages subsumieren. Absehbar ist, dass bekannte Parlamentarier hier den Hebel ansetzten. Formal haben sie durchaus recht: Ein “robustes” Mandat ist eine Kriegs-Erlaubnis - und nach den Grundsätzen der deutschen Politik darf die Bundeswehr ohne U.N.-Mandat nicht robust sein.

An friedlich klingende Sprachschöpfungen wie robuste PRT hat sich die Welt noch nicht gewöhnt. Oder umgekehrt: die Sprachschöpfer wollen der Welt dieselbe abgewöhnen.

{Persil bleibt Persil - Krieg wird Frieden}

 

D-Interesse: hampelt

11. Juni 2003

Irgendwann - gegen 1992, wurde der damalige Leiter des Planungsstabes des deutschen Verteidigungsministeriums, Hans Rühle, vom SPIEGEL in einem Artikel mit dem Kassandra-Satz zitiert, dass im Falle einer “Anlandung” von soundsoviel toten Bundeswehr-Soldaten, die in einem “fernen” Konflikt gefallen sind, sofort die Sinnfrage nach dem Einsatz gestellt werden würde. 10 Jahre ist uns das erspart geblieben.

Gestern haben wir den Kommentar von Armin-Paul Hampel, MdR, über alle Kanäle der ARD hören dürfen: Nein, es ist nicht in deutschem Interesse, die Freiheit der Welt “am Hindukusch” zu verteidigen. Immerhin: mutig, eindeutig, herausfordernd, kernig gesprochen (aber in spezifischer Hinsicht doch sehr hinterfragbar).

Es wäre absolut falsch, die Grösse der “Hampel”-Fraktion im Meinungsfeld der Deutschen zu unterschätzen, sogar in der Bundeswehr selbst (aus der Hampel kommt und aus der der Bundeswehrverbands-Vorsitzende Gertz sofort krähte).

Eigentlich könnte man sich entspannt zurücklehnen. Irgendwan müsste (von Regierungs-Seite) die intellektuelle Sprengkraft der Argumentation aufblitzen, die die Hampel’schen Einfachheiten wegfegt.

Einfach ist u.E. die Sache allemal:

  • Deutschland kann der Welt signalisieren, dass es mit seiner “nationalen Seele” weitab von aller Wirklichkeit ist (wir sind halt unilateral);
     
  • Der von uns behauptete Werte-Kanon existiert tatsächlich.

So oder so kommt man in ein Fahrwasser, welches granaten-mässig nach Patriotismus riecht. Trotzdem kommt man um die Fragestellung nicht herum (haha - reingelegt).

{Absolut ätzend ist allerdings, dass man z.B. bei n-tv zur Umfrage gefordert wird, um mit 0,49 EUR/Minute die Senderkasse zu füllen}

 

ISAF/Attentat: Joh. 15.13

10. Juni 2003

Jederman/frau wird sich positionieren müssen aufgrund der Nachricht aus Kabul. Bisher konnte man immer entfleuchen mit Unfällen, ähnlichem. Erstmals fallen deutsche Soldaten in einem “ungleichen” Kampf und Ungenannte dazu. Die fraktionierte deutsche Gesellschaft wird Schwierigkeiten haben, angemessene Trauer-Arbeit für ihre Soldaten zu verrichten.

Zugern hätten wir die Kompetenz, alle gesellschaftlich relevanten Gruppen nach ihrem Rational/Emotional für den Tod im fernen Afghanistan abzufragen. Das wäre dann zu “spiegeln” mit dem der Attentäter. Eine rein weltliche (materielle) Angelegenheit könnte das nicht sein.

Es gab Zeiten, in denen wir in Ostdeutschland gewandert sind und mitten in Dörfern die Inschriften der 1.Weltkrieg-Denkmäler vergleichen konnten. Damit keine Hybris von falschverstandenen Aufgeregtheiten entsteht:

  • es ist nur für die Liebe der Seelen selbst;
  • alles ist nur für die innere Besinnlichkeit;
  • für jegliche Plakatierung fehlen alle Voraussetzungen:

Behandle mit aller Vorsicht und äusserster Demut die Inschrift, die auf Johannes 15,13 (NT) verweist.

{Erst denken, dann (nicht mehr) kränken}

 

UNSC 1484: Bunia-Syndrom

4. Juni 2003

Aufgrund der Entwicklung in der Demokratischen Republik Kongo hat sich der Sicherheitsrat der U. N. zu der Resolution 1484 durchgerungen. Nur kurze Zeit nach dem Irak-Krieg wird die deutsche Politik erneut mit der Frage konfrontiert, welche konkrete Position sie zu dieser Wirklichkeit einnimmt, die in der sicherheitspolitischen Terminologie gern als “Risiko und Herausforderung” tituliert wird.

Die Stellungnahmen aller Politiker und Experten, die wir bis heute gehört haben, vermeiden tunlichst die Zustimmung zu einer “Kriegs-Beteiligung” Deutschlands; man bietet schicke Airbus-Medizin an - das Sterben möchte man französischen, belgischen und und anderen Soldaten überlassen (man ist “noch nicht soweit”). An sonstigen Argumenten fehlt es nicht:

  • In höchstrangigen Amtsstuben befürchtet man, dass Jacques Chirac dem deutschen Kanzler auf dem G8-Gipfel Zusagen abgerungen hat. Der Feigheits-Test nach dem Pralinen-Gipfel der ESVU kommt schneller als erwartet;
     
  • Aus deutscher Sicht ist die französische Initiative nichts anderes als der Missbrauch der europäischen Sicherheitspolitik für post-koloniale Interessen. Gern erinnert man sich an Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe, der seinem französischen Kollegen buchstabiert hat, dass das Euro-Korps kein Afrika-Korps sei.

Zentraler Analyse-Punkt ist: Wer hat sich als erster “aus dem Fenster gehängt” (= Führung, Taktung vorgeben, Punkte sammeln)? Aussenminister Fischer hat vom NATO-Aussenminister-Treffen in Madrid die heimischen TV-Beobachter mit seiner schon gefürchteten Sorgen-Falten-Intonierung den zweiten Knallpunkt gesetzt. Er kann es sich als EU-Aussenminister-Kandidat leisten, von allen innenpolitisch genährten Argumentations-Motivationen Abstand zu nehmen.

Das Meinungs-Gestöber findet aber vor allem unterhalb des zentralen Punktes der U.N.-Resolution 1484 statt und relativiert die deutsche Angst-Debatte total:

  • Obwohl in der Res. 1484 von den Kämpfen und den (Kriegs)Greuel in der Region Ituri die Rede ist, ist das robuste U.N.-Mandat strikt auf die Stadt Bunia und zeitlich bis zum 1. Sept. 2003 beschränkt.

Die Folgen sind absehbar:
Wenn die rund 1.500 Soldaten starke “Interim Emergency Multinational Force” endlich in Bunia patroulliert, werden die Kinder-Soldaten in den Kriegsurlaub befohlen. Wer auf dem Lande ausserhalb Bunias unbedingt töten möchte, muss den U.N. alllerdings per Postkarte bestätigen, dass er sie für unfähig hält.

Völlig unbehelligt werden die Drahtzieher bleiben, die den Kinder-Soldaten-Tod finanzieren. Sicher ist uns entgangen, welche konkreten Massnahmen die EU-Aussenpolitik unternommen hat, um die wahrscheinlich in Europa zu ortenden Geldgeber der Gold- und Diamanten-Fraktion zu fassen. Auf die beteiligten afrikanischen Regierungen scheint die europäische Politik ebensowenig einen nachhaltigen Eindruck zu machen. Aber bestimmt wird die Habermas’sche Avantgarde der post-clausewitz’schen Strategie-Intelligenz das alles in Ordnung bringen.

{Blutzoll ist nur eine Ordnungs-Widrigkeit (!?)}

 

Jürgen Habermas: weich

2. Juni 2003

Wenn die SuperGranate der deutschen Philosophenschaft, Jürgen Habermas, in der FAZ (31.5. 03) unter dem Titel “Unsere Erneuerung” die Empfehlung für die “Wiedergeburt Europas” lanciert, ist schon Aufmerksamkeit angesagt.

Wer aber glaubt, dass er Antwort findet auf die konzeptionelle Frage, wie denn die schwierigen Fragen der Sicherheitspolitik beantwortet werden, der wird u.E. kein Rezept finden.

Nach dem man einiges “bashing” der blöden Amis gelesen hat, stolpert man über:

  • “Wenn das Thema bisher nicht einmal auf die Agenda gelangt ist, haben wir Intellektuelle versagt.”

Dann folgt der Trost, dass Europa exemplarische Lösungen für “zwei Probleme gefunden hat”:

  1. Das “Regieren jenseits des Nationalstaats”, welches “in der post-nationalen Konstellation Schule machen könnte” und
     
  2. “Auch die europäischen Wohlfahrtsregime waren lange Zeit vorbildlich”.

Welche Intellektualität verbreitet sich da, wenn Konjunktive und Vergangenheits-Beschreibungen Urständ feiern?

Und die archetypische Crux europäischer Sicherheitspolitik ist natürlich wieder an Bord: Alle ernsthaften Weltinnenprobleme kann man

  • als holocaust-gezeichnet,
  • “mit bellizistischer Vergangenheit” über
  • “die kantische Hoffnung auf eine Weltinnenpolitik beflügelt”

verweben und die “Domestizierung staatlicher Gewaltausübung auch auf globaler Ebene eine gegenseitige Einschränkung souveräner Handlungsspielräume” verlangen.

Mit anderen Worten: In der Habermas’schen (und sonstigen Euro-Illu-Welt) findet die Wirklichkeit und die Bösartigkeit staatlicher Regierungs-Welt überhaupt nicht statt.

Denn es ist bewiesen: “die weiche Macht  von Verhandlungsagenden, Beziehungen und ökonomischen Vorteilen”.

Wenn die Habermase dieser Welt in aller wohlfeilen Lyrik nur endlich stringent beweisen würden, dass die “weiche Strategie” die einzige ist, hätten sie jegliche Zustimmung. Warum  konzentrieren sie nicht ihre versammelte Bleiwüste genau auf diesen Knackpunkt?

Ist es intellektuell “unfein”, sich auf “Rote Khmer”, Ruanda oder aktuell Kongo zu outen? Wenn Wiedergeburts-Intellektualität habermas’schen Zuschnitts bedeutet, sich den Wirklichkeiten weich zu entfremden, kann man sich natürlich prima “erneuern”.

{Erneuere Dich weich - schon bist Du wiedergeboren}

 

VM Peter Struck: Zukunft

28. Mai 2003

Wenn deutsche Verteidigungsminister an der Führungsakademie der Bundeswehr (FüAk) in Hamburg eine Rede halten, ist das Event nicht irgendeines. Im Saal sitzt der selbstempfundende Korps-Geist der (zukünftigen) Führungs-Elite der deutschen Streitkräfte und deshalb darf man vorab den Anspruchs-Level justieren.

Gestern hat Peter Struck an der FüAk 6,5 Seiten militär-ministerielles zum besten gegeben:
http://www.bmvg.de/archiv/reden/minister/030527_fueak.php

Im Mittelpunkt stand die Wehrpflicht. Im Gegensatz zu Rudolf Scharping hatte Peter Struck bisher das Stichwort “Söldner” vermieden. In Hamburg feierte es leider fröhliche Wiederkehr:

  • “Wehrpflicht erhalten heisst für mich: Deutsche Soldaten werden nicht zu Söldnern”;
  • “Wehrpflicht erhalten heisst für mich: Nachwuchs nicht kaufen, sondern gewinnen”;
  • “Die Bundeswehr wurde bis heute nie als Expeditionskorps oder als Söldnertruppe zur Durchsetzung deutscher Interessen wahrgenommen ... Deswegen noch einmal: Dazu trägt auch die Wehrpflicht ganz wesentlich bei! Das soll so bleiben”.

