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Interview mit Mario Gabrielli, Vorstand der Rheinmetall DeTec

Mario Gabrielli ist Vorstandsmitglied der Rheinmetall DeTec AG, dem jetzt grössten deutschen wehrtechnischen Konzern ( www.rheinmetall-detec.de ). Das Life-Interview über firmen-strategische und politische Fragen wurde am 31. August in Ratingen aufgezeichnet; die Tonband-Nachschrift wurde am 5. Sept. 2000 authorisiert. Die rot markierten Hervorhebungen sind unsererseits eingefügt. Zu dem Gesamt-Zusammenhang siehe  > > Industrie-Trends

Frage: Herr Gabrielli, Ihr Unternehmen führt auf der einen Seite schon des öfteren, in den Geschäftsberichten z. B., verhaltene Kritik an der Politik der Bundesregierung. Man könnte glauben, das es eigentlich gar kein Interesse geben müsste seitens der Firma, sich weiterhin zu engagieren. Womit motivieren Sie Ihre Tätigkeit im Bereich der Wehrtechnik?

Herr Gabrielli:
Wenn man die Wurzeln von Rheinmetall berücksichtigt, dann kommen wir von der Wehrtechnik. Wir sind der Wehrtechnik treugeblieben. Die Wehrtechnik ist für uns ein wesentliches Standbein innerhalb des Konzerns. Wir verstehen uns als technologie-getriebener Konzern mit drei Geschäftsbereichen: Einmal Elektronic, zum anderen Automotive und zum dritten Defence. Jeder dieser Geschäftsbereiche hat etwa gleiche Umsatz-Anteile, allerdings mit sehr unterschiedlichen Perspektiven. Wir erwarten die grösste Dynamik im Bereich Automotive, wir werden eine höhere Dynamik im Bereich Elektronic in den nächsten Jahren haben. Wir werden, dass befürchten wir,
Stagnation im Bereich Defence haben, obwohl wir uns sehr bemühen, uns dort über die nationalen Grenzen hinaus zu engagieren und die Europäisierung, soweit wir sie nicht schon betrieben haben, noch weiter nach vorne zu bringen. Die Kritik an der politischen Seite muss man eigentlich unterstreichen für die gesamte wehrtechnische Industrie. Unser Selbstverständnis ist, dass wir eine wichtige Aufgabe für die Politik erfüllen. Ich glaube schon, dass die Rüstungsindustrie ein sehr wichtiger politischer Faktor ist und die Politik insofern auch gefordert ist, diesen Industriezweig zu erhalten. Und da mangelt es uns an den konkreten Aktionen und an der Einbindung in diese politischen Überlegungen.

Sie haben ja trotz der in den letzten zehn Jahren stattfindenden Zurückhaltung der Politik im Bereich Wehrtechnik 1996 STN Atlas dazugekauft und 1999 Oerlikon-Contraves. Das ist ja eigentlich ein Widerspruch. Man könnte dahinter eine Strategie vermuten, dass Sie in dem Bereich grösser und stärker werden wollen.

Herr Gabrielli:
Das trifft zu. Die Zurückhaltung ist ja nicht nur in Deutschland festzustellen, sondern sie ist international da. Die Welt hat sich nun mal verändert in durchaus positivem Sinne. Der Kalte Krieg gerät in den Hintergrund, aber es sind Themen der inneren Sicherheit zu beachten und natürlich auch der äusseren Sicherheit. Uns ist bewusst, dass Europa zusammenwachsen muss und da gibt es ja nun von der politischen Seite die Unterstützung, siehe den 6-Staaten-Vertrag, der das fordert und unterstützt. Dem wollen wir Rechnung tragen. Wir können dem nur Rechnung tragen, wenn wir uns eben produktmässig, also unser Portfolio so ausrichten, wie der zukünftige Bedarf sein wird. Und da wir das in der Vergangenheit allein nicht darstellen konnten - wir waren ja  eher Komponenten-Lieferant - sind wir nunmehr durch die Zukäufe
zum Systemhaus geworden. Da sehen wir unsere Stärke und sehen auch unsere Zukunft. Wir galuben, dass auch ein Europa ohne wehrtechnische Industrie nicht auskommen wird und deshalb positionieren wir uns dort sehr deutlich, insbesondere als Heeresausrüster.

