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U.  S.  A.   III

 

 

U.S.-Nuklearwaffen: leicht

28. Oktober 2008

Sorry, wenn wir verschlafen haben, dass vor einem Monat der amerikanische Energie-Minister Bodman und Verteidigungsminister Gates das 24-seitige Papier “National Security and Nuclear Weapons in the 21st Century” veröffentlicht haben.

Die deutsche Sicherheitspolitik geht dieses Papier schon etwas an, denn dort wird behauptet, dass das U.S.-Nuklearwaffen-Arsenal auch dem Schutz der NATO-Alliierten, Japans, Süd-Koreas und Australiens diene. Und Deutschland spielt insofern eine Rolle, als hierzulande noch einige taktische Nuklearwaffen uns die sog. “nukleare Teilhabe” bescheren, die gar nicht gern diskutiert wird.

Hatte Barak Obama in seiner Rede in Berlin nicht von der totalen Abrüstung aller Nuklearwaffen geschwärmt? Man wird sehen, welches Schicksal dieser Gassenhauer nimmt. Liest man das Konzept-Papier, findet man keinerlei Anhaltspunkte, dass die nuklearwaffenfreie Welt je Wirklichkeit werden kann. Eher deutet alles darauf hin, dass der U.S.-Präsident der nächsten 4 Jahre Entscheidungen treffen muss, die der U.S.-Regierung wieder keine freundlichen Reaktionen der veröffentlichten und Öffentlichen Weltmeinung einbringen werden.

Als “Prüfstein” könnte man für den irgendwie schon stattfindenden Bundestags-Wahlkampf durchaus solche Fragen an die Parteien richten:

  • Wollen Sie die “nukleare Teilhabe” beenden?
    (nur die CDU/CSU wird Bedenken anmelden);
     
  • Werden Sie dezidiert die Auskuppelung Deutschlands der in der amerikanischen Nuklearwaffen-Strategie für Alliierte vorgesehenen Schutzfunktion fordern und völkerrechtlich verbindlich deklarieren?
    (für DIE LINKE wäre das doch was?!)

So kommt man dazu, dass sich alle Wahlkampfhelfer aller Parteien mit der amerikanischen Nuklear-Strategie beschäftigen müssen!
(aber nur, falls positiv).

{Das ist gemein: Gegner haben es immer so leicht}

 

U.S.-Militärmacht: Absicht

15. Oktober 2008

Wenn man das gelungene Friendly Fire der SPD-Bundestagsfraktion gegen die erweiterte Führung in Sachen GG-Änderung Art. 35 auf Wiedervorlage legen muss (der Ball liegt jetzt bei der SPD-Arbeitsgruppe!), kann man sich zur Entspannung dem quotenträchtigen Thema “ Niedergang der Weltmacht” widmen.

Wer die entsprechenden Berichte von CBO, CRS und GAO zum Thema U.S.-Rüstungsstrategie und -politik nur überflogen hat, wird von den Arbeiten, die der Vorzeige-Denk-Panzer CSIS abgeliefert hat, nicht sonderlich überrrascht sein. Die U.S.-Luftwaffe, die U.S.-Navy und der “vergiftete Kelch” des Haushalts 2009 betreiben ein Fiasko a lá Lehman Brothers:
http://www.csis.org/component/option,com_csis_pubs/task,view/id,4990/type,1/

Wer sich schon immer gewünscht hat, dass die verdammten Amis untergehen, wird seine Bestätigung finden. Allerdings sollte man sich des fatalen Effekts erinnern, der mit dem “Sich-zu-früh-freuen-Syndrom” verbunden ist:

  • Wenn die bösen Imperialisten, der “feundliche Hegemon”, zurücktritt, gibt es keinen Nachfolger, dafür aber reichlich regionale Epigonen, die “freundlicher” sind?
     
  • Ist die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik die konzeptionelle und ressourcen-gedeckte Alternative für zukünftige Welt-Ordnung? (chuckels)
     
  • Ist die Konzentration auf den zeitlich weitgestrecken Planungszeitraum der hergebrachten Hauptwaffen-Plattformen (legacy systems) mit den von den Militärs definierten Parametern ausreichend? War die “Revolution in Millitary Affairs” des ehemaligen U.S.-Verteidigungsministers Donald Rumsfeld so falsch?

Es ist ein wohlfühlender Allgemeinplatz, dass die Welt nur so unfriedlich ist, weil sich die Amis überall einmischen. Uns schwebt eine Fiction vor, in der eine “Change”-Politik wirklich Abschied nimmt von hergebrachter Art. Taiwan, Süd-Korea, Israel etc.: forget it, no go. Plötzlich sind alle “legacy systems” völlig ausreichend für die Verteidigung der Insel.

Wie überall auf der Welt: Die Bereitstellung der militärischen Kapazitäten folgt den politischen Intentionen; absichtlich, notgedrungen?