Es ist wirklich sehr dünnes Eis, wenn “staatsangehörige” Soldaten eines Staates, die als Berufs- oder Zeitsoldaten wehrverfassten Dienst in Streitkräften, auch im Krieg,  durchführen, durch einen Verteidigungsminister eines demokratischen Staates in die “Ecke” des gekauften Killers insinuiert werden, noch dazu in einer Rede dieses Kalibers. Aber die Redenschreiber, die den “Söldner-Tick” haben, sterben wohl nicht aus.

Wer solches sagt oder sich aufschreiben lässt, sollte den zweiten Blick auf seine eigenen Soldaten nicht vergessen: Kein deutscher Wehrpflichtiger (W9) darf, selbst wenn er es wollte, ausserhalb der Landesgrenzen der Bundesrepublik Deutschlands die Sicherheit seines Landes verteidigen. Wenn, von Peter Struck so angeführt, 20 % des Personals bei Auslandseinsätzen “Freiwillig zusätzlichen Wehrdienst Leistende” (FWDL) sind, dann wird hier unprofessional verschwiegen, dass die FWDL mit ihren 12 Monaten Dienstzeit “freiwillig Dienende” und somit nicht mehr (9 Monate) verpflichtet dienen (also “gekauft”).

Eine zweite Passage der FüAk-Rede von Peter Struck wird sicher für Verwirrung gesorgt haben:

  • “Ich habe den Generalinspekteur beauftragt, auf der Grundlage der geltenden Rechtslage, der Verteidigungspolitischen Richtlinien und unter Berücksichtigung meiner Entscheidung seine Prüfung der Wehrpflicht durchzuführen. Über die endgültige Ausgestaltung der Wehrpflicht werden wir dann bis Ende des Jahres entscheiden.”

Wie soll man diesen Text verstehen, wenn VM Struck bis zur Sommerpause ein Votum zur Wehrpflicht von der SPD-Fraktion will? Soll das nur grundsätzlich sein oder W4, W6 oder W9? Und was heisst es, dass bis Ende des Jahres endgültig entschieden wird?

Alle FüAk-Hörer werden im Kopf gehabt haben, dass der General-Inspekteur bis Jahresende eine neue Konzeption der Bundeswehr für seinen Minister entwerfen soll, in der die “endgültige Ausgestaltung der Wehrpflicht” ein ganz entscheidender Baustein ist.

General Schneiderhan kann eine neue Konzeption der Bundeswehr bis zum Jahresende wohl nur dann sinnstiftend entwickeln, wenn vorab die zukünftige Wehrpflichtdauer im Spektrum der Möglichkeiten von W3 bis W9 festgelegt worden ist.

Mit anderen Worten: Ist die FüAk evtl. ein Platz für Blend- und Nebelkerzen-Mannöver? Sicher ist, dass Verteidigungsminister Peter Struck nicht umhin kommt, bis zum Sommer hinter sein Ja zum grossen W auch die konkrete Zahl zu schreiben.

{Die Zukunft beginnt, wenn man es will}

 

Wehrpflicht: Gefechtslage

26. Mai 2003

Bis zur Sommerpause werden wir wissen, ob Verteidigungsminister Peter Struck das erste richtige Gefecht mit seinen Genossen gewinnt: Um die Wehrpflicht. Fraktions-Chef Müntefering gab der Nachrichten-Agentur Reuters in den Block: “Ich sehe nicht, dass jetzt eine Entscheidung ansteht”; damit plädiert er für die Einhaltung des Koalitionsvertrages, der erst 2006 eine Überprüfung der Wehrpflicht-Frage vorsieht. Die “Welt” meldete am 24. Mai, dass Finanzminister Eichel und Familien-Ministerin Renate Schmidt sich in der Kabinetts-Sitzung (21.5) “skeptisch bis kritisch” zur Wehrpflicht geäussert hätten. Interessant ist die Darstellung der Begründung von Hans Eichel: Durch den Wegfall von rund 100.000 Zivildienstplätzen könnten entsprechend Minijobs entstehen. Besser kann man wohl kaum dokumentieren, welches Interesse man an der Bundeswehr hat.

Minister Struck muss sich jedoch noch selbst genau positionieren. Seine zunächst favorisierte 4-Monats-Wehrpflicht wurde durch den Einspruch von Ministerin Renate Schmidt auf 6 Monate erhöht, damit der Zivildienst noch halbwegs sinnvoll ist. Welche Auswirkungen eine 6-monatige Wehrpflicht (W6) auf die W9-Bundeswehr hätte, weist der Führungsstab der Bundeswehr in einem zweieinhalb-seitigen Papier nach:

  • “Heute und zukünftig ist etwa jeder dritte Soldat in den Streitkräften GWDL” (Grundwehrdienst-Leistender);
     
  • “Nach der Allgemeinen Grundausbildung von 3 Monaten und einer Spezial-Grundausbildung von durchschnittlich 4 Wochen stehen rechnerisch insgesamt bei W6 noch 8 Wochen zur Wahrnehmung der Funktion zur Verfügung. Urlaubsansprüche etc. reduzieren die tatsächliche Verfügbarkeit in der Funktion um mindestens 3 weitere Wochen. Damit stünde der GWDL W6 in der Praxis netto für maximal 5 Wochen in der Funktion zur Verfügung.”
     
  • Aus dem verfügbaren GWDL-Potential von 81.000 Männern “können planerisch maximal 40.000 GWDL-W6-Dienstposten besetzt werden. Das bedeutet 13.000 weniger GWDL-Dienstposten in der Struktur und somit eine Absenkung des Streitkräfte-Umfangs auf 272.000”;
     
  • Das Fazit des Führungsstabes lautet:
    - “Abnehmendes Leistungsvermögen der Streitkräfte
    - Völliger Neuansatz der Streitkräfteplanung (Auftrag, Struktur, Stationierung!)
    - Mehrkosten für Personal in Höhe von 260 Mio. EUR bei teilweiser Kompensation von insgesamt 30.000 wegfallenden Dienstposten
    - Abnehmende Attraktivität auf die Nachwuchsgewinnung
    - Verschärfung der Sinndiskussion um die Wehrpflicht.”

Aus diesem Zusammenhang ergibt sich, dass sich Minister Struck auf die Verteidigung der W9-Position festlegen muss. Gleichzeitig wird sich bis zum Jahresende ein Mehrfronten-Krieg aufbauen:

  • General-Inspekteur Schneiderhan kann in seiner bis dahin vorzulegenden neuen Konzeption der Bundeswehr die erhebliche Finanzlücke im Rüstungsbereich nur dann einigermassen verengen, wenn der Umfang der Streitkräfte abgesenkt wird. Bei einer Personalstärke von 240-260.000 wird W9 allerdings zu einer Auswahl-Wehrpflicht führen, negativ gesprochen zu Wehrungerechtigkeit;
     
  • Die entsprechenden Kasernen-Schliessungen werden massiven Regional-Protest verursachen;
     
  • Die Absenkungen dürfen nicht dazu führen, dass der Finanzminister (wie bisher) Personalkosten-Senkungen zum Anlass für einen Etat-Abbau nimmt.

Als Munition für dieses Gross-Gefecht fallen uns nur zwei Kaliber ein:

  • Eine “ehrliche” und bis ins Detail spezifizierte Abhandlung über die Zusammenhänge und Entwicklungstrends der Probleme der Bundeswehr sowie ihrer Lösungs-Optionen;
     
  • Die unerschütterliche Hoffnung, dass der Kanzler Minister-Deckung gibt.

{“Der Weg des Samurai besteht in der Verzweiflung” (Hagakure, 1. Kap.)}

 

Bundeswehr-Reform: Struck-Muster

21. Mai 2003

Nun ist es amtlich: Verteidigungsminister Peter Struck hat die “Reform der Reform” begonnen. General-Inspekteur Wolfgang Schneiderhan hat von ihm den Auftrag bekommen, bis Jahresende eine neue Konzeption der Bundeswehr zu entwerfen. Das Ergebnis ist mit dem Schlagwort “Weizsäcker” gekennzeichnet:

  • Die Bundeswehr wird auf eine Stärke von 240.000 abschmelzen;
     
  • Die Wehrpflicht wird bei 9 Monaten verbleiben und zum “Auswahl”-Dienst für 40 - 50.000 Grundwehr-Dienstleistende führen (dem “Feind” Bundesverfassungsgericht schaut man gelassen ins Auge);
     
  • Das Heer wird die Hauptlast tragen; und die Kommunen, denen die Standort-Einkünfte fehlen werden;
     
  • Neugierige sollten schlicht den “Weizsäcker-Bericht” durchackern:
    http://www.bundeswehr.de/pic/pdf/reform/refbrosch_mai2000GemeinsameSicherhe it.pdf

Peter Struck ist zu bedauern, dass er die unselige “Ich will ins Geschichtsbuch - nicht Weizsäcker”- Entscheidung von Rudolf Scharping ausbaden muss. Andererseits wird wohl kaum jemand umhin können, dem Bw-Bismark Anerkennung für seinen Mut zu zollen.

{Aaaachtunkk - Alles Aufff}

Nachtrag: Den Volltext der VPR, Erläuterungen und den Text der Presse-Konferenz finden Sie auf:
http://www.bmvg.de/sicherheit/vpr.php

 

A400M: basta

21. Mai 2003

Heute wird der Haushalts-Ausschuss des Deutschen Bundestages endgültig der Beschaffung von 60 Militär-Transport-Flugzeugen des Typs A400M für die Bundeswehr zustimmen. Damit wird eine Zäsur erreicht, die für Gedanken über “lessons learned” und Ausblicke Platz lässt:

  • Wie bei mehreren deutschen Gross-Vorhaben der Rüstung haben
    - arbeitsplatz-politische,
    - regionale und strukturelle,
    - technologische und steuerpolitische,
    - Firmen- und europa-strategische
    - und vor allem aussenpolitische
    Beweggründe die entscheidende Rolle gespielt - nicht die verteidigungspolitische Forderung nach der Abdeckung einer
    militärischen Fähigkeit, die in sich selbst fragwürdig genug ist.
     
  • Nach den mittelfristigen Preis-, Haushalts- und allgemeinen finanzwirtschaftlichen Relationen wird ab 2011 die zulaufende A400M bis ca. 2014 ein Viertel (bis ein Fünftel) der gesamten Rüstungs-Aufwendungen beanspruchen.
     
  • Ab 2011 bis 2016 werden jahres-durchschnittlich 10 Flugzeuge in den Dienst übernommen, um dann ein Leistungspotential zu entfalten, welches die wichtigste militärische Forderung noch nicht einmal annähernd erfüllt.
     
  • Hätte die politische Führung des Verteidigungsministeriums ab 1998 unter Nutzung des vorhandenen Sachverstandes nachhaltig strategisch geführt, ohne insbesondere französischen Einflüssen der Industrie (Lagardere) auf die Politik nachzugeben, wäre  eine Lösung möglich gewesen, die erheblich billiger, technisch risikolos und wesentlich zeitnäher gewesen wäre (eine erzwungene europäisch/russische Kooperation, sprich Antonov 70). Rudolf Scharping und Bundeskanzler Schröder waren weder willens noch in der Lage, Führungsfähigkeit zu beweisen.

Der Ausblick auf die A400-M-Agenda 2010 ist keineswegs ermutigend:

  • Ex-Verteidigungsminister Rudolf Scharping hat in einer seiner Presse-Mitteilungen verkündet, dass man mit dem A400M-Projekt die europäische Luftfahrt-Industrie zum Konkurrenten der USA aufbauen wolle, die den (westlichen) Militär-Transporter-Markt beherrsche, getreu dem Airbus-Vorbild. Nach einer amerikanischen Marktstudie besteht bis 2010 auf dem Weltmarkt ein Nachfrage-Potential für Militär-Transporter von 1.000 Flugzeugen.