Im Jahresbericht 1998 heisst es noch, dass es ab 2000 wieder aufwärts geht. Wenn ich Sie eben richtig verstanden habe, sehen Sie da eher dunkle Wolken.

Herr Gabrielli:
Diese Prognosen sind letztlich nur zu erfüllen, wenn die Internationalisierung stattfindet und vor allen Dingen auch zugelassen wird. Jetzt sind wir wieder bei der Politik, denn unsere Exportbestimmungen sind nicht wettbewerbsfähig. Unsere Partner in Europa haben hier ungleich bessere Bedingungen.
Wir werden hier wirklich von der Politik gehindert, unseren Bündnispartner, NATO-Partnern auch das verkaufen zu können, was die wünschen.

Wenn man sich Ihre Daten anschaut, stellt man ja fest, dass der Export bei Ihnen ganz wesentlich die europäischen NATO-Länder geht. Wieso beklagen Sie eigentlich die Politik der Bundesregierung bezüglich des Waffenexports, wenn es praktisch in den allermeisten Fällen für Sie gar nicht zutrifft?

Herr Gabrielli:
Das ist so nicht zutreffend. Ich nehme das Beispiel Türkei, wo es ja ganz deutliche Restriktionen gibt und auch deutliche Verlautbarungen aus der Politik,
obwohl einer der ältesten NATO-Partner überhaupt und sicher auch mit dem grössten Gefährdungspotential. Gerade die Türkei hat an der Südost-Flanke nun wirklich noch die Gefährdung, die wir vor 1990 noch hatten. Und das man hier nicht erlaubt, dass dieses Land sich entsprechend schützen darf, so wie wir uns auch geschützt fühlen, ist schon mit Verwunderung festzustellen.

Aber die letzten Ereignisse müssten Sie doch hoffnungsfroh stimmen. Wenn man sieht, dass die Fritz-Werner-GmbH eine Munitionsfabrik exportieren darf und der 5. Menschenrechtsbericht der Bundesregierung für die Türkei relativ positiv ist, seit einem Jahr der Krieg mit den Kurden beendet ist, müsste das einem ja als hoffnungsvoll erscheinen.

Herr Gabrielli:
Ja, die Worte höre ich wohl, doch da muss man wirklich sagen, es fehlt mir ein bisschen der Glaube. Das momentane Verhalten ist zumindest mehr als zurückhaltend und diese Lieferung von Maschinen - es ist ja nicht eine Fabrik - wird ja auch begründet mit der Zusage der vorherigen Regierung. Die
Regierung - Stand heute - hätte das ja nicht erlaubt.

Wenn man sich die Bereich anschaut, in denen Sie insgesamt tätig sind - also Munition, Flugkörper, Electronic und Fahrzeuge: Würden Sie einen Bereich in der Zukunft stärker fördern wollen?

Herr Gabrielli:
Also das ist eindeutig die Heeres-Ausrüstung, da sind wir Komplett-Anbieter -vom Gerät bis zu den Systemen im Verbund mit den Geräten. Das ist auch national geboten, denn es sind ja viele Fähigkeiten schon national nicht mehr vorhanden. Wenn wir daran denken, welche Rolle Deutschland in  der Luft- und Raumfahrt heute noch spielt, kann man das eher vernachlässigen. Im Bereich der Marine ist es nicht viel anders, da haben wir noch ein paar Werften. Wir haben es gerade mit der Korvette K 130  feststellen müssen, dass dieser Auftrag an Blohm + Voss und die Unterlieferanten EADS und die HSA (Hollandse Signaalapparaten) und damit
an Thomson gegangen ist. Auch das ist , für mein Verständnis zumindestens, nicht nachvollziehbar. Hier hätte man die Chance, mit nationalen Bedarf die nationale Industrie zu beschäftigen. Und ich glaube, dass unser Unternehmen STN Atlas hier auch die Fähigkeiten hat, einen solchen Auftrag zu übernehmen; es hatte sich dem Wettbewerb ja gestellt.