{Lerne: Das Konzept folgt der Absicht}

 

U.S.-Heer: Freude

5. September 2008

Bis auf die Freunde des Heeres haben alle Anderen ein unbeschwertes Wochende. Wer der Army allerdings zugetan ist, wird richtige Freude haben, die militärische Form des Otto-Kataloges durchblättern zu dürfen, die insgesamt 272 Seiten der U.S. “Army Modernization Strategy 2008”:
http://www.g8.army.mil/G8site_redesign/modStrat.html

Dass das Wochende so leicht heranrauscht, macht uns sprachlos.

{Vielleicht leidet man ja doch nicht an rhetorischem Schliessmuskelschwund?}

 

AIA-Report: richtiich

2. September 2008

Man kalkuliert ja ein, dass wenn die “Aerospace Industries Association” (AIA) als der Lobby-Verband von fast 300 führenden Firmen der U.S.-Luft-, Raumfahrt- und Rüstungsindustrie einen Bericht über die “U.S. Defense Modernization” herausgibt, der nicht ganz uneigennützig gedacht wird.

Wir haben den 63 S.-Bericht (August 2008) überflogen und meinen, dass er sehr gute Einblicke in die Zukunft der amerikanischen Rüstungspolitik vermittelt. Der regelmässige Beobachter der entsprechenden Berichte von hervorragenden Institutionen wie CRS, GAO, CBO kennt die Problematik. Im Kern hat die AIA sich eigentlich nur auf deren Berichte abgestützt und erscheint deshalb recht sachlich. Der allmähliche Niedergang der U.S.-Streitkräfte ist demnach sehr wahrscheinlich:
http://www.aia-aerospace.org/library/reports/reports.cfm

In Deutschland haben wir vergleichbar den “Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie” (BDLI) und die “Verteidigungs-Abteilung” des BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie). Kann man von diesen Institutionen vergleichbare sachliche Reports erwarten? U.E. eher nicht, denn aufgrund des durch eigene Fehlleistungen vergifteten Klimas will man nicht auch noch durch solche Spirenzchen mit Öl die Wogen glätten.

{Richtiich: eine Front reicht}

 

EBO-Tod: feixen

27. August 2008

Es ist eben so, dass der Verteidigungsbereich nicht davon verschont worden ist, von ausgekochten Marketing-Anglizismen verblödet zu werden: Auch hierzulande schaut eine kleine Gruppe von Lehnstuhlstrategen, ob in den U.S.A. neue Schlagwörter auftauchen, die man selbst zur medialen Verkleisterung nutzen kann: Bestes Beispiel ist die “vernätschde Sischerheid”, mit der sich unser hessischer Verteidigungsminister durch eine ganze Legislaturperiode schwurbeln kann, ohne sonst einen Handschlag zu tun.

Transformation, Network-Centric Warfare oder Effects-Based Operations sind weitere Beispiele. Kronjuwel ist der Begriff Gesamtkonzept (comprehensive approach), der als Totschlagsargument immer hinreicht.

Wer genügend abgedreht ist, sich mit so etwas zu beschäftigten, sollte den Todesstoss lesen, den General J. N. Mattis, Kommandeur des U.S. Joint Forces Command in Norfolk, zu einem dieser Marketing-Gags geschrieben hat:
http://smallwarsjournal.com/blog/2008/08/assessment-of-effects-based-op/
(den 6-Punkte-Einleitungstext scrollen bis zur Unterschrift Mattis, dann die Zeile “Commanders’s Guidance for Effects-Based-Operations” anklicken; dahinter ist das pdf. mit dem gesamten Text gelinkt).

Vielleicht feixt ja der eine oder andere deutsche Soldat (oder Zivilist), der sich mit solchen Fragen beschäftigt.

{Schadenfroh darf man sein, wenn kein Schaden entstanden ist}

 

U.S. Defense Strategy: geheimnisvoll (+ Nachtrag 4.8.08)

1. August 2008

Wer sich unbedingt das Wochende verderben will, wird sich die gestern herausgegebene “National Defense Strategy” (NDS)des U.S.-Verteidigungsministeriums als Lesestoff wählen. Ob Verteidigungsminister Robert M. Gates mit der von ihm abgesegneten Vorlage zufrieden ist, sei dahingestellt. In seinem Vorwort schreibt er immerhin, dass das Papier ein “blueprint” für die kommenden Jahre sei.

Nach unserer Denke ist eine “Strategie” der Verbund von Konzeption und Umsetzungs-Ressourcen zur Ziel-Abdeckung. Nach dieser Definition ist die NDS keine Strategie, sondern ein Konzept, welches der konsequenten Umsetzung bedarf.