    Die A400M startet ungünstig. Anfangs (1999) hatte man in Europa noch ein Auftragspolster von 288 Maschinen. Jetzt liegt der Auftragsbestand nur noch bei 180 Flugzeugen, genau der Zahl, die Airbus Military als unterste Grenze für eine Auftrags-Annahme genannt hat. Da das russische Konkurrenz-Muster AN 70 mit hinreichender Sicherheit zum halben Preis ab 2005 verfügbar ist, wird sich die Nachfrage des Welt-Marktes kaum auf die A400M lenken lassen.
     
  • Die für die tatsächliche Transport-Leistung derA400M äusserst wichtige Antriebsfrage hat schon in der Vergangenheit für ausreichende Diskussionen gesorgt. Generell ist die Entwicklung eines neuen Triebwerks immer mit hohen technischen und damit finanziellen Risiken verbunden. Schon bei der Konzeption des A400M-Triebwerks gibt es erhebliche Unsicherheit; ausserdem fehlt dem Industrie-Konsortium die spezielle Erfahrung bei Turboprop-Triebwerken.

Andererseits soll man sich nicht durch Unkerei, Pessimismus und sonstige Zukunftsängste von Ahnungslosen das Leben vermiesen lassen. Recht so.

{Man trinkt halt nicht aus dem Fernglas}

 

Präsident Rau: Abstraktion

20. Mai 2003

Bundespräsident Johannes Rau hat in seiner “Berliner Rede 2003” ausschliesslich zu Fragen der Aussen- und Sicherheitspolitik Stellung genommen. Neben allen inhaltlichen Punkten hat das deutsche Staatsoberhaupt eine intensivere öffentliche Debatte über die deutsche Verantwortung gefordert:
“Wir brauchen jetzt eine breite Debatte über die Grundlagen und die Perspektive unserer Politik.”
Hoffentlich werden genügend Bundesbürger die 16 Seiten Rede-Text zunächst abladen (und lesen und, und, und,):
http://www.bundespraesident.de/Downloads/berliner_rede2003_19_05_03.pdf

Sorry, wenn wir einen Satz aus der Rede hervorheben, weil sich ihn ihm die kühlende Wahrheit wiederspiegelt, deren Anwendung auf alle diskutierten transatlantischen Probleme äusserste Ruhe bringt, allerdings auch keine Auflösung:

  • “Unter Freunden und Partnern kann niemand vom anderen erwarten, dass er etwas tut oder unterstützt, was seiner Erkenntnis und seiner inneren Überzeugung widerspricht” (dass das beiderseitig gemeint ist, zeigt der Folge-Text).

Trotzdem wäre zu hoffen, dass sich - durch welche Wunder auch immer generiert - in Deutschland eine sicherheitspolitische Debatte zu von Präsident Rau angesprochenen Schlüsselfragen entwickelt (dabei ist nicht zu vergessen, dass ohne “Führung” der Regierung gar nichts geschehen wird - wie in der Innenpolitik):

  • “Darum müssen wir viel früher mehr Energie und auch mehr finanzielle Mittel darauf verwenden, um Konflikte mit zivilen Mitteln zu lösen oder wenigstens einzudämmen. Wir brauchen Mut zur Zivilität” (S.6, auch S. 12).
    (fast Depression und unendliche Verschuldung - und dann mehr Finanzen für Zivilität?);
     
  • Welche aussenpolitischen Konsequenzen für die aktive deutsche Politik hat die “doktrinäre” Forderung:
    “Religion und Staat müssen getrennt sein”?
    (Dagegen kämpfen nicht wenige Muslime mit aller Kraft und ihrem Leben);
     
  • Auf S. 10 fordert Präsident Rau die Weiterentwicklung des Völkerrechts. Bemerkenswert ist die Ansteuerung des “Präventions”- Problems, welches seit langer Zeit vom US-Präsidenten (auch für den Irak) moniert wird:
    “... wie bei der denkbaren Verbindung zwischen internationalem Terrorismus und Massenvernichtungswaffen”. Direkt im Anschluss hiernach heisst es aber:
    “Bei allen Reformüberlegungen muss aber gelten, dass auch in Zukunft kein Staat für sich das Recht auf Intervention beanspruchen kann.”
    (Da - mehr oder weniger - einzig die USA zur Intervention fähig sind, ändert sich auch bei einer Reform des Völkerrechts in der Vetofrage damit nichts);
     
  • Etwas irritiert sind wir über einige Bemerkungen des Bundespräsidenten zur Bundeswehr (S. 15):
    “Ich vermisse eine breit geführte gesellschaftliche Debatte über die Frage, wie die Bundeswehr der Zukunft aussehen soll”.
    (Ist das eine Forderung nach der Reform der Reform?)

    “Neben solchen Friedensmissionen bleiben die Bereitschaft und die Fähigkeit zur Landesverteidigung unverzichtbar: Niemand kennt die Zukunft.”
    (Durch die neuen “Verteidigungspolitischen Richtlinien” (VPR) wird die Landesverteidigung gerade auf “Rekonstitutions”-Fähigkeit abgesenkt??);
     
  • Gern wüssten wir, wie sich das u.E. nicht erst seit diesen Zeiten festzustellende DELTA schliessen lässt, welches auf S. 16 zu finden ist:

    - “Für viele Menschen ist Aussenpolitik noch immer abstrakte Politik. Die Wege der Diplomatie und die Sprache der Kommuniqués bleiben ihnen oft fremd. Sie misstrauen den Ritualen der Politik. Selbst in den Parteien gelten Aussenpolitiker zuweilen als Exoten.”

    - “Deshalb müssen wir Verantwortung übernehmen in dieser Welt. Das ist in unserem eigenen deutschen Interesse.”

Vielleicht unbeabsichtigt wird Präsident Johannes Rau einige Zeitgenossen (uns z.B.) in Interpretations-Zweifel über seiner Rede gebracht haben. Auf Seite 6 bekennt er sich bei der Diskussion einer von ihm recht heikel dargestellten Problematik dazu, kein “absoluter Pazifist” zu sein (der Nachsatz - “Ich sehe allerdings die Gefahr ... - ist nach unserer Beobachtung in den TV-Medien als einziger gebracht worden und wird die entsprechenden Assoziationen ausgelöst haben).

Leider können wir aus der Definition des “nicht absoluten Pazifisten” für uns nicht ableiten, wer in der “Gefahr” ist, sich an den Krieg “gewöhnen” zu können (vom Bundeskanzler haben wir den Hinweis auf diejenigen, die den Krieg als “normales” Mittel der Politik ansehen, auch schon vernommen). Allerdings können wir uns vorstellen, dass derjenige/diejenigen, der/die unter diesem - verdammenswerten - Verdacht stehen, aber nach ihrer “Erkenntnis” und “inneren Überzeugung” (siehe 1. Rau-Zitat oben) im Sinne der “ultima ratio” gehandelt haben, ganz genau wissen, welche Glocke ihnen umgehängt worden ist; das “Echo” kann man sich denken. Ja, Aussenpolitik ist “noch immer abstrakte Politik”.

{Der Konjunktiv ist die Perfektion der gewollten Abstraktion}

 

VPR: passt

19. Mai 2003

Am vergangenen Freitag (16.5) sind die neuen “Verteidigungspolitischen Richtlinien” (VPR) an die Bundestags-Abgeordneten des Fachbereichs Verteidigungspolitik verteilt worden. Am  kommenden Mittwoch (21.5) werden sie dem Bundeskabinett vorgelegt. “Zur Kenntnis” wohl, denn der Verteidigungsminister handelt verantwortlich für seinen “Geschäftsbereich” und das Deckblatt mit Datum 21. Mai. 2003 sagt aus, dass es sich um einen “Erlass” handelt. Am darauffolgenden Tag ist ein “fraktionsoffener” Diskussions-Abend vorgesehen und für den 23. Mai kann man auf eine Veröffentlichung (auf bundeswehr.de) hoffen.

Einerseits sollen die VPR, die den vorherigen Erlass von Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe vom 26. November 1992 ablösen, von grosser Bedeutung sein, denn in Ziff. 8 heisst es:

  • “Die VPR sind die verbindliche Grundlage für die Arbeiten im Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung.”

Andererseits wird der Verteidigungsminister zu erklären haben, welchen Grad der Verbindlichkeit sein Erlass hat, vor allem die Ziff. 12, die als eigentlicher Kern der neuen VPR ausgemacht werden kann:

  • “Die herkömmliche Landesverteidigung gegen einen konventionellen Angriff als allein strukturbestimmende Aufgabe der Bundeswehr entspricht nicht mehr den aktuellen sicherheitspolitischen Erfordernissen. Die nur für diesen Zweck bereitgehaltenen Fähigkeiten werden nicht länger benötigt. Der Wiederaufbau der Befähigung zur Landesverteidigung gegen einen Angriff mit konventionellen Streitkräften innerhalb eines überschaubaren längeren Zeitrahmens - Rekonstitution - muss jedoch gewährleistet sein.”

Wenn der 1. Satz der Ziff. 12 richtig wäre, könnte man fragen:

  • Ist diese Aussage auf die von Ex-Generalinspekteur Harald Kujat konzipierte Bw-Struktur zu beziehen, die im Zeitraum 2006 - 2010 modifiziert umgesetzt werden soll?
     
  • Oder anders: Wie hoch ist der “verborgene” Rest der “strukturbestimmenden” Landesverteidigungsrolle in der Scharping’schen Bw-Reform?
    (Wir erinnern uns, dass Kujat-Vorgänger General von Kirchbach eine Konzeption der Bundeswehr vorgeschlagen hatte, die soweit von der Kujat-Reform nicht entfernt war und in der von 30.000 Dienstposten für die “Landesverteidigung” die Rede war).
     
  • Oder noch anders: Muss der derzeitige General-Inspekteur Schneiderhan aufgrund der neuen VPR vom Minister beauftragt werden, eine neue “Konzeption der Bundeswehr” zu schreiben (die Kujat-Konzeption hat bei uns das Datum 13.12.2001)?
     
  • Oder ganz einfach: Welcher konkrete Handlungsbedarf ergibt sich aus den VPR? Kann die Bundeswehr auf x Dienstposten verzichten und wieviel werden für die Rekonstitution ausgeworfen?

{Eine deutsche Konzeption passt in jede Richtlinie - und umgekehrt}

 

Op-ed.: Blanker Peter

16. Mai 2003

Nachdem der “blanke Hans” (für Kids: verheerende Sturmflut) die Republik mit abgrundtiefen wirtschafts- und finanzplanerischen Daten überspült hat, stellt sich für die Verteidiger die Frage, inwieweit sie das eigentlich tangiert.

  • Gibt es einen massiven Druck auf die Schotten, dass die Verteidigungsausgaben bis 2006 (nur) eingefroren werden?
     
  • Vermehrt sich die Erkenntnis, dass sich das äusserst günstige Einfrieren wohl auf 2007, 2008 verlängern wird?
     
  • Wird die unglaubliche Korona von Haushalts-Experten, die im Nachgang des Minister-Wechsel alle Schlüssel-Positionen des BMVg besetzt hat, den Minister mit sachgerechten Einschätzungen briefen?
     
  • Was denkt sich der wahrlich mit reichlich politischer Erfahrung gewaschene Minister selbst?