Welches Verhältnis haben Sie zu der Firma Krauss-Maffei Wegmann? Es ist ja interessant, dass Sie zusammen, im zweiten Anlauf, angetreten sind, um den Verkauf der spanischen Santa Barbara an die Amerikaner zu verhindern. Ist es eine folgerichtige Entwicklung, wenn man sich vorstellt, dass Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall-Detec sich eines Tages zusammenschliessen? Wenn ich das richtig sehe, ist das ja eigentlich eine Familienfrage zwischen den Familien Röchling und Bode?

Herr Gabrielli:
Also zunächst mal muss man feststellen, dass wir im
Fahrzeugbau in Deutschland Überkapazitäten haben, die in Zukunft noch stärker da sind, denn mit Ausnahme des GTK‘s haben wir keine neuen Fahrzeuge zu erwarten. Insofern ist hier Restrukturierungs-Bedarf angesagt. Wir haben ja nun mit KUKA-Henschel ein Fahrzeug-Haus dazugekauft und haben im Bereich der Rad-Fahrzeuge unsere Kompetenz gestärkt. Unsere Kompetenz im Bereich der Ketten-Fahrzeuge ist ja seit jeher gegeben.  Wir kooperieren in vielen Projekten auch mit Krauss-Maffei Wegmann und haben vor allen Dingen auch in Spanien gemeinsam angeboten, die Privatisierung der spanischen Rüstungsindustrie zu begleiten und zu managen. Dies ist uns scheinbar nicht gut genug gelungen. Offiziell gibt es uns gegenüber - Stand heute - noch keine Erklärung, aber es sieht so aus, das die Amerikaner den Auftrag bekommen werden. Das Verhältnis zu Krauss-Maffei Wegmann  ist ein Verhältnis, wie es zwischen Wettbewerbern besteht.  allerdings, wenn man es rückblickend betrachtet, in einer sehr engen Verbindung im Rahmen vieler Aufträge, die wir gemeinsam abgewickelt haben.

Es gibt noch die Firma Diehl, auch ein Familien-Unternehmen - es ist ja interessant, dass die deutsche Rüstungsindustrie eigentlich eine Angelegenheit von drei Familien ist. Gibt es stärkere Berührungspunkte als bisher mit der Diehl-Stiftung, können Sie sich vorstellen, dass Sie sich irgendwie mit der Diehl-Gruppe einiger werden?

Herr Gabrielli:
Auch mit der Firma Diehl gibt es sehr erfolgreiche Projekte. Ich erinnere an SMArt, eine intelligente Munition, die wir gemeinsam entwickelt, zu Serie und jetzt auch sehr erfolgreich auf den Markt gebracht wird. Die Produktpalette der Firma Diehl ist anders geartet als unsere. Sowohl für das Haus Diehl wie für uns selber wäre das schon ein
gewaltiger Schritt, den wir aufeinander zugehen müssten, um einen gemeinsamen Auftritt im Markt darstellen zu können. Das sieht bei Krauss-Maffei Wegman etwas anders aus; da könnte man relativ schnell die Kompetenzen austauschen.

Zu der europäischen Situation: Man könnte ja sagen, dass es den britischen Markt mit BAE Systems, für Frankreich die GIAT und sozusagen für den Rest als dritte Kraft Sie gibt. Wie können Sie sich in Europa tatsächlich zu dieser Position entwickeln? Glauben Sie, das allein zu schaffen oder muss nicht irgend etwas Grosses dazu?