Nach dem Kirschenpflücker-Prinzip ernten wir:

  • “We cannot prevail if we act alone” (S. 1)
    (Toller Spruch; die Umsetzung folgt später);
     
  • Als “Rogue states” werden Iran und North Korea genannt
    (die vor kurzem von U.S.Präsident Bush vorgenommene Streichung Nord-Koreas aus der Liste der bösen Achsenmächte hat das Team der Endredaktion wohl verschlafen);
     
  • Hilfe benötigt unsereins in Hinsicht auf den bedrohlichen Begriff der “anti-access technology” (S. 4)
    (Was ist das denn? Nur ASAT-Waffen?);
    (siehe Nachtrag)
     
  • Man kennt das absolute Reizwort “preemptive”; auf S. 12 (und S. 14) wird es brachial verwendet;
     
  • Wer nach Belegstellen für den angeblich bevorstehenden Angriff gegen Iran sucht, wird reichlich fündig, z.B. auf S. 13: Wer “destabilisierende Waffen” besitzt, trifft eine sich dafür präparierende Streitmacht;
     
  • Was man so alles leisten will, lernt man hier (S. 13):
    “We must maintain the capabilities required to defeat state adversaries, including those armed with nuclear weapons”;
     
  • Wer sich des alten Rumsfeld-Themas “coalition of the willing” erinnert, wird auf S. 15 feststellen, dass er (weil sachlich richtig) munter fortlebt; die NSD-Formulierung ist allerdings schön geschmirgelt. Wer zu den “longstanding friends” (S. 16) gehört, darf auch auf “defense articles” hoffen (ein “Blitz” für die Rüstungskooperations-Debatte);
     
  • Dass sich die NSD selbst ins Knie schiesst, beweist S. 20:
    “We cannot do erverthing, or function equally well across the spectrum of conflict” (vgl. auch Kap. “A new ‘Jointness’”, S. 17 f.).

    Die NSD fuhrwerkt nämlich auf allen Gebieten des umfassenden Sicherheitsbegriffs herum, für die das Verteidigungsministerium überhaupt nicht zuständig ist. Sicherheit wird zunächst durch alle möglichen Ministerien herzustellen sein. Der grundlegende Fehler der NSD ist, dass sie sich nicht auf ihre eigentlichen, militärischen Aufgaben beschränkt.
     
  • Als Essay zur Sicherheitspolitik könnte das Papier vielleicht für ein Oberseminar reichen. Man klappert alle derzeitigen Hype-Punkte ab und formuliert wohlfeil: Alle nicken, können aber mit dem Geschreibsel nichts anfangen. Konzepte sind zudem keine Weihnachtswunschzettel.
     
  • Herausfordernd sind die “Dimensions of Risk” (S. 21 ff.). Das riecht nach Konzeption, ist aber so unverbindlich formuliert, dass man entspannt auf nähere Einzelheiten wartet.

Dem unbeschwerten Wochenende steht gar nichts mehr im Wege, so man ein Konzept dafür hat.

{Strategien sind wie Frauen: geheimnisvoll!!}

Nachtrag 4. 8. 08: Ein lieber User hat uns zur Frage der anti-access-technology ein hilfreiches Beispiel geschickt (Danke, R.):
http://www.defensetech.org:80/archives/004265.html

 

Irak-Kriegsgeschichte: Sinn

16. Juli 2008

Es gibt viele Gründe, sich als Deutscher nicht mit der Kriegsgeschichte der U.S.-Streitkrüfte im Irak zu beschäftigen. Wer anderer Meinung ist, wird sich mindestens die 28-MB-Fassung (angeboten werden auch 103 MB!) der 720-Seiten-Arbeit ON POINT II von Donald P. Wright und Oberst Timothy R. Reese abladen, die den Irak-Krieg im Zeitraum Mai 2003 - Januar 2005 abdeckt:
http://usacac.army.mil/CAC2/CSI/OP2.asp

Beachtenswert ist, dass eine Institution der U.S.-Army ein Team beauftragt, diese Arbeit über ihre eigene jüngste Geschichte zu schreiben, dabei eine recht schonungslose “Netzbeschmutzung” zulässt und diese auch noch weltweit anbietet.

Relevant ist die Studie für uns eigentlich doch, denn ihre Kategorien könnten für die Einschätzung des Krieges in Afghanistan in Teilen übernommen werden. Voraussetzung für diese Denke wäre allerdings das Eingeständnis, dass die Option des “easy way out” ausgeschlossen ist; der “Gesichtsverlust” durch Bruch gegebener Versprechen des “Nation-Building” hätte verheerende Folgen im Denken vieler der regierenden Köpfe.

Die Erfahrungen des Nation-Building-Konzepts (Kosovo, Irak, Afghanistan) sind aber absolut negativ. Diese “Ideologie” ist tot. Mit Trillionen USD sind nicht mehr als 3 “gefallene” Staaten eventuell auf “Vordermann” zu bringen. Die Perspektive ist mangels Ressourcen alternativlos: Bomben - und allein lassen (no state left behind?).

Den die weltrettenden, sicherheitspolitischen Ideologen geht die Puste aus. Die in Nachbarschaft rudernden Klima-Beherrscher sind noch optimistisch. Sorry, jeder soll weitermachen, wie es ihm in den Sinn kommt.