Der auch als Rechtsanwalt sozialisierte Verteidigungsminister weiss blind wie Justitia sein Urteil; er muss nur noch (nicht so deutlich) aussprechen, was alle wissen:

  • Die Scharping-Reform der Bundeswehr ist ein lichterloh brennender Gescheitert-Haufen. Es hilft nicht weiter, den Slogan von der “Reform der Reform” peinlichst zu vermeiden;
     
  • Alle bisherigen Struck-Streichungen (mit einer möglichen Einspar-Summe von 1 Mrd. EUR in 2007 oder so) verkleistern nur die wirkliche Lage;
     
  • In der Wehrpflicht-Frage haben die KDV-gesteuerten W6-Propagandisten vergessen, dass diese Lösung teurer als W9 ist, weil zwei 40.000-Durchläufe von W6/Jahr nun mal mehr Ausbildungs-Kapazitäten verlangen. Und um eines kommt man nicht herum: Die Wehrpflicht ist (und bleibt) eine Grundsatz-Frage;
     
  • Wenn die neuen “Verteidigungs-Politischen Richtlinien” (VPR) schon das “Ende” der Landesverteidigung verkünden, dann besteht auch die Chance (und Verpflichtung), den einzig möglich Weg der Ressourcen-Rettung zu gehen: radikaler Personal-Abbau.

Über TV haben wir gelernt, dass der Mensch pro Tag ca. 60.000 Gedanken haben soll. Aus persönlicher Erfahrung wissen wir, wie schwierig es ist, sich nur auf den einen (und wichtigsten) zu konzentrieren. Der lt. Harald Schmidt Bismark nicht unähnliche Peter Struck kann ihn sich auf das blanke Papier schreiben:

  1. Hol’ dir carte blanche von Gerhard;
  2. Verbringe eine lauschiges Klausur-Wochenende mit dem Mann/Frau, der wirklich (von allem) Ahnung hat und lass ihn reden;
  3. Erteile den Auftrag und entspanne dich.

Im vorherigen Leben waren wir ganz hochrangige Berater für Führungs-Kräfte. Derzeit reicht es nur für klugpupsende Schmalspur-Journaille.

{Man tutet, was man nicht lassen kann}

 

World Bank: LICUS

15. Mai 2003

Wenn bei der WORLD BANK eine Studie zur Sicherheitspolitik erscheint, müsste das ein Gross-Ereignis für alle Friedenstauben sein. Wir wüssten zugern, welchen intellektuellen Niederschlag der Report in Deutschland hat. Nehmen Sie am Wettbewerb teil.
Produzieren Sie einen Ordner auf Ihrem Desktop und laden Sie umständlich die 10 Teile herunter:
“Breaking the Conflict Trap - Civil War and Development Policy:
http://econ.worldbank.org/prr/CivilWarPRR/text-26671/

Die WORLD BANK-Experten unter Führung von Paul Collier haben 52 grössere Bürgerkriege untersucht, die im Zeitraum von 1960 - 1999 stattgefunden haben. Der typische Konflikt dauere sieben Jahre und hinterliess anhaltende Armut und Krankheiten, wie es in der Presse-Mitteilung heisst. Nicht ethnische, religiöse oder Einkommens-Unterschiede seien der Grund für die erhöhte Wahrscheinlichkeit eines Bürgerkrieges, sondern schlicht Armut, ökonomischer Verfall und die Abhängigkeit vom Export natürlicher Ressourcen.

Gerade für zwei MinisterInnen der Bundesregierung und den Bundeskanzler müsste der Report Pflicht-Lektüre sein, denn er handelt ja vornehmlich von nicht-militärischer Krisen-Prävention. Natürlich haben wir auch nur die Presse-Mitteilung und das Kapitel Sechs des Reports (“An Agenda for International Action”) gelesen. Die dort aufgeschnappten Stichworte reichen für ein Studium entsprechender Unterlagen, die man nie erhalten würde, für Ewigkeiten:

  • Die reinste Bewunderung zollen wir den Experten von
    - World Bank,
    - United Nations Development Programme und
    - dem Development Assistance Committee der OECD,
    die für eine Entwicklungshilfe-Strategie im Umfeld von “poor policies and weak governance” das Pilot-Projekt LICUS (heisst wahrscheinlich Low Incom Countries United Strategies) entwickelt haben (S. 176 unten). Zu gern wüssten wir, wer in dieser Republik auf die Frage nach LICUS eine halbwegs zufriedenstellende Antwort geben könnte;
     
  • Der augenscheinlich nicht pazifistische World-Bank-Report fordert locker:
    “The military commitment should be for longer” (S. 185 unten). Würde Peter Struck die hier versteckten Bw-Committments kalkulieren, würde ihn irgendetwas treffen;
     
  • Auf S. 176 findet man den Vorwurf, dass die Entwicklungshilfe nicht den ärmsten Staaten gegeben wird, sondern den Nichtso-Armen aus partiell kommerziellen, geopolitischen Gründen oder schlicht bürokratischer Trägheit.

Irgendwo meinen wir, den ewigen Gesang der Wale zu vernehmen:

  • Mit einem endlosen Geblubber zerreissen sich die Greenpeacer dieser Welt über Kyoto, den Internationalen Gerichtshof, den Frieden und sonstwas das Mundwerk. Der aberwitzige Krieg findet aber auf dem Gebiet des World-Bank-Reports statt. Wo sind Medien, Literaten und Künstler, Preisträger und Bestseller-Autoren? Unter dem Schutz der künstlerischen Freiheit ist die Schlagzeile nach Schlingensief/Todenhöfer-Art gleich fertig und moralisiert global:
    “Du weinst um 2 Menschen, Zehntausende? Was ist mit dem Millionen-Rest?”

Wieder wird der Lehrsatz bestätigt, dass auch das zivile Leben den Gesetzen der Kriegführung nach Clausewitz unterliegt:

{Das Leben ist die Fortsetzung des Todes unter Einmischung kriegerischer Mittel}

 

Medien-Scanning: War heiter

14.Mai 2003

Wir geben es zu: Eigentlich gibt es heute kein Thema. Nachdem wir aber wieder unendlich die TV-Medien geglotzt haben, kommen wir zum Thema:

  • Bundesinnenminister Schily hat seinen Schutz-Bericht vorgestellt. Gelesen haben wir eigentlich nur Seite 173, wo verzeichnet ist, das Al-Quaida auch in den Nord-Irak ausgewichen ist (hatte das nicht US-Aussenminister Powell vor den U.N. berichtet?);
     
  • Natürlich war der Anschlag in Saudi-Arabien mit 21 (?) Toten und X Verletzten das überregionale Thema. Aber was soll die Aufregung? Es ist doch letztlich die Verantwortung eines jeden Staates, ein “Auge” auf das Zehntel-Promille (oder weniger) von “Verrückten” zu werfen, die es überall gibt (siehe Schily’s Bericht).
     
  • Gut, dass es PHOENIX gibt. Gleich hatten wieder Peter Scholl-Latour und Michael Lüders Konjunktur, die natürlich den Amis wieder heftigen Nachhilfe-Unterricht gaben. Es ist so schön, immer wieder zu lernen, dass wir Europäer den US-Dumpfbacken doch so überlegen sind. Wenn nicht wir Deutschen, so doch wenigstens sind die Europäer die intellektuelle Herrenrasse. Lieber George W., nimm sie endlich in deine Regierung auf, damit sie uns erspart bleiben;
     
  • Auf 3Sat haben wir Gero von Boehm genossen, der Avi Primor, Ex-Israel-Botschafter in Deutschland, zum Gespräch eingeladen hatte. Den Wortlaut sollte man allen “Experten” in den Briefkasten werfen;
     
  • Auf CNN, insbesondere aber auf BBC, haben wir in den letzten Tagen Berichte über die Entwicklung im Kongo gesehen. Gleichzeitig ist uns aufgefallen, dass unser Aussenminister Fischer mit in seinem ZEIT-Interview (20/2003) den dunklen Kontinent entdeckt hat:
    “Nirgendwo steht geschrieben, dass die Konflikte Afrikas immer nur in Afrika, also nach innen, ausgetragen werden. Das Engagement dort wirkt für Europa nicht nur aus historischen Verpflichtungen heraus, sondern auch, weil wir es mit unserem strategischen Nachbarkontinent zu tun haben.”
    Will uns der durch den Meinungsturbo des französischen Aussenministers nun offiziell nach Brüssel absegelnden Liebling mitteilen, dass Afrika unser neues “Killing Field” ist?

    U.E. ist die heutige Top-Meldung, dass Frankreich Truppen in den Kongo entsenden will; von deutschen Nachrichten haben wir das nicht gelernt. Wegen der neuen deutsch-französischen Achse meinen wir aber, dass wir unsere Freunde in der Pariser Regierung damit nicht allein lassen dürfen. Als echte Kameraden für die Weltordnung sollten wir wenigstens ein klitzekleines Bundeswehr-Kontingent in das “strategische” Fischer-Afrika mitschicken, statt das US-Gelumpe im Irak wegzukehren. Im Kongo gibt es vielleicht ausser Gold und Edelsteinen auch Öl?

Es ist ein unglaubliches Vergnügen, wirklich neue Verschwörungsthemen zu konstruieren, statt den ewigen Herzl-Variationen nachzuhecheln. Aber die Kompatibilität damit bekommen wir auch noch hin.

{Steigerung von Wahrheit: War heiter}

 

VPR: behaupten

12. Mai 2003

Der Termin für die Veröffentlichung der “Verteidigungspolitischen Richtlinien” (VPR), dem als Dogma verstandenen Schriftwerk deutscher Sicherheitspolitik, rückt immer näher. Wenn es im Bereich der Tatsachen nur Friktionen gibt, sollte man sich wenigstens der Fiktionen erfreuen. Deshalb setzen wir unsere bisherige Berichterstattung fort:

  • Trotz aller Veränderungen gesteht man ein, dass man “nicht frei von militärischen und nicht-militärischen Risiken” ist;
     
  • Trotz des Hochrufes auf die Rüstungskontroll-Politik der Nicht-Verbreitung von Massenvernichtungs-Waffen meint man, sich wappnen zu müssen mit der “Ergänzung durch Schutzmassnahmen gegenüber Risiken, die sich aus der Weiterverbreitung ergeben” (das ist z.B. die Sprach-Schönung für eine “Taktische” Raketen-Abwehr, für die in der Finanzplanung leider kein Platz ist);
     
  • Was in alten Weissbüchern ähnlich umschrieben wurde, ist die Reizformel, dass
    “die deutsche Wirtschaft .. aufgrund ihres hohen Aussenhandelsvolumens und der damit verbundenen besonderen Abhängigkeit von empfindlichen Transportwegen und -mitteln zusätzlich verwundbar” ist (die blauen Jungs hören das gern);
     
  • Man kann es wie wahrscheinlich gemeint verstehen oder auch journalistisch schächten:
    “Gleichwohl sind die politische Bereitschaft und die Fähigkeit, Freiheit und Menschenrechte, Stabilität und Sicherheit notfalls auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen oder wiederherzustellen, unverzichtbare Voraussetzung für die Glaubwürdigkeit eines umfassenden Ansatzes von Sicherheitspolitik. Gundgesetz und Völkerrecht bilden die Grundlage für alle Einsätze der Bundeswehr.”
     
  • NATO-Freunde werden genügend Belegstellen für deklarierte deutsche Bündnistreue finden. Ob aber in der Action-Policy von Bundeskanzler- und Auswärtigem Amt das richtig ernstgenommen wird, was in “Hindukusch”-Bronze-Sätzen formuliert wird, sei dahingestellt:
    “Krisen und Konflikte, Bedrohungen und deren Ursachen im erweiterten geografischen Umfeld wirken sich immer häufiger und nachdrücklicher auf das Bündnis aus. Die NATO muss sich diesen Anforderungen stellen und in der Lage sein, die lebenswichtigen Sicherheitsinteressen ihrer Mitglieder dort zu verteidigen, wo sie bedroht werden.”
    Logisch ist da nur: “Ihm (Deutschland) fällt im Bündnis eine herausragende Rolle und Verantwortung für den künftigen Kurs der NATO zu.”
     
  • Argumentativ ganz glücklich wenden die VPR den Wegfall der Landesverteidigung in Hinsicht auf das Thema Wehrpflicht um:
    Nun braucht man die Wehrpflicht (vorausschauend 6 Monate natürlich), um die “Rekonstitution” zu befriedigen (das ist die alte “russische Bedrohung” mit einer Vorwarnzeit von mehreren Jahren).
    Obendrein ist den Wehrpflicht-Verteidigern der Terrorismus zur Hilfe geeilt, denn zur dessen Abwehr heisst es: “Auch hierfür ist die Beibehaltung der Wehrpflicht unerlässlich.”
     