Herr Gabrielli:
Bezogen auf Europa wäre es sicherlich förderlich, wenn man einen weiteren grossen Partner hätte. Man muss hier aber auch die jeweiligen nationalen Interessen sehen.
Weder Frankreich noch England noch andere Staaten in Europa werden ihre wehrtechnische Industrie aufgeben. Sie werden für den nationalen Bedarf zumindest die Kernkompetenzen im Lande aufrechterhalten und auch die Beschäftigung im Lande sichern wollen. Deshalb ist auch die Erwartung von seiten unserer Politik etwas blauäugig,  mit dem LOI würden Kapazitäten in Deutschland zusätzlich ausgelastet. Das ist ja nicht der Fall. Da sind wir eher aufgefordert, Kapazitäten abzugeben, ins Ausland zu transferieren oder bestimmte Häuser einfach zu schliessen, um dann im Ausland die Industrie zu betreiben. GIAT ist sicherlich ein hochinteressantes, mit vielen Kompetenzen ausgestattetes Unternehmen, allerdings ein Staatsbetrieb. Die Frage der Wirtschaftlichkeit wird dort anders gelöst als eben in Deutschland. Wir müssen selbst dafür Sorge tragen, dass unterm Strich ein Ergebnis herauskommt. Bei GIAT wird das politisch gelöst.

Nach meinem Dafürhalten ist ihre Firma - zusammen mit Krauss-Maffei Wegmann - in dem Bereich in Europa und darüber hinaus wirklich Weltspitze. Können Sie nicht eine Strategie verfolgen, bei der Sie Ihre Kooperation als das kleinere, aber technologisch kompetente Unternehmen als Sub-Unternehmer etwa bei GIAT und BAE Systems einbringen und auf diese Weise Ihre Position stärken?

Herr Gabrielli:
Ich würde das für sehr unwahrscheinlich halten. BAE Systems ist ein Riesen-Konzern, der grösste in Europa. Wir haben ja einige Erfahrung mit ihnen im Zusammenhang mit deren Beteiligung in Bremen (STN Atlas). Dort könnte man ja Impulse erwarten, zumal sich die Beteiligung auf 49 % beläuft. Aber wir sehen, wie schwierig es ist, gerade den Bereich Navy am Standort auszulasten. Von daher wäre die Erwartung nicht unberechtigt, dass
BAE mit den weltweiten Kontakten gerade diesen Standort weiter fördern und ausbauen würde, aber das ist nicht der Fall.

Ich meine vor allem ein Kooperationsangebot in Bezug auf Landsysteme; Royal Ordnance ist sicher nicht so gut wie Rheinmetall ...

Herr Gabrielli:
Im Bereich Landsysteme sind wir weltweit führend, insbesondere was den Gross- und Mittel-Kaliber-Bereich angeht. Diese Position gilt es auszubauen und dies können wir uns nicht vorstellen, in dem wir unter den Rockzipfel eines Gross-Konzerns schlüpfen. Das wäre aus unserer heutigen Sicht keine Lösung. Wir müssen, und das wollen wir auch, die Landsysteme trotzdem weiter ausbauen, aber aus eigener Kraft, durchaus in Verbindung mit Kooperationen oder eventuellen Übernahmen, so das in Europa noch möglich ist. Da gibt es ja das eine oder andere Unternehmen, das interessant sein kann. Allerdings macht es aus unserer Sicht wenig Sinn, ein
Unternehmen zu übernehmen und zu schliessen. Es muss von den Fähigkeiten komplementär sein, denn dann haben wir gemeinsam etwas davon; ansonsten würden wir es nicht machen.

Ich meine nicht das unter-den-Rockzipfel-schlüpfen. Was mich fasziniert ist das, was z. B. die Firma Diehl in Deutschland macht, neuerdings (?) auch amerikanische Firmen, die Aktiengesellschaften sind und eine Share-Holder-Politik betreiben. Obwohl sie technisch die stärkere Firma sind, z.B. Northrop Grumman, gehen sie in eine Unterauftrag-Nehmer-Rolle mit der EADS. Dasselbe gilt auch für Diehl, die ja wesentlich kleiner als ihr Kooperationspartner Raytheon sind. Ist das für Sie kein Modell? Ich meine das auch bezogen auf General Dynamics und United Defense, ihre „grossen“ Konkurrenten. Mir scheint es so, als ob Sie sehr stark konkurrenzbezogen sind und vielleicht die Kooperationsmöglichkeiten nicht in Gänze ausschöpfen.