{Er ist herrlich: der Begriff SINN}

 

Dissuasion: Kopf

14. Mai 2008

Als Deutsch-Europäer muss man sich schon fragen, ob man sich mit den Strategie-Fragen herumschlägt, die unsere situativ und kulturell doch etwas anders geprägten amerikanischen Freunde bewegen. Bestes Beispiel dafür dürfte der 69-seitige Beitrag von Andrew F. Krepinevich und Robert C. Martinage sein, den sie aus dem u.E. anerkannten “Center for Strategic and Budgetary Assessments” für die U.S.-Szene geschrieben haben:
http://www.csbaonline.org/4Publications/PubLibrary/R.20080506.Dissuasion_Strateg/R.20080506.D issuasion_Strateg.pdf

Abgehandelt wird, ob und wie eine “Dissuasion”-Strategie (dissuade: abbringen, abraten) das probate Mittel ist, um für die U.S.A. bedrohliche oder unerwünschte militärische Entwicklungen abzuhalten. Zielgruppe sind nicht nur Opponenten, sondern auch Alliierte; alle fallen alle unter den konzeptionellen Begriff “target”.

Wenn man, wie wir, nur die 7 Seiten der “Executive Summary” liest, hat man genug Stoff zum Nachdenken; in den Staaten werden genügend Strategen das CSBA-Papier aufgreifen und diskutieren.

Unsereins schätzt, dass die Zahl solcher Enthusiasten in Europa/Deutschland höchstens bei 270/10 liegt. Eigentlich müsste sich nun der europäisch/deutsche, sicherheitsintellektuelle Selbstbehauptungswillen aufbäumen und der transatlantischen Gemeinschaft zeigen, dass wir doch die Klügeren sind (die Deutschen feiern sich gern als die weltbesten Konzeptionäre).

Jeden diesbezüglichen Beweis werden wir hier loben, bis der Stabsarzt kommt.

{Sun Tsu sagt: Ziele immer auf den “Kopf”}

 

Raketenabwehr: denken (siehe Korrektur)

3. Juli 2007, Berlin

Mit viel Glück durften wir gestern an einer Veranstaltung zum Thema “Missile Defense (MD)” teilnehmen, deren Ausrichter “unter 3”-Bedingungen auferlegte: “Jeder im Raum kann das Gehörte nutzen, aber Zitate und Zuschreibungen sind nicht erlaubt.”

Wir dürfen wohl unseren Erkenntnisgewinn in einer ganz zentralen Frage der Raketen-Abwehr-Debatte so nutzen:

  • Nach authoritativer Darstellung der Ebene höchster deutscher Sachkompetenz ist die von seiten der U.S.-Regierung geplante Raketen-Abwehr-Stellung in Polen absolut nicht (wiederhole: nicht) in der Lage, aus Iran gegen Europa gerichtete Mittelstrecken-Raketen potentiell abzuwehren. Grundlage dieser Einschätzung sind einzig die rein technischen Leistungsparameter der entsprechenden Flugkörper.

In tiefer Berliner Nacht mögen wir bitte nicht die Konsequenzen dieser Lage-Beschreibung durchbuchstabieren. Es gibt genügend Clausewitze, die das richtig gut können.

{Das Denken kann man getrost den Gefährten überlassen}

 

U.S.-Raketenabwehr: Schlaf

1. Februar 2007

Man ist sicherlich in guter Gesellschaft, wenn man feststellt, einen wichtigen Aspekt der sicherheitspolitischen Entwicklung verschlafen zu haben: Nach etwa zweijährigen Vorgesprächen  mit Polen und der Tschechischen Republik beginnt die U.S.-Regierung nun mit konkreten Verhandlungen über die Stationierung eines Raketenabwehr-Systems:

  • Bis zum Jahr 2011/12 soll

    - in Polen eine 3. Basis mit 10 Abwehr-Raketen (“Ground-Based Interceptor”) des Typs aufzubauen, wie sie derzeit in Alaska (Ft. Greely, 2008 38 Raketen) und Kalifornien (Vandenberg AFB) stationiert werden;

    - in der Tschechischen Republik eine Radar-Anlage (X-Band) stationiert werden, die dem see-basiertem Radar-Typ entspricht.
     
  • Die Kosten der Radar- und die Raketen-Basis werden auf 3,5 Mrd. USD geschätzt, die Allierten sollen nicht zur Kasse gebeten werden. Wegen der sich unendlich hinziehenden Verhandlungen (als Erwartung) ist man gestartet.
     
  • Als einzige Bedrohungsquelle für die 3. U.S.-Basis wird der Iran genannt. Polen und die Tschechische Republik sind ausgewählt worden, weil sie günstig zu den Flugbahnen möglicherweise anfliegender Raketen liegen.
     
  • Die heftigen russischen Proteste werden einfach gekontert:

    - mit 10 Abfangraketen könne man das russische Arsenal nicht beindrucken,
    - rein physisch sei man nicht in der Lage, russische Interkontinental-Raketen abzuschiessen.