  • Was noch nie in einem mehr oder eher minder als verbindlich angesehenen Regierungs-Dokument so zu finden war, wird nun alle Beteiligten wie der Schlag treffen:
    “Die mittelfristige Finanzplanung ist eine (“die” zu schreiben hat man sich nicht getraut) verbindliche Grundlage für die Planungen der Bundeswehr.”
     
  • Die deutsche Rüstungsindustrie wird es gern lesen, aber keinesfalls glauben:
    “Deutschland wird als Voraussetzung für solche (im Vorsatz hochgelobte europäische und transatlantische) Kooperationsfähigkeit eine leistungs- und wettbewerbsfähige industrielle Basis in technologischen Kernbereichen aufrechterhalten, um auf die Entwicklung entscheidender Waffensysteme Einfluss nehmen zu können.”
     
  • Auch dem letzten ängstlichen Bundesbürger wird der Wert der Bundeswehr erst einleuchten, wenn er den folgenden Satz verinnerlicht:
    “Zum Schutz der Bevölkerung und der lebenswichtigen Infrastruktur des Landes vor terroristischen und asymetrischen Bedrohungen wird die Bundeswehr Kräfte und Mittel entsprechend dem Risiko bereithalten.”

Bei aller Kritik sollte man eines nicht vergessen: Die Zeiten sind entgültig vorbei, in denen (nicht nur) Deutsche die Wirklichkeit per Dekret festlegen konnten. Dass sich dies noch nicht ganz herumgesprochen hat, ist auch nicht überraschend.

{Behaupte nur, es kostet nichts}

 

AM Fischer/ZEIT: umsonst

9. Mai 2003

Logo, ein Interview der ZEIT mit Aussenminister Fischer muss man lesen:
http://www.zeit.de/2003/20/J__Fischer

Aber was dann? Stundenlang haben wir sinnierend vor den fünf Blättern gesessen, Zeit und Welt zu begreifen. Mindestens das Zehnfache müsste man tippen, um dem Herrn Minister all seine Künste nachzuweisen; dazu ist man zu faul und lesen wird es eh niemand. Aber das dahinter versteckte Erfolgsrezept des beliebtesten Politikers wird jederman interessieren; wir haben es im Interview ausgemacht:

  • “Langfristig”

    Wo und welchen Käse Sie auch immer verkaufen: Vergessen Sie bitte auf gar keinen Fall den Hinweis auf die Ewigkeit, moderner: Nachhaltigkeit! Für den Mittelfrist-Zeitraum (ca. fünf Jahre) können Sie alles behaupten. Wenn nach Ablauf von fünf Jahren irgendein Idiot ihren Unsinn mitgeplottet hat, wird dessen Vergangenheitsbewältigung garantiert keinen Menschen mehr interessieren!
     
  • “Modernisierung”

    Modernisierung ist alle Gute: Demokratie, ökonomische, institutionelle, rechtsstaatliche, kulturelle “Komponente”. Die Verheissung dieser Glückseeligkeiten für die ganze Welt darf man keinesfalls unerwähnt lassen. Diesen gnadenlosen Schwachsinn kaufen Ihnen die Leute immer wieder ab. Wenn nichts mehr hilft, ist Ihre tiefe Verehrung für die “Welt-Innenpolitik” oder die Forderung nach einer “neuen globalen Ordnung” angesagt - dann stirbt jeder;
     
  • “Stabilität”

    Verstecken Sie wie Joschka Fischer geschickt, dass Sie nichts ändern wollen. Das Zauberwort ist “Stabilität”. Wer je diesen Begriff geprägt hat, ist der grösste Scharlatan aller Zeiten - oder ein Genie, denn die permanente Wuchtung der Instabilitäten ist StaLabilität.
     
  • “Alles Prima”

    Ob Türkei, Iran oder “road map”: Behaupten Sie immer, dass Sie alles prima machen, intelligenter (als die anderen Blödmänner) - noch besser: Sie haben das alles erfunden (wie die road map). Natürlich sollten Sie einflechten, dass das alles ganz schwierig ist. Ahnen Sie irgendwelchen Widerspruch, vertuschen Sie das bitte mit Eleganz (Fischer meisterhaft: die nächste “Doha-Runde”, die “die meisten Menschen bei uns gar nicht” interessiert; ist aber seine Führungs-Verantwortung!). Nur ganz selten wird Ihnen jemand auf die Schliche kommen, was bei WTO, G-8, EU oder sonstwo verschachert worden ist.
     
  • “Kooperativ”

    Entblöden Sie sich doch bitte nicht, etwas anderes als kooperativ zu sein; denken Sie einfach an die anti-autoritäre Erziehung auf Summer-Hill (die ZEIT-Interviewer haben doch noch gar nicht gemerkt, dass sie Mars/Venus-Zwitter sind). Je öfter Sie betonen, dass Sie nicht “gegen” etwas oder jemanden sind, desto besser können Sie ihren eigenen Macht-Anspruch kaschieren (zum 47. Male: Nein, ich trinke nicht!).

Sie wissen, welche Honorare für ein solch edeles “Strategy-Coaching” bezahlt werden?

{Umsonst ist der Tod - bezahlt wird das Leben}

 

SPIEGEL-Online: Peitschenhiebe

8. Mai 2003

SPIEGEL-Online hat sich sicherlich in der Internet-Sparte eine Bomben-Position aufgebaut. Als fleissige User dieser Leistung schlucken wir allerdings auch einiges, was halt unter “SPIEGEL” auch subsummiert wird. Man sollte sich in dieser Republik eigentlich über nichts mehr aufregen, wenn der auf PRO 7 durch Zuschauer ausgewählte Sieger beim Comedy-Wettbewerb dadurch gewinnt, dass er einen Sylvester-Kracher an seinem Hintern zur Zündung bringen lässt.

Deshalb beruhigen wir uns wieder, wenn uns der SPIEGEL-Online-Bericht vom 7. 5. 03 mit dem Titel “Peitschenhiebe für die Kriegsgegner” aufgestossen ist. Bevor wir überhaupt mit der Geschichte beginnen, unterschreiben wir die Zustimmung zu unserer Erschiessung, weil wir 1. das intellektuelle Flaggschiff Deutschlands angreifen, 2. einen nutzlosen Entlastungsangriff für die ekelige US-Administration unternehmen und 3. die Hauptperson auch noch der ätzendste Jude der kriegstreibenden CIA-Wallstreet-Mafia, Paul Wolfowitz, ist, der “Prince of the Darkness” per se, und 4. wir den sachlichen Kern der Geschichte überhaupt nicht berühren.

Den Teil der SPIEGEL-Online-”Peitschenhiebe” zur “Prinzess of Darkness”, der ölverschmierten Condolezza Rice, konnten wir mangels der engl. Original-Texte der Interviews mit spanischen Zeitungen nicht nachprüfen. Die Wolfowitz-Prügel kann man allerdings genau nachvollziehen:
http://usinfo.state.gov/cgi-bin/washfile/display.pl?p=/products/washfile/latest&f=03050705. wlt&t=/products/washfile/newsitem.shtml

  • SPIEGEL-Online:
    “... Wolfowitz warf Ankara mangelhafte Unterstützung im Konflikt mit dem Irak vor und forderte die türkische Regierung auf, ihre ‘Fehler’ einzugestehen. Wolfowitz diktierte den Türken sogar den Text für die Entschuldigung: ‘Ja, wir haben einen Fehler gemacht. Wir hätten gegenüber den Ereignissen im Irak sensibler handeln müssen’, solle die Regierung in Ankara sagen ...”
     
  • O-Ton:
    Nach einer langen Vorrede über die aus Sicht von Wolfowitz von der Türkei begangenen “Fehler” (Mehrzahl!) ist der Satz in dem CNN (Turk)-Interview (S. 8, unten) zu finden:
    “Let’s have a Turkey that steps up and says we made a mistake. We should have known how bad things were in Iraq but we know now.”
    (Wie man das auch immer interpretieren mag: Der zweite Zitat-Satz des Online-Magazins ist durch keine Übersetzungs-Kunst abgedeckt).
     
  • SPIEGEL-Online:
    “Wolfowitz schrieb der türkischen Regierung zugleich vor, wie sich künftig gegenüber Syrien und Iran zu verhalten habe. ‘Die Beziehungen der Türkei zu Syrien und Iran müssen voll mit unserer Politik abgestimmt sein. Denn wir denken, dass sie ihre Haltung ändern müssen’”.
     
  • O-Ton:
    Auf Seite 5 (Mitte) des O-Ton-Ausdrucks findet man:
    “... and I think anything that Turkey does with Syria or does with Iran should fit into an overall policy with us, of getting those countries to change their bad behavior.”
    (auch hier ist wieder Übersetzungs-Wunst vertreten: “fit into” zu übersetzen mit “voll mit unserer Politik” ist doch sehr gewagt).
     
  • SPIEGEL-Online:
    “Die Türkei habe jedoch ‘die Möglichkeit, den Fehler wieder gutzumachen’ und mit den USA zusammenzuarbeiten. Wenn die Türkei dazu beitrage, dem Projekt eines freien und demokratischen Iraks zu Erfolg zu verhelfen, ‘würden unsere beschädigten Beziehungen nicht nur repariert, sondern alle Schäden vollständig beseitigt’”.
     
  • O-Ton (S. 9, unten):
    “I think we have an opportunity for repair and cooperating on maybe the most important project of this century, which is to build a free, democratic Arab country to your south. And frankly, if we can work together to achieve that in Iraq it will more than repair whatever damage has been done.”
    (sorry: “whatever” ist nicht “vollständig”)

Nein, wir wollen SPIEGEL-Online damit keine “Peitschenhiebe” verpassen. Nur uns selbst, weil wir so blöd sind, uns mit solchem Mist zu beschäftigen. Und noch mehr: Wir ärgern uns, weil wir uns an diesem Thema, dass ganz andere Dimensionen hat, gerade heute mangels eines interessanten Stoffes “aufgehängt” haben.

{Very sorry: (Unsere) Frustration kostet (Ihre) Zeit}

Nachtrag: Wenn die SPIEGEL-Online-Geschichte (7.5.03) “Polnischer Minister bezichtigt Berlin der Lüge” stimmt, stehen wir wieder anerkennend stramm.

 

Sahara-Touristen: hätte, hätte

6. Mai 2003

Eingestanden: Wir haben nicht die geringste Ahnung von der Entwicklung, dem Stand und der möglichen Zukunft der seit Wochen in der (algerischen) Sahara gekidnappten 15 Deutschen, zehn Österreichern, vier Schweizern sowie einem Schweden und dem Niederländer. Aber vom Kopf und Bauch nervt uns diese Geschichte langsam, denn sie ist u.E. Europäische Sicherheitspolitik und Lehrstunde der Mechanismen der Aussenpolitik im Mikro-Format.

Nach den wenigen Informationen, die wir über SPIEGEL-Online (die augenscheinlich beim Berliner “Tagesspiegel”) abgegriffen haben, wüssten wir zu gern, was sich wirklich in den versammelten Amtsstuben abspielt. Nach unserer Vorstellung, die wir abstrakt aus der Lehre ableiten, läuft alles ausser Plan. Wenn das Leben von 31 Europäern von Anfang an wirklich ganz hochrangig (gemäss unserer Verfassungs-Theorie) eingestuft worden wäre,

  • hätte es sofort ein Krisen-Zentrum geben müssen, welches die beteiligten Nationen bilden;
  • wäre sofort Chris Patten, EU-Aussen-Kommissar, in der Verantwortung gewesen, den algerischen Präsidenten anzurufen, um entsprechenden Nachdruck zu signalisieren;
  • hätte die algerische Regierung sofort die entsprechenden technischen Hilfsangebote der beteiligten Staaten annehmen “müssen”;
  • hätte der französische Staatspräsident mit seinem unnachahmlichen Charme seinen europäischen Kameraden mit entsprechenden Massnahmen Unterstützung leisten können.