Herr Gabrielli:
Wir wollen uns da absolut nicht isolieren, sondern unser Bestreben ist natürlich, in neue Märkte hineinzufinden, und das geht in verschiedenen Ländern nur mit Partnern, die vor Ort etabliert sind. Ob man das allerdings dann für das gesamte Unternehmen so sehen muss, würde ich eher mit einem Fragezeichen versehen. Mit bestimmten Spezialitäten kann man sich sicherlich austauschen. Wenn Sie allein die Lizenz der 120mm-Waffe für die USA nehmen, dann war das ein erfolgreiches Engagement. Im Ergebnis aber ist es letztlich ein
Lizenzvertrag, der uns keine Beschäftigung bringt. Und wir müssen natürlich auch zusehen, dass wir die Auslastung sicherstellen. Und das ist bei allen internationalen Bemühungen oder Kooperationen so, dass jeder zunächst national denkt und eigene Auslastungssorgen hat und halt im Rahmen einer solchen Kooperation dann versucht, die nationalen Ressourcen vorrangig zu nutzen. Das reine Lizenz-Geschäft wäre für uns nicht ausreichend. Trotzdem, wir halten natürlich Ausschau auch über den Teich, wo wir uns einbringen und wer unser Partner vor Ort sein könnte.

Sie haben vom US-Verteidigungsministerium den Auftrag bekommen, eine Panzer-Munition zu entwickeln, was ja ein gutes Zeichen für die Kompetenz ihrer Firma ist. Darf ich das noch einmal als Beispiel nehmen. Wenn Sie von vornherein ein Joint Venture z. B. mit United Defense eingehen, haben Sie den amerikanischen und sind im europäischen Markt. Das ist nicht die Richtung, die Sie gehen wollen?

Herr Gabrielli:
Das will ich so nicht sagen. Wenn wir in Amerika Fuss fassen wollen, dann wird es nur über eine Kooperation in den USA gehen, da machen wir uns überhaupt nichts vor.
Wer dann als Partner in Frage kommt, muss jetzt mal evaluiert werden. Da sich die amerikanische Rüstungsindustrie ja sehr stark konsolidiert hat und die Restrukturierung mehr oder weniger abgeschlossen ist, ist die Anzahl der Partner auch kleiner geworden., allerdings von ihrem Potential her ungleich grösser, als wir das in Europa kennen. Da werden wir nie Mehrheitsgesellschafter, sondern immer in einer Minderheitsrolle sein. Partiell können wir aber in einem solchen Unternehmensverbund mit unseren Fähigkeiten eine sehr entscheidende Rolle einnehmen.

Ich bin der Meinung, dass man aus einer Minderheitsrolle sehr gut Geld verdienen kann. Wenn ich mir BAE Systems anschaue, die machen das geradezu phantastisch. Sie sind überall beteiligt, haben überall 49 % und leben damit glänzend, haben natürlich auch einen Kern. Lassen Sie mich auf die EADS kommen. Die EADS hat laut Zeitungsmeldungen bei der Korvette 130 eine Rolle bekommen und will den Bereich Defense Electronics besonders verstärken. Wenn man die Informationen des Bereiches Defense und Civil Systems der EADS verarbeitet, bekommt man den Eindruck, dass sie besonders die Konkurrenz in Deutschland schlagen will. Wie ist Ihre Sichtweise?

Herr Gabrielli:
Bei unseren Kernfähigkeiten brauchen wir den Wettbewerb nicht zu scheuen. Dies wird auch von der EADS anerkannt. Natürlich hat die EADS im Verbund mit Thomson, und wie bei der Korvette K 130 der HSA, auch im Defence-Electronic-Bereich an Kompetenz gewonnen. Dadurch wird der Wettbewerb verschärft, zumal die EADS nunmehr auf internationalen Märkten einen Vorsprung hat.
Diesen auszugleichen gehört mit zu unseren Zielen.