Die o.a. Daten sind der Niederschrift einer Medien-Telekonferenz vom 25. 1. 07 mit dem für Raketen-Abwehr zuständigen General-Leutnant Obering zu entnehmen. Den 10-Seiten-Text hat uns ein lieber Netzwerker geschickt, und weil wir den Wortlaut im Web nirgendwo gefunden haben, hängt er als eigenes pdf hier ab. Wer auf der Website von Oberings “Missile Defense Agency ( www.mda.mil ) stöbert, wird einige Grundinformationen zum Thema finden.

Man darf gespannt sein, ob und wie sich die Experten aus Politik, Militär (incl. Ex), Wissenschaft und Medien sich des Themas bemächtigen. Spontan kommt die Frage auf, wie z.B. die NATO mit ihren entsprechenden Studienaufträgen verfährt; die vor einigen Monaten geschlossenen Verträge wird man wohl einhalten müssen.

{Wenn man sich verspricht, sollte man einhalten}

 

U.S.-Intelligence: unkorrekt

29. Januar 2007

Wenn ausser uns in der Republik noch jemand an U.S.-Intelligenz-Berichten interessiert ist, sollte derjenige auf
http://intelligence.senate.gov/hearings.cfm?hearingId=2467
nachschauen, ob er/sie nicht doch etwas Erbauliches oder heftig Kritikwürdiges findet.

Wir empfehlen, dass man sich auf die Darstellung des (scheidenden) “Director of National Intelligence”, John D. Negroponte, konzentriert (die Seiten 4, 5 (pakistanische Wahlen in 2007!), S. 8 (Nigeria “is in danger of collapsing in the coming month”) und 12 f. (Central Asia).

Die 30 Seiten von General-Leutnant Michael D. Maples, Direktor der “Defense Intelligence Agency” sollte man gesonder betrachten. Vom Text ablesbar sind die Ambitionen der DIA, nach den Schlappen der zivilen U.S.-Geheimbranche militärische “Performance” zu zeigen. Die DIA erkühnt sich sogar, auf das “relatively large stockpile of non-strategic nuclear warheads” hinzuweisen, über die ein politisch korrekter Europäer niemals spricht (S. 14).

Ganz mutig will sich die DIA den Zorn der ganzen Welt zuziehen, wenn sie auf S. 29 das Thema HDBTs (Hard and Deeply Buried Targets) thematisiert (die Empfehlung lauert unter der Theke).

Alle “jährlichen” Bedrohungsberichte der U.S.-Geheimdienst-Abteilungen sind am 11. Januar 2007 an das U.S.-Parlament abgeliefert worden; wir haben sie erst heute entdeckt. Leider haben wir keinen Überblick, welchen Niederschlag sie in den amerikanischen und deutschen Medien gefunden haben.

Bevor man die verdammten, “intelligenten” Amis kritisiert, sollte man nachfragen, inwieweit die deutsche Intelligenzia den von Bundespräsident Köhler so als uninteressiert stigmatisierten Bundesbürger mit “Geheim”-Informationen bedient. Das ist auch falsch, weil der Fall Kurnaz die ganze Aufmerksamkeit des BND mitsamt seinem Chef in Anspruch nimmt: Hoch lebe die Innenpolitik.

{Schick’ Deinen Kameraden ins Feld - sorry, wenn er stirbt}

 

State of the Union: Hoffnung

24. Januar 2007

Auf www.whitehouse.gov kann man den Wortlaut des Berichtes zur Lage der U.S.A. finden, wie ihn Präsident Bush heute von 3.13 bis 4.02 Uhr vor dem Parlament dargestellt hat. Die  innenpolitischen Themen waren zahlreich, die Aussenpolitik dauerte ungefähr 23 Minuten:

  • Die U.S.A. befinden sich nach wie vor im Krieg mit einem entschlossenen Feind, das Gefecht soll zum Feind gebracht werden, man will in der Offensive bleiben.
     
  • Demokratie im “Broader Middle East” sei für die eigene Sicherheit bedeutsam.
     
  • Die iranische Regierung bekam mehrfach Prügel: Unterstützung der Schiiten im Irak, Hizballah (Hamas hat man wohl vergessen).
     
  • Die irakische Regierung müsse den Krieg der Sekten stoppen, müsse agieren; die  amerikanische Verpflichtung sei nicht “openended”. Andererseits meint Bush: Es gäbe die Möglichkeit des Sieges, er bittet um eine (letzte) Chance; ein Fehlschlag mit der Folge eines eskalierenden Krieges im gesamten Mittleren Osten sei ein Albtraum. Geschickt war die Argumentation, die an die Demokraten gerichtet war: Sie wollen doch nicht für den Fehlschlag votieren?
     
  • Mit einem von Demokraten und Republikanern besetzten “Special Advisory Committee on the war on terror” soll Überparteilichkeit hergestellt werden.
     
  • Im Stakkato wurden die Themen U.N.-Sanktionen gegen Iran, Quartett für Palästina, NATO und Afghanistan, Nord-Korea, Kuba, Weissrussland und Burma abgehandelt, zum Stichwort Dafur gab es dicken Beifall.