Die aus dem Politik-Lehrbuch entlehnten Schlüssel-Kategorien von “intentions + capabilities” wären schlicht abzuarbeiten gewesen. Wenn die algerische Regierung jedoch das GSG9-“Angebot” von Bundeskanzler Schröder mit dem völkerrechtlich ýblichen Hinweis ablehnt, dass das eine interne algerische Angelegenheit sei, dann lachen sich die “Krokodile” in den Regierungszentralen von weniger als rund 180 Staaten in ihre Hackerchen. Und genau hier liegt der Grund dafür, dass die Europäer als machtlos angesehen werden. Würden Sie sich im Ernstfall auf solche Kantonisten verlassen? Es ist offensichtlich, dass die 31 Europäer in der algerischen Wüste sich einen besseren Beistand wünschen sollten.

Nun kann man einwenden, dass wir doch gar nicht wissen, ob die Europäer alles lt. Lehrbuch (hätte, hätte, hätte) durchgeführt haben. Die Antwort ist ganz einfach: Man hätte etwas davon gehört und gesehen; jeder Clausewitz-Epigone kennt “public diplomacy”.

{Wir werden alle noch mächtig die Schulbank drücken müssen}

 

Bw-Entsende-Gesetz: fatalistisch

5. Mai 2003

Unter Führung von Hans-Peter Bartels (SPD-MdB) hat der “Arbeitskreis Parlamentsbeteiligungsgesetz” der “AG Sicherheitsfragen” der SPD-Bundestagsfraktion die “Eckpunkte” für ein Bundeswehr-Entsende-Gesetz vorgelegt.

Unter dem Stichpunkt “1. Ausgangslage” heisst es:

  • “Das Gericht hat dem Gesetzgeber auch auferlegt, die Form und das Ausmass der parlamentarischen Beteiligung gesetzlich auszugestalten, mithin ein Parlamentsbeteiligungsgesetz auszuarbeiten und zu beschließen. Das ist bisher nicht geschehen.”

Beachtlich ist, dass - sozusagen amtlich - ein Beispiel über den politischen “Gesundheits-Zustand” dieser Republik attestiert wird:

  • Das Bundesverfassungs-Gericht hat im Jahre 1994 verfügt, ein Bw-Entsende-Gesetz zu fertigen und knapp zehn Jahre danach ist immer noch nichts geschehen. Eigentlich hatte die Fraktion Bündnis 90/Die GRUENEN bei den Koalitions-Verhandlungen für die Regierungszeit 2002 - 2006 den SPD-Ansatz zu einem Gesetzes-Begehren noch abgebogen.

Im 2. Stichpunkt befasst sich das 5-seitige SPD-Papier mit der “Mandatierung von Einsätzen der Bundeswehr”:

  • “Am praktizierten Verfahren sollte festgehalten werden: 1. Lesung - Ausschußberatungen und Beschlußempfehlung - 2./3. Lesung, Beschluß.”
     
  • “Als unpraktisch hat sich die wiederholte Befassung mit länger laufenden Einsätzen erwiesen ... Um regelmäßige Mandatsverlängerungen in kurzen Abständen zu vermeiden, sollte die konstitutive Zustimmung des Bundestages unter der Voraussetzung, daß entsprechende Beschlüsse des VN-Sicherheitsrates oder anderer Systeme kollektiver Sicherheit, denen die Bundesrepublik Deutschland angehört, den Einsatz legitimieren, unbefristet erfolgen, wie es bereits in zwei Fällen geschehen ist.”
     
  • Zum Punkt “Informationspflicht” erwägt die SPD-Gruppe “die gesetzliche Festschreibung der bewährten sitzungswöchentlichen Unterrichtung der beteiligten Ausschüsse” sowie eine halbjährliche Information des Gesamtparlaments.
     
  • Streitpunkt zwischen Regierung und Parlament wird die Frage des “Rückholrechts” des Parlaments sein. In einem Postitionspapier des BMVg aus der Zeit der Koalitionsverhandlungen (2.10.02) heisst es:
    “Darüber hinaus steht dem Parlament kein Initiativ- oder Rückholrecht zu.”
    Die Experten der SPD-Fraktion fordern dagegen:
    “Fraktionen können einen Antrag auf Beendigung der deutschen Beteiligung an einem Einsatz stellen (Vgl. § 76 GOBT). Es kommen die üblichen, in der Geschäftsordnung des Bundestages festgelegten Verfahrensregeln zur Anwendung (wie konstitutiver Entsendebeschluß).”

Zum wirklichen Problem geht es unter dem Stichpunkt
“3. Bessere Absicherung der Einsatzplanung und -Vorbereitung”:

  • Bisher wird das Bundesverfassungs-Gerichtsurteil von 1994 allgemein so interpretiert, dass alle Überlegungen, Planungen, die Reise von Fact-Finding-Missions und die “Beteiligung deutscher Soldaten in bi- oder multinationalen Stäben und Truppenkörpern, als Verbindungsoffiziere und in Austauschprogrammen” als parlaments-zustimmungsbedürftig gelten.
     
  • Die SPD-Gruppe schlägt dazu einen “Vorbereitungs-Ausschuss” (aus Mitgliedern des Auswärtigen Ausschusses, des Verteidigungs- und des Haushalts-Ausschusses) vor, der die bisherigen (unpraktikabelen) Restriktionen beseitigen vor allem Rechtssicherheit für die Soldaten schaffen würde.

Begrüssenswert ist, dass durch den Druck der aktuellen Ereignisse die deutsche Politik daran erinnert wird, nach fast 10-jährigem Jubiläum des Verfassungsgerichts-Auftrages endlich das entsprechende Gesetz in Angriff zu nehmen. Ob und wann letztlich ein vernünftiges Gesetz verabschiedet wird, steht in den Sternen:

  • Im durch die Innenpolitik dominierten Gewusel gibt es gegenüber den GRUENEN überhaupt kein probates Druckmittel, ihnen die Zustimmung zu einem “regierungsfreundlichem” Gesetz-Entwurf abzuringen. Sie werden auf dem “Rückholrecht” beharren und haben ausserdem ihre Verhandlungs-”Keule” der “Zwei-Drittel-Zustimmung” für einen Bundewehr-Einsatz (bisher reicht ja die “Kanzler”Mehrheit).
     
  • An eine “sicherheitspolitische” Wirksamkeit eines “Entsende”-Gesetzes werden die Regierungs-Parlamentarier schon gar nicht denken, denn der Titel eines solchen Gesetzes müsste “Bundeswehr-Einsatz-Gesetz” lauten:

    - Jedem halbwegs beschlagenen Clausewitz-Pimpf ist klar, dass eine sicherheitspolitisch wirksame Beeinflussung eines vermeintlichen Gegners erst durch eine in der Einsatz-Region tatsächlich vorhandene “Show of Force” geschehen könnte. Dazu könnte jede europäische Armee beitragen, nur nicht die deutsche. Das SPD-Papier sagt den Kern des deutschen Ansatzes in einem Klammer-Satz aus:
    “(mit der Gefahr der Verwicklung in bewaffnete Auseinandersetzungen)”.
    Mit anderen Worten: Wenn das Parlament sich nicht darauf beschränkt, nur dem tatsächlichen kriegerischen Einsatz der Bundeswehr zuzustimmen oder ihn abzulehnen, ist die Bundeswehr z. B. für eine Einschätzung als potentieller Bündnis-Parter für die Europäische Armee in den Augen unserer eruropäischen Alliierten ein (politisch) unsicherer Kantonist. Nur mit Tricks durften die Deutschen bei Irak-AWACS mitfliegen. Bei einem europäischen Lufttransport-Pool oder jeder anderen integrierten EU-Veranstaltung dürfte z.B. kein französischer Militär-Planer auf seine Krauts rechnen.

    - Während die europäischen Streitkräfte auf einen aufkeimenden Konfliktherd zudampfen, fliegen oder fahren, sitzen die deutschen Kameraden in ihren Kasernen und warten auf das Eingeständnis der Parlamentarier, “dass die Politik versagt hat”.

Wenn man die sicherheitspolitischen “Visions”-Entwürfe der Vierer-Bande (F, B, Lux und D) gerade unter solch “einsatznahen” Gesichtspunkten betrachtet, zerbröselt die politische Show der Veranstalter noch nicht einmal zur Lachnummer.

Die deutsche “Defense Community” hat bisher einen grossen Denkfehler begangen. Wenn z.B. in der europäischen Agrar-, Wirtschafts- (ein US-Experte auf CNN: 75 % der europäischen Wirtschaftspolitik ist nur “Wasser treten”), Raumfahrt-, Forschungs- und what-have-you-Politik alles nur unaufgedeckter Wahnsinn ist, warum sollte es in der EU-Sicherheitspolitik anders sein?? Es ist doch letztlich nur wichtig, dass man auf seinem schmalen Brett ordentlich Kohle macht. Der entsprechende rheinische Strategie-Lehrsatz ist schillernd (!):

{Lot et joan - lass’ es gehen (fatalistisch: krachen)}

 

Road-Map: Walhalla

2. Mai 2003

Es ist nur natürlich, wenn Deutschen wie uns an einem “Brückentag” bei der sicherheitspolitischen Bienenfleissigkeit nichts anderes einfällt, als schlicht auf historische Begebenheiten zu verweisen, deren Studium nur empfohlen werden kann:

  • Weniger historisch ist, dass die Amis wieder einen Ballermann-Katalog herausgegeben haben, aus dem die Ober-Intellektuellen hierzulande wieder ihre diversen Zukunfts-Grotesken sabbern können:
    “Patterns of Global Terrorism: 2002”;
    Stop!: Bevor Sie mit wildem Herunterladen dieses Dokuments hantieren, sollten Sie folgendes bedenken:

    - Selbst bei DSL-Funktionalität dauert das Ganze farbige 191 Seiten ewig lang;
    - Wollen Sie sich wirklich mit den Hollywood-Fakes der Amis beschäftigen?;
    - Mögen Sie sich nicht mit unseren “Overview”-Kenntnissen begnügen, dass der Iran der aktivste Terror-Sponsor ist und damit das nächste Kriegs-Ziel der “Why they hate us”-Blödiane unverrück(t)bar feststeht? (Nein, nicht die Syrer, Sie Triefnase);
    - Sie sind gewarnt!:
    http://www.state.gov/documents/organization/20177.pdf

Mit rein gar nichts können Sie sich herausreden, wenn Sie nicht die “Road-Map” gelesen haben. Denn hierbei wird es richtig ernst:

  • Vielleicht haben es einige Pappnasen auf dieser Welt noch nicht gemerkt:

    - Die “Road-Map” ist deshalb “historisch”, weil die hegemonialen USA mit der OnBoard-Nahme der UN, der EU und Russlands mit dem “Quartett” eingestehen, dass ihnen die “römische” Puste ausgegangen ist;

    - alle zionistischen Verschwörungs-Theoretiker werden sich zu recht (?) dem “Clash of Civilizations” ausgesetzt sehen, den die Wieczorek-Zeul’s dieser Welt doch mit dem Dialog verhindern wollten;

    - alle Welt konnte verfolgen, dass es einen Mahmud Abbas (Abu Mazen) gibt, der sich kraftvoll und erfolgreich dagegen gewehrt hat, von Yassir Arafat auf den Mund geküsst zu werden (fürwahr die TV-historische Szene);

    - der Hass noch lange nicht alle Emporen des Todes erklommen hat, die denkbar sind.