Sie sind seit 1997 auch beteiligt an dem Konsortium für die Panzer-Abwehr-Rakete EuroSpike. Wie beurteilen Sie den Erfolg, den Sie jetzt in Finnland haben, wahrscheinlich auch in Norwegen, und das, was die EADS mit dem System Trigat erlebt.

Herr Gabrielli:
Ich glaube, dass wir da sehr gute Referenz-Adressen haben mit den Skandinaviern, die unbestritten einen hohen technologischen Anspruch haben. Wenn sie sich für Spike entschieden haben, dann ist das im Wettbewerb geschehen. Für uns sind das sehr positive Signale und wir erwarten auch noch Wirkung von anderen Staaten in Europa.

Werden Sie sich bei der britischen Ausschreibung beteiligen?

Herr Gabrielli: Auf jeden Fall

Welche Möglichkeiten sehen Sie sonst noch?

Herr Gabrielli:
Man muss jetzt mal sehen, was im südlichen Bereich, Griechenland z.B., noch an Bedarf vorhanden ist. Dort haben wir ja gerade mit ASRAD ein sehr schönes Projekt bekommen und wir hoffen auch, mit weiteren Produkten dort Erfolg zu haben.

Sie haben schon das Abkommen angesprochen, das die 6 (LOI)-Staaten in Farnborough abgeschlossen haben. Wie beurteilen Sie diesen Vertrag? Ist das etwas, was Ihren dringenden Sorgen tatsächlich entgegenkommt, Ihnen hilft? Glauben Sie, dass das zügig genug von den Staaten behandelt wird und in praktische Regularien umgegossen wird?

Herr Gabrielli:
Es ist auf jeden Fall ein dokumentierter Wille der jeweils beteiligten Verteidigungsministerien, so handeln zu wollen und dass das gelungen ist über einen LOI, ist
schon ein sehr grosser Erfolg. Der Harmonisierungsbedarf wird eindeutig gewollt. Die Umsetzung wird allerdings auf sich warten lassen. Es sind einfach noch sehr unterschiedliche gesetzliche Rahmenbedingungen in den jeweiligen Ländern vorhanden. Ich denke hier allein wieder an unser Thema Exportpolitik. Wenn wir uns davon nicht verabschieden können, dass man nicht zu Grundsatz-Entscheidungen kommen kann, dass befreundete Länder, NATO-Partner beliefert werden können, dass das zum Selbstläufer wird, dass wir hier die Qualifizierung bestimmter Demokratien erst im Lande vornehmen wollen, dann werden wir auch wenig Erfolg mit dem LOI (Vertrag) haben.

Die US-Regierung möchte ja mit den europäischen NATO-Staaten auch einen Vertrag abschliessen, der praktisch genau dieselben Probleme abdeckt wie das sog. Farnborough-Abkommen. Glauben Sie, das bei den Amerikanern der ernsthafte Wille da ist, den amerikanischen Firmen eine transatlantische Kooperation zu ermöglichen oder meinen Sie eher, dass das der Versuch ist, amerikanischen Firmen zum Engagement in Europa zu verhelfen?

Herr Gabrielli:
Davon gehe ich fest aus.
Dieses Bedrohungs-Szenarium für die europäische Rüstungsindustrie ist gegeben. Die Amerikaner, siehe Spanien, versuchen, in Europa Fuss zu fassen. Sie haben es ja in Österreich bei Steyr bereits getan. Man sieht, dass Steyr durchaus funktionieren kann, auch unter amerikanischer Führung. Denen geht es heute besser als zuvor. Allerdings werden sie dann auch ihre Politik beeinflussen. Der amerikanische Staat unterstützt und schützt die Industrie ungleich stärker, als wir das in Europa kennen, insbesondere in Deutschland. Der ganze Restrukturierungs-Prozess in den USA ist ja, wie Sie wissen, vom Staat massiv unterstützt worden. Wir müssen uns jeweils selber restrukturieren und dies aus eigenen Mitteln finanzieren. Die wehrtechnische Industrie hat inzwischen schon Milliarden-Beträge ausgegeben, ohne dass der Staat hier angerufen worden ist.