Trivial ist die Erkenntnis, dass im Jahr 2007 die Entscheidung über “Sieg” oder Niederlage in Irak fällt. In den entscheidenden Kampf um Bagdad werden rund 17.000 U.S.-Soldaten und General Petraeus (ein ausgewiesener “Counter-Insurgency”-Experte) geworfen und der U.S.-Druck auf das irakische Establishment, den religiös/machtpolitischen Sekten-Krieg zwischen Schiiten und Sunniten zu beenden. Der U.S.-Lagebericht im Jan. 2008 wird ein Hit.

{Hoffnung ist Gegenwart - in die Zukunft}

 

Amerikapolitik: ankommen

14. Dezember 2006

In Papierform wurde die Studie bereits im September 2006 veröffentlicht, jetzt findet man Peter Rudolf, “Amerikapolitik - Konzeptionelle Überlegungen zum Umgang mit dem Hegemon”, auf der Website des renommierten Denkpanzers “Stiftung Wissenschaft und Politik:
http://www.swp-berlin.org/de/common/get_document.php?asset_id=3242

Es ist sehr begrüssenswert, dass ein Thema abgehandelt wird, welches in Deutschland gern grob schnodderich diskutiert wird. Peter Rudolf hat sich mit grösster Genauigkeit die Mühe gemacht, amerikanische Aussenpolitik sachlich darzustellen. Seine Darstellung deutscher Handlungsoptionen - “so viel Kooperation wie möglich, soviel Kritik wie nötig” - ist sauber konzeptionell abgeleitet.

Zwei klug*** Anmerkungen möge uns Peter Rudolf aber erlauben:

  • Auf S. 7 (pdf) schreibt er:
    “Sicherheitspolitisch im engeren Sinne - zur Verteidigung der politischen Souveränität und territorialen Integrität Deutschlands - sind die USA jedoch nicht länger notwendig.”

    Mit dem Blick auf die Zeitachse könnte man Zweifel bekommen. Bei Renten-, Demographie- und Klima-Diskussionen ist fast jede TV-Nachrichten-Sendung leicht im Jahr 2050. Mit diesem Zeitfenster könnte man u.E. die Zuschauer zusätzlich erschrecken. 1999 stellten die Europäer im Kosovo-Krieg verblüfft fest, dass es ohne die U.S.-Streitkräfte böse ausgesehen hätte; der europäische Aufbruch wurde beschlossen. Verlängert man die Trendlinien europäischer Verteidigungsanstrengungen nur bis 2030, und addiert dazu leicht paranoide Szenarien, dann wird der o.a. Lehrsatz wackelig.
     
  • Welche Rolle Deutschland bei der Gestaltung der europäischen Sicherheitspolitik in Hinsicht auf die amerikanische Globalstrategie einnehmen kann, ist von herausragender Bedeutung und Teil deutscher Amerikapolitik. Dass Europa sich hier teilt in französische, britische, “alte” und “neue” Fraktionen, ist offensichtlich. Fatal wäre es, wenn die sicherheitspolitischen Probleme überwiegend als Machtambitionen der EU oder der U.S.A. betrachtet werden.

    Gibt es eine gemeinsame Strategie des Einsatzes nicht-militärischer “Waffen” (Softpower) zwischen der EU und den U.S.A. in der globalen Sicherheitspolitik? Ist sie von Europa gewünscht, würde sich Deutschland dafür einsetzen? Wahrscheinlich ist: Der gebündelte Dampf europäisch-amerikanischer Softpower wäre wirkungsvoller als das “beauty-contest”-Gehabe, welches pubertären Ambitionen entspringt.

Die weltweite Hard-Power-Fraktion ist in der umfassenden (globalen) Sicherheitspolitik schon angekommen; von den Soft-Power-Kameraden kann man das nicht behaupten.

{Sun Tsu sagt: “Wer ankommt, wartet immer auf die Nachzügler”}

 

RAND/COIN: Siege

25. September 2006

Was Austin Long, Forscher der RAND-Coporation, zum Thema “Other War”, den Lektionen von fünf Dekaden des “Counterinsurgency-War”, zusammengetragen hat, sollte man sich schon anschauen:
http://www.rand.org/pubs/monographs/2006/RAND_MG482.pdf

Die konkreten Empfehlungen der RAND-Studie beginnen ab der (pdf)-Seite 78:

  • Die Bürokratien müssen zusammenarbeiten;
     
  • Die “Verräter” muss man gut belohnen;
     
  • Die Grenz-Sicherheit muss erhöht werden.

Der “Conclusion” der RAND-Studie (pdf.-S. 93) kann man entnehmen, dass die U.S.A. aufgrund ihrer nuklearen und konventionellen militärischen Stärke alle potentiellen Opponenten gezwungen hat, Terrorismus- und Insurgency-Taktiken als mögliche Theorie für einen Sieg in Betracht zu ziehen.