Nichtsdestotrotz: laden Sie den Text der “roadmap” runter, lernen Sie sie auswendig und verfolgen Sie bitte ganz genau, ob - falls Ihre Regierung involviert ist - dieselbige immer “on the road” bleibt - bis 2005 haben Sie garantiert Arbeit:
http://usinfo.state.gov/cgi-bin/washfile/display.pl?p=/products/washfile/latest&f=03043040. tlt&t=/products/washfile/newsitem.shtml

Sorry, uns fällt spontan der Begriff der “Nachhaltigkeit” ein. Dieser Mega-Renner der wohlfeilen Polit-Sprache muss uns retten! Wenn aber nur eine einziges “l” hinzugefügt wird, sieht das Ganze wie ein “backlash” aus. Mit literarischem Vermögen sind wir wieder ganz zu Hause, denn aus der Nachhalltigkeit wird urkomisch rein künstlerisch:

{Walhalla: “Aufenthaltsort der im Kampf Gefallenen”}

 

Deutsches Heer: Ampel

30. April 2003

Es sind Momente des Bürgerglücks, die einem beschert werden, wenn aus Unter-Abteilungen der Staatsmacht Informationen fliessen, die sachlich authoritativ das Küblbock-Getöse der Big Brothers auf Pralinen-Gipfeln entzaubern.

Der Führungsstab des Heeres hat eine 111-seitige Broschüre aufgelegt:
“Das Deutsche Heer - Sachstand und Entwicklung (Stand: Januar 2003)”
Den Machern ist ehrlich höchstes Lob auszusprechen, denn das Heft ist sehr informativ. Absolute Spitze sind die Seiten 34 - 37, denn sie enthalten eine
“Fähigkeitsorientierte Bewertung der Ausrüstung der Großverbände des Heeres”. Die im Rahmen der militärischen Fähigkeits-Analyse geltenden fünf Standard-Kategorien

  • Führungsfähigkeit,
  • Nachrichtengewinnung und Aufklärung,
  • Mobilität,
  • Wirksamkeit im Einsatz und
  • Durchhaltefähigkeit

werden auf die Gross-Verbände des Heeres bezogen und mit einer Ampeldarstellung für das Jahr 2006 sowie zusätzlichem Text bewertet (hier ohne die zahlreichen Fett-Markierungen im Original):

  • Division Spezielle Operationen (DSO):

    “Die Ampel für Führungsfähigkeit steht auf rot/gelb, besonders wegen des unverändert fehlenden Führungs- und Informationssystems des Heeres (FüInfoSysH). Die Ausstattung bis zur Verbandsebene beginnt etwa ab 2006 und wird für die DSO voraussichtlich erst bis Ende 2008 abgeschlossen sein. Im Bereich der Mobilität wird es darauf ankommen, ein geschütztes Einsatzfahrzeug für die spezialisierte Infantrie schnellstmöglich zu beschaffen ...”
     
  • Division Luftbewegliche Operationen (DLO):

    “Die Fähigkeit zur Luftmechanisierung ... wird voraussichtlich erst ab 2009 erreicht werden. Für den mittleren Transporthubschrauber CH 53 ist die Qualität zur Luftmechanisierung im Rahmen einer Kampfwertsteigerung ab 2008 geplant, die Stärke eines Regimentes wird jedoch erst nach 2009 umgerüstet sein.”
     
  • Die mechanisierten Divisionen:

    “Die mechanisierten Divisionen vollständig materiell auszustatten, lässt sich absehbar nicht umsetzen. Ziel muss sein, zumindest eine verstärkte Division für die große Operation so modern auszurüsten, dass sie mit Bündnispartnern interoperabel ist. Die Führungsfähigkeit ist hier mit rot zu bewerten. Die Ausstattung dieser mechanisierten Division kann mit dem 2. Los FüInfoSysH frühestens ab 2009 beginnen.”
    (Die dann folgenden “Einschränkungen” in den anderen Fähigkeits-Kategorien unterschlagen wir hier; sie sind aber übel genug. Dies heisst ja konkret, dass die Bundesrepublik Deutschland erst ab ca. 2010 die versprochene Division der NATO oder der EU einigermassen einsatzfähig andienen kann!).
     
  • Die mittleren Kräfte des Heeres:

    “Das Heer benötigt mittlere Fähigkeiten zur schnellen, luftverlegbaren globalen Kräfteprojektion mit hoher Mobilität, Einsatzwirkung und bestem Schutzniveau, um in Friedensmissionen das gesamte Spektrum abdecken zu können. Mittlere Kräfte müssen die entstandene Fähigkeitslücke zwischen den leichten und den schweren Kräften schliessen. Diese Fähigkeit muss neu geschaffen werden; die entsprechende Ausrüstung ist vorrangig zur Bewältigung von Einsätzen zu beschaffen. Die Ampel für Führungsfähigkeit steht bei den mittleren Kräften auf rot/gelb, da mit der Auslieferung des 1. Loses des FüInfoSysH nach bisheriger Planung frühestens zum Ende 2007 gerechnet werden kann.”

Nun könnte man einwenden, dass die Heeres-Broschüre Lobbying betreibt, was gar so falsch auch nicht sein wird. Andererseits aber verbleibt der beweisbare Verdacht, das deutsche Regierungs-Verantwortliche mit NATO-, EU- und sonstigen Pralinen-Gipfeln der un-informierten (und un-interessierten) Öffentlichkeit eine Show vorgaukeln, deren Dreistigkeit durch nichts überboten werden kann.

Aber klagen brauchen die Verteidiger deshalb nicht. In der Sozial-, Wirtschafts- und Finanzpolitik wird genauso gewerkelt. Jedes Jahr eine Jahrhundert-Reform, immer von  historischem Ausmass - und alle machen gläubig mit.

{Isch jeh kapott - jehste mit?}

 

Nachtrag (13. Mai 2003):

Wieder durch Hilfe eines lieben Freundes können wir heute mit der elektronischen Kopie der o.a. Broschüre helfen. Aber Vorsicht, es sind 4,9 MB!:
“Das Deutsche Heer - Sachstand und Perspektiven (Jan. 2003)

 

CDU-Aussenpolitik: heftig

29. April 2003

Gestern hat der Bundesvorstand der CDU ein fast 8-seitiges Papier beschlossen, welches von Wolfgang Schäuble, Friedbert Pflüger und Peter Hintze verantwortet wird:
“Die aussenpolitischen Interessen Deutschlands: Stabilität durch Partnerschaft und Vertrauen:
http://www.cdu.de/tagesthema/beschluss240403.pdf

Wem lange nach U.S.-freundlichem dürstete, wird auf seine Kosten kommen. Der totgesagte Kurs der Transatlantiker, von der Partei- und Fraktions-Vorsitzenden Angela Merkel revitalisiert, feiert massive Urständ. Die Forderungen an die deutsche und europäische Politik sind heftig:

  • “Europa muss mittelfristig seine eigene Sicherheit schützen und gemeinsam mit den Vereinigten Staaten an der Gestaltung einer besseren Weltordnung mitwirken können. Dazu braucht Europa die politischen und militärischen Handlungsoptionen, die seiner Grösse, seinem Potential, seiner Verantwortung und seinen Interessen entsprechen.”
     
  • “Zur Bewältigung der neuen globalen Herausforderungen brauchen Europa und Amerika eine gemeinsame globale Agenda.”
     
  • “Auch in Deutschland muss endlich eine strategische Debatte über die Frage geführt werden, welches die neuen Herausforderungen und Risiken aus der veränderten weltpolitischen Lage für unsere Sicherheit sind.”
     
  • “Die Fragen, die der neuen amerikanischen Sicherheitsstrategie zugrunde liegen, müssen auch von uns aufgenommen und beanwortet werden ... Weil Recht auf Selbstverteidigung einschliesslich Nothilfe und Interventionsverbot zur Sicherung von Frieden und Stabilität nicht mehr ausreichen, muss das Völkerrecht behutsam weiterentwickelt werden.”
     
  • “Menschenrechtsverletzungen müssen überall auf der Welt unseren prinzipiellen Widerspruch erfahren.”
     
  • “Angesichts der veränderten Herausforderungen, denen unser Land gegenübersteht, können wir unsere Interessen nur wahren, wenn angemessene Mittel für Auswärtige Zwecke zur Verfügung gestellt werden. Der Anteil der Mittel für Auswärtiges, Verteidigung und Entwicklungspolitik ist seit Anfang der 90er Jahre von über 20 Prozent am Bundeshaushalt auf unter 12 Prozent zurückgegangen ... Voraussetzung dafür wiederum ist ein Verständnis für die Notwendigkeit eines verstärkten aussen-, sicherheits- und entwicklungspolitischen Engagements in der Öffentlichkeit. Insofern muss die Vermittlung eines entsprechenden Bewusstseins auch prioritäre Aufgabe von Medien und der Träger der politischen Bildung werden.”

Realistisch ist, dass die CDU bei allen materiellen Forderungen die Zeitschiene einpasst; dann ist immer von “mittelfristig” die Rede. Wenig konkret wird in der zentralen Frage der Weitergabe von Materialen für Massenvernichtungs-Waffen und deren Trägermittel (Proliferation) operiert. Hier ergibt sich konkreter Handlungs-Bedarf für die Opposition:

  • Wie wäre es, wenn im Bundestag der Antrag eingebracht werden würde, dass der BND jährlich (halb-jährlich) dem Bundestag öffentlich über den Stand der Proliferation zu berichten hätte, wie der Dienst es im Oktober 1999 mustergültig getan hat?
     
  • Wie wäre es, wenn die Presse-Mitteilungen des Auswärtigen Amtes laufend gescannt würden, ob sich der beliebteste Politiker Deutschlands auch äussert, wenn, wie derzeit in Kuba, deutliche Menschenrechts-Verletzungen vorkommen?
     
  • Wie wäre es, wenn durch die Politik und die Medien focussiert untersucht werden würde, was deutsche Politiker bei Besuchen und ansonsten treiben, wenn es um “herausragende” Proliferateure wie Iran, Indien, Russland, China und Nord-Korea geht?
     
  • Wie geht man denn operativ mit der Aufnahme und Beantwortung der Fragen der neuen amerikanischen Sicherheitsstrategie (“durch uns”, die CDU also) um? Auch Minister Fischer hat schon diese Debatte in einer den USA schmeichelnden Weise verlangt (man kann sicher sein, dass er inhaltlich dazu auf Tauchstation bleibt). In Hinsicht auf die Regierung gibt es zwei konkrete Beispiele nach dem Motto der U-Boot-Fahrer (Don`t expose the boat):

    - Ex-Minister Scharping liebte es, sein Publikum ab ungefähr 2001 mit dem Versprechen zu necken, dass bald ein Weissbuch erscheinen werde. 1994 hatte die Bundesregierung zuletzt diese “amtliche” Postitions-Beschreibung ihrer Sicherheitspolitik abgegeben. Heute redet kein Minister davon;

    - Mit deutlichem (Selbstdarstellungs-)Elan führte Ex-Minister Scharping den “Berliner Dialog” zur Sicherheitspolitik ein; im Vierteljahres-Takt schaffte man 4 Veranstaltungen. Verteidigungsministerium und Auswärtiges Amt führten die Tagungen paritätisch durch. Die Minister Struck und Fischer scheinen nicht das geringste Interesse daran zu haben, mit irgend jemandem in einen Dialog zu treten.

Der Wahrhaftigkeit wegen muss man allerdings eingestehen, dass das alles seine Richtigkeit hat. Denn jeder in der Community weiss, dass sich in Deutschland für Sicherheitspolitik ernsthaft fast kein Mensch interessiert und die Wenigen sich permanent fragen, warum sie sich eigentlich mit diesem idiotischen Thema beschäftigen.

{Bestimmte Fragen sollte man nur gegen Honorar diskutieren}

 

VPR: blamiert?