Darf ich noch einige Einzelfragen stellen? Im Kosovo-Krieg ist deutlich geworden, dass die Luft/Boden-Munition, die mit GPS (JDAM von Boeing) verschossen wird, für die Aufgaben am besten geeignet ist, inbesondere hinsichtlich der Wetterbedingungen. Aus Ihren Firmen-Unterlagen geht hervor, dass Sie die GPS-Lenk-Technik augenscheinlich beherrschen. Wäre das nicht eine Entwicklungsmöglichkeit für die Firma?

Herr Gabrielli:
Die Ansätze sind in der Tat vorhanden. Wir haben darüber Studien angestellt und eine solche (Artillerie)-Munition bereits im Versuch gehabt. Ich glaube, dass wir das technisch beherrschen, allerdings muss noch viel Entwicklung betrieben werden. Dann entsteht aber die Frage, wer diese Entwicklung bezahlt, denn
aus eigener Kraft ist so etwas nicht zu schaffen. Man muss da tief in die Tasche greifen, denn das sind sehr schnell dreistellige Millionen-Beträge, was dort an Investitionsmitteln noch zur Verfügung gestellt werden muss. Wenn dahinter nicht feste Aufträge stehen, kann die Industrie ein solches Risiko nicht eingehen. Insofern wird das etwas restriktiv behandelt. Wir haben in der intelligenten Munition mit SMArt etwas auf dem Markt, dass internationalen Maßstäben genügt.

Sie haben den Wiesel 2/Mörser und das Panzer-Fahrzeug H 400 aus Eigen-Mitteln entwickelt?

Herr Gabrielli:
Der H 400 bei der Firma Hentschel ist nicht aus Eigenmitteln entwickelt worden, sondern ist ein vom Bund mitfinanziertes Gerät, das wir allerdings heute im Baukasten sehr vielfältig anbieten und ausrüsten können. Sicherlich ist das ein Produkt, das - was Kampfpanzer angeht - heute in Europa wettbewerbsfähig ist.
Die Frage wird sein, inwieweit kommen schwere Geräte in Zukunft überhaupt noch in Betracht. Der Wiesel 2 ist eine Eigen-Entwicklung der Firma MaK, in die wir ziemlich viel Geld investiert haben. Auch die Mörser-Waffe ist selbst entwickelt. Das System entspricht den Forderungen, die gerade neu definiert worden sind, was Mobilität und Interoperabilität angeht; die entsprechenden Ausstattungen sind im Gerät vorhanden.

Bei allen Schwierigkeiten, Problemen und Sorgen: Was sagen Sie bis zum Jahr 2004 für die Rheinmetall-DeTec voraus?

Herr Gabrielli:
Rheinmetall wird im Jahr 2004
grösser sein, als wir es heute sind; davon gehen wir fest aus, das haben wir in unserer stratetgischen Ausrichtung als Ziel vor Augen. Es wird über die deutschen Grenzen hinausgehen müssen. Wir werden sicher in Europa stärker Fuss fassen müssen. Aber wir werden auch über den Atlantik hinwegschauen müssen, welche Chancen und Ansätze es dort gibt. Wir haben ja in Kürze die Messe in den USA und werden sehen, was dort an Bedarf angekündigt wird.

Haben Sie denn für Ihre Strategie der Erweiterung genug Geld in der „Kriegs“kasse?

Herr Gabrielli:
Wenn es gute Optionen gibt, ist auch das notwendige Geld vorhanden.

Viel Erfolg, auch für Sie persönlich, und herzlichen Dank für das Gespräch.

(Die Fragen wurden von Michael Forster, GeoPowers, gestellt)

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