{Soll man siegen wollen?}

 

U.S.-Kriegskosten: ~ USD

4. Juli 2006

Wer sich für die  finanziellen Folgen des “Global War on Terror” (GWOT) der U.S.A. interessiert, sollte sich zwei Studien des äusserst renommierten “Congressional Research Service” (CRS) abladen:

In der Gesamtrechnung des GWOT bis zum Jahr 2016 kalkuliert der CRS 808 Mrd. USD ein.

In dem zweiten Report sind die Daten fortgeschrieben, die die bilaterale Aufbauhilfe der U.S.A für den Irak betreffen:
http://www.fas.org/sgp/crs/mideast/RL31833.pdf

In den Haushaltsjahren 2003 bis 2006 sind vom Parlament insgesamt 34,1 Mrd. USD in für den Wiederaufbau beschlossen worden; davon sind 14,5 Mrd. USD bisher abgeflossen.

Diese schwindelerregenden Beträge sind mit den Thesen der Lehnstuhl-Strategen zu spiegeln, die verbreitet haben, die U.S.-Imperialisten hätten nur das Kriegsziel, sich das irakische Öl unter die Nägel zu reissen, und um ihre hegemonistischen Weltmachtträume fortzusetzen etc. Argumentativ werden diese Experten aber bei ihrer Meinung bleiben können, den die (Aus)Rede ist ganz einfach: die Amis waren zu blöd und/oder sind kläglich gescheitert. Damit braucht man noch nicht einmal die Adenauer-Variante zu bemühen:

{“Was schert mich mein dummes Geschwätz von gestern}

 

Demokratie-Strategie: cool

6. April 2006

Man denkt sich: Die Amis haben doch gerade so einen weltweiten Menschenrechtsbericht veröffentlicht - und jetzt schon wieder? Ausserdem gelten die Rapporteure im weltweit vermuteten Meinungsbild wahrscheinlich auch nicht als die berufenen Richter. Wer aber doch etwas cool bleibt, lädt sich den Rechenschaftsbericht des U.S.-Aussenministeriums - “Supporting Human Rights and Democracy: The U.S. Record 2005 - 2006” doch ab:
http://www.state.gov/documents/organization/64057.pdf (ca. 270 Seiten, viel Farbe, viel MB).

Der Vorteil dieser Verfahrensweise liegt auf der Hand: Wer vergleichbare Berichte ordentlich ins Archiv stellt, wird bei Bedarf - z.B. DR Kongo oder Kosovo - ein ordentliches Info-Paket zusammenstoppeln können. Aus der Analyse der verschiedenen Texte wird sich dann mit hinreichender Sicherheit ein Profil erstellen lassen, das meistens sogar Überraschungen ergibt.

Allerdings hat sich für uns die Geschichte auch fein gefügt: Man kann schnell darüber berichten - die Arbeit wird delegiert bzw. verschoben - und man kommt relativ früh ins Bett, um früh nach Koblenz aufbrechen zu können.

{Das Glück ist mit die Dummen}

 

Kreuzfahrer-Beweis: schlafft

28. März 2006

Man sollte vorsichtig sein, bei irgendwelchen Debatten ganz locker die allgemein als Verschwörungstheorie geltende Kreuzfahrer-Koalition der U.S.A. und Israels zu verdammen. In der entsprechenden Community wird ab jetzt eine Studie zur Hand sein, die eigentlich die Aufmerksamkeit der obersten U.S.-PR-Arbeiterin Kathren Hughes finden müsste.

Der altgediente John J. Mearsheimer, immerhin Professor für Politische Wissenschaften an der Universität von Chicago, und Stephen M. Walt, immerhin Havard University, haben “The Israel Lobby and U.S. Foreign Policy” geschrieben:
http://ksgnotes1.harvard.edu/Research/wpaper.nsf/rwp/RWP06-011/$File/rwp_06_011_walt.pdf
die “reworked version” (ohne die rund 211 Fußnoten auf 40 Seiten) hat nur 21 Seiten:
http://www.lrb.co.uk/v28/n06/print/mear01_.html

Das Fazit ist ganz einfach (lese nur die 1. + 2. Seite der Urfassung):

  • Die Nahost-Politik der U.S.-Regierung (mit allen bekannten Folgen) ist “innenpolitisch” getrieben, speziell von der “Israel Lobby”.
     
  • Die Leser der Studie könnten die Folgerungen der Professoren (zwar) zurückweisen, aber die Beweise, auf denen sie beruhen, seien nicht kontrovers (S. 2).

Die Folgen sind eindeutig:

  • Zwei hochanzusehende Professoren, die an Elite-Universitäten in den U.S.A. lehren, “beweisen”, dass die von nicht wenigen Muslimen befürchtete Kreuzfahrer-Allianz der U.S.A. und Israels eindeutig beweisbar ist.

{Ist Wissenschaft, was Wissen schlafft?}

 

U.S.-Luftrüstung: liegt

28. März 2006

Die von militärischer Luftfahrt begeisterte Gemeinde wird nicht umhinkönnen, gleich drei Papiere über den “Sound of Freedom” abzuladen

Die U.S. AirForce hat gerade zum Thema “Unbemannte Luftfahzeuge” (Unmanned Aerial Vehicle - UAV) eine 40-seitige “Strategic Vision” aus dem Jahr 2005 auf den Markt geworfen:
http://www.af.mil/shared/media/document/AFD-060322-009.pdf

Das Papier ist u.E. aber keine “Strategic Vision”, sondern nur ein nachdrückliches Werben der Teilstreitkraft, die in vielen Bereichen ausgreifende UAV-Inbesitznahme hoheitlich unter ihre Fittiche zu bekommen. Vor allem die U.S. Army mit ihren UAV’s will man an die Leine legen. Wie sie mit ihren UAV’s umzugehen gedenkt, kann man der entsprechenden Heeres-Dienstvorschrift entnehmen (180 Seiten):
http://www.fas.org/irp/doddir/army/fmi3-04-155.pdf (Vorsicht: 9 MB!)

Wer lieber etwas zur bemannten Luftrüstung der U.S.-Streitkräfte liest, wird sich das Papier des “Congressional Research Service” (CRS) des U.S.-Parlaments abladen:
http://www.fas.org/sgp/crs/weapons/IB92115.pdf

{Es liegt was in der Luft ...}

 

WMD-Strategie: Bumm

27. März 2006

Durch Zeitverschiebung u.ä. kommt man gar nicht mehr dazu, alles zu lesen, was man lesen müsste. Vielleicht ist es ja auch Teil der amerikanischen PR-Strategie, den “Gegner” schlicht zu saturieren. Der “Generalinspekteur” (Chairman of the Joint Chiefs of Staff”) der U.S.-Streitkräfte, General Peter Pace, hat die 31-seitige “National Military Strategy to Combat Weapons of Mass Destruction” (NMS-CWMD) vorgelegt:
http://www.defenselink.mil/pdf/NMS-CWMD2006.pdf

Beim Überflug haben wir festgestellt, dass für Verschwörungstheoretiker und “Dittsche” Stoff für neue Kriegsparolen gegeben wird:

  • Ziffer 5 der Strategie-Ziele (S. 6) lautet:
    “Current or potential adversaries’ WMD (Weapons of Mass Destruction) is detected and characterized and elimination sought.”

Hieraus lässt sich gut formulieren, was so falsch ist, dass noch nicht einmal das Gegenteil davon richtig ist.

{Ziel aufspüren, beleuchten und Bumm}

 

IEDs: Charme

24. März 2006

“Improvisierte Explosiv-Vorrichtungen” (Improvised Explosive Devices - IEDs) sind jene auf Strassen hinterlegte Sprengfallen, die im Irak für den Tod von mehr als tausend und für die  Verwundung von Tausenden U.S.-Soldaten ursächlich sind.

Der “Congressional Research Service” (CRS) des U.S.-Parlaments hat in einer 6-seitigen Stellungnahme nachgezeichnet, dass die Einleitung entsprechender Gegenmassnahmen bis zum Dezember 2005 nicht durch das U.S.-Verteidigungsministerium forciert worden ist, sondern durch das Parlament (S. 5 f.); die Beträge sind eher unbedeutend. Erst mit dem am 30. Dez. 2005 unterzeichneten Haushaltsgesetz für 2006 sind massive 1,3 Mrd. USD für das “Joint IED-Defeat Office” bereitgestellt worden:
http://www.fas.org/sgp/crs/weapons/RS22330.pdf

Das deutliche Versagen der U.S.-Rüstungsbürokratie ist eine Geschichte für sich selbst. Sie sollte als “Abschreckung” taugen für evtl. vergleichbare Vorgänge bei uns. Haben die Regierungen in Europa ihre Lektionen hinsichtlich des Schutzes ihrer Soldaten wirklich gelernt? Versteckt sich mancher Bürokrat evtl. hinter den Kosten für ordentlichen Schutz der Kameraden? Werden ausreichend Mittel für die IED-Problematik investiert - europaweit und national? Welche Firmen bieten verlässliche Konzepte an? Man hätte schon einige Beispiele zur Hand, die beweisen, dass einige europäische Regierungen es mit ihrem Schutz für ihre Soldaten nicht so genau nehmen. Leider ist die Debatte darüber so spezifisch, dass ihr jeder Charme für öffentliches Interesse abhanden kommen muss.

{Der Tod von Soldaten war noch nie von irgendwelchem Interesse}

 

3 Jahre Irak-Krieg: Lehren (und NACHTRAG vom 28.3.06, Nikolai Neumann)

21. März 2006

Der Tod von 33.000 Irakern wird beweint, von 2.300 U.S.- und von 103 britischen Soldaten etc.; von den Verletzten wird nicht so oft gesprochen - grob gilt der Faktor Tote x 4. Die Trillionen USD der Kriegskosten kann man rechnen oder auch nicht. U.E. verbleiben einige Lehren:

  • Die amerikanische Rüstungs-Bürokratie darf sich einen