24. April 2003

Im Februar dieses Jahres sollten sie veröffentlicht werden, dann nach dem Irak-Krieg, jetzt wohl im Mai: die “Verteidigungspolitischen Richtlinien” (VPR). Die derzeit noch gültigen VPR wurden am 26. November 1992 vom damaligen Verteidigungsminister Volker Rühe erlassen und definierten ihren Zweck wie folgt:

  • “Verteidigungspolitische Richtlinien definieren Grundsätze zur Sicherheitspolitik, den Auftrag der Bundeswehr und die wesentlichen Aufgaben der Streitkräfte.”

Die Erwartungen sollte man nicht zu hoch stecken. Nur absolute Insider könnten berichten, ob und inwieweit das Auswärtige Amt oder das Bundeskanzler-Amt massgeblichen Einfluss auf die Formulierungen haben. Ausserdem sind 95 % des Textes wohlgefeilte Lyrik und Postulate, die jedem Fakten-TÜV übel auffallen würden. An den zu behebenden Übeln der Bundeswehr werden die neuen VPR kein Jota ändern. Trotzdem geht eine gewisse Faszination von dem Erlass aus, weil es sich trefflich über ihn schwadronieren lässt.

Wir machen den Anfang und zitieren uns wichtig erscheinende Passagen aus dem uns vorliegenden Entwurf:

  • Unter der Überschrift “Prinzipien und Interessen deutscher Sicherheitspolitik werden “drei Interessen” genannt:

    - “Die transatlantische Partnerschaft bleibt das Fundament der Sicherheitsarchitektur im euroatlantischen Rahmen. Ohne die Vereinigten Staaten von Amerika kann es auch künftig keine Sicherheit in und für Europa geben. Die transatlantische Partnerschaft fordert den deutschen Beitrag, um gemeinsam die neuen Herausforderungen in und um Europa bewältigen zu können.

    - Der Stabilitätsraum Europa wird durch eine breit angelegte, kooperative und wirksame Sicherheits- und Verteidigungspolitik gestärkt. Dadurch erlangt Europa zusätzliche Handlungsfähigkeit auch im globalpolitischen Zusammenhang. Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik gelingt nur im Verbund mit der Nordatlantischen Allianz und ermöglicht gleichzeitig selbstständiges europäisches Handeln, wo die NATO nicht tätig sein will oder muss.

    - Deutschland beteiligt sich an den internationalen Staatengemeinschaften wie den VN und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, um die eigene Sicherheit zu gewährleisten, die Achtung der Menschenrechte und des Völkerrechts weltweit durchzusetzen, Demokratie, wirtschaftlichen Fortschritt, soziale Entwicklung, Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen nachhaltig zu fördern und die Kluft zwischen armen und reichen Weltregionen abzubauen.”

Die USA- und NATO-”Lastigkeit” des VPR-Textes steht ganz augenscheinlich in drastischem Widerspruch zu der Agenda der derzeitigen, vom Kanzler (und Aussenminister Fischer?) geführten Sicherheitspolitik, aus dem militärischen Potential von Frankreich, Deutschland, Belgien und Luxemburg eine Show-Force zu zimmern.

Ob die VPR des Verteidigungsministers auch nur die Aufmerksamkeit der zuständigen Minister-Kollegen (BK, AA, BMF) erreichen, muss bezweifelt werden. Unter dem Zwischen-Titel “Bestimmende Faktoren deutscher Verteidigungspolitik” heisst es:

  • “Deutschland ist mit seinen Streitkräften mehr als jeder andere Bündnispartner in die NATO integriert. Ihm fällt als dem bevölkerungsreichsten europäischen Staat im Bündnis eine herausragende Rolle und Verantwortung für den künftigen Kurs der NATO zu.”
     
  • “Die NATO sieht den Aufbau einer schnellen Eingreiftruppe und Massnahmen zur Verbesserung der militärischen Fähigkeiten, zum Schutz gegen Massenvernichtungswaffen und ballistische Flugkörper und zur Verteidigung gegen den Terrorismus vor. Die Bundeswehr wird sich entsprechend dem Gewicht Deutschlands angemessen an der Umsetzung dieser Entscheidungen beteiligen.”

Es ist mehr als kabarett-reif, wenn aus dem Bevölkerungs-Reichtum eine “herausragende Rolle und Verantwortung” destilliert wird oder man sich “entsprechend dem Gewicht Deutschlands angemessen” beteiligen will, ohne auch nur annähernd bei den Tatsachen - z.B. der katastrophalen Finanz-Situation - zu bleiben. Eher ist ein akutes Frühstadium von Großmannssucht zu diagnostizieren - oder andersherum: Wenn eine Regierung seinem Volk solchen Unsinn verkaufen will, ist wer blamiert?

{Zwischen Anspruch und Wirklichkeit reicht die Schere im Kopf}

 

D-Agenda: Rat erfinden

16. April 2003

In den XXL-Amtsstuben unserer Republik, die sich mit sicherheitspolitischen Strategie-Fragen beschäftigen, ist man eifrig bemüht, Parameter zu listen:

  • Mit den USA müsse man zur Durcharbeitung von Zukunftsaufgaben wie Nicht-Verbreitung von Massen-Vernichtungswaffen und Kampf gegen den Terror kommen; dass es mit dem Militär allein nicht funktioniere, sehe man.
    (Als wenn das je jemand behauptet hätte. Ausserdem geht es wohl nicht darum, bisher x-mal deklarierte Allgemein-Formeln zu neudeutschen, sondern bereits bestehende Aufgaben-Beschreibungen schlicht umzusetzen):
     
  • Man erklärt, ein “fundamentales” Interesse an der Stabilität im Mittleren Osten zu haben und die Pflicht zur Übernahme von “Verantwortung”.
    (Dieser Brunft-Schrei des Reichsadlers leitet über zu einem konkreten Punkt:
    innenpolitisch sei ein Blauhelm-Einsatz der Bundeswehr im Irak nicht durchsetzbar. Und wenn die Amis das Öl nicht für den Wiederaufbau, sondern zu ihrer eigenen Kriegsfinanzierung abpumpen, werde es ganz schwierig zwischen den West-Genossen).

Natürlich hat in den Amtsstuben der Krieg zwischen den EU-Anti-Hegemonen und den US-Freunden erst richtig begonnen. Die Konfusion reicht aber über eine etwas bessere TV-Diskussion nicht hinaus:

  • Das deutsch-französische Verhältnis habe zwar viel bewegt, sei aber “nicht hinreichend”; man müsse wieder zum “Anwalt der Kleinen” werden.
    (Muss sich Deutschland nur noch die Klientel aussuchen: B + Lux oder DK, NL, Polen, Rumänien etc. ?).
     
  • Auch die Militär-Vorschläge klingen wohlbekannt (hohl):
    - der Umbau zur “rapid-response-Armee” soll beschleunigt werden; für nicht erhöhte Ausgaben will man mehr “Knall für den Euro” haben.
    (In den USA bekommt man für diese Kamelle schon Staatsrente. Ausserdem hat man immer noch nicht den
    Knall des Kanzlers gehört, dass er politische Konflikte nicht mehr militärisch (optional) durchsetzen will);
    - Auch die Uralt-Kamelle “Arbeitsteilung” soll wieder auf die Tagesordnung.
    (Wenn man das “AWACS-Syndrom” beseitigt, ist die Idee ja glänzend - seit 25 Jahren);
    - Realistisch ist der “Aufbau eines europäischen Generalstabes” (Goldfasane mit Kanonenfutter).

Tröstlich ist, dass wir (unerkannt) einem der XXL-Kämpfer bei einem Gespräch mit einem Dritten Einblicke in die Bedeutung der Amtsstuben ablauschen konnten:
Es sei alles “nicht durchdacht”, und vor allem finde gar “keine Beratung” statt.

{Keiner will das Raten neu erfinden}

 

Op-ed: Wetten, dass?

15. April 2003

Irgendwie glauben wir, einem kulturellem Phänomen immer mehr auf die Spur zu kommen: Die wachsende Fähigkeit der sicherheitspolitischen Experten, die Zukunft voraus zu sagen. Auf dem börsentechnischen Parkett haben die Analysten ihren Ruf schon verloren. Aber in der grossen Politik scheint das Glöcklein noch nicht geschlagen zu haben.

Es gibt immerhin ermutigende Anzeichen. Frau Christiansen wagt schon gegenüber Herrn Peter Scholl-Latour die Bemerkung, dass dieser mit seinen Voraussagen wohl auch so ziemlich daneben gelegen habe, was der natürlich meisterlich “kontert”. Aber es gibt natürlich auch systembedingte Rückschläge. Heute haben wir von dem Politik-Wissenschaftler Hippel auf NDR gelernt, dass in drei bis vier Jahren die Probleme im Irak erst richtig beginnen werden. Am frühen Morgen lernten wir auf N24 vom Altmeister der Friedensforschung, Herrn Professor Czempiel, dass die USA mit ganz grosser Sicherheit in Syrien einmarschieren werden.

Natürlich laufen die entsprechenden Voraussagen immer nach dem gleichen Muster ab:

  • Wer gegen die amerikanische Politik ist, malt die Horror-Gebilde der Zukunft tiefrot.
     
  • Die Transatlantiker schwimmen, was das Zeug hält - und gehen hoffnungslos unter.

Man kann das Problem der hemmungslosen Zukunfts-Bestimmung natürlich kulturell deuten. Und diese Deutung hat ihre Alltags-Tauglichkeit:

  • Die von uns propagierte Methode lehnt sich an einen Ausspruch des französischen Philosophen Blaise Pascal an, die da etwa lautet:
    “Wenn der Mensch sein Zimmer verlässt, nimmt das Unglück seinen Lauf.”
    Übertragen auf die Sicherheitspolitik ist das die “Stabilitäts”-Empfehlung: Nichts machen. Es weiss zwar jeder, dass “alles fliesst”, aber: Mikado.
     
  • Leider ist es so, dass alle “ihr Zimmer” verlassen und je nach Gusto allerlei mehr oder minder grosse Schweinereien unternehmen. Die Aufforderung, im Zimmer zu bleiben, wiederspricht zutiefst dem jeden Tag zu erlebendem Macht- und Herrschafts-Anspruch.

Es ist offensichtlich, dass man dem Problem mit solchen abgedrehten Spinnereien nicht zu Leibe rücken kann. Wenn schon die Mechanismen des eigenen Scham-Gefühls intellektueller und sach-kompetenter Redlichkeit versagen, insbesondere die Hybris des eindeutigen Zukunftswissens, dann muss aus der konzeptionellen Leere der politischen TV-Talkerei ein konstruktives Element erwachsen, dass im Entertainment seit Jahrzehnten erprobt ist.

Die neue Polit-Talk-Sendung lässt den “Experten” mit ihren strammen Behauptungen freien Lauf. Der/die Moderator/in fasst aber die geäusserten Standpunkte so in eine Pro/contra-Position zusammen, dass abschliessend die “Wetten dass”-Frage formuliert und der Zeitraum festgelegt wird. Entscheidend ist, dass die Kandidaten bei der Wette derart mit Strafen belegt werden, dass sie richtig (aus der Brieftasche) bluten, wenn sie verlieren.

Als Moderator würde sich Günter Jauch anbieten mit der neuen Sendung: “Wer wird Pleitegeier”. Da sich unsere TV-Träume aber nicht erfüllen werden (wetten dass), verbleiben wir stoisch bei unserem Erfahrungsprinzip, dass sich während der vergleichbaren Zeit der Debatte über den NATO-Doppel-Beschluss (1979 - 1983 ff.) herauskristallisiert hat: “Es geht alles seinen (sozialistischen) Gang.” Würde jemand vorführen, was z.B.Oskar Lafontaine alles behauptet hat (oder Prof. Czempiel), wäre die Comedy perfekt. Selbst Günter Grass soll empfohlen haben (die Quelle haben wir leider gerade nicht so richtig zur Hand):

{Erinnere Dich nie an das, was Du so alles behauptest (!) hast}

 

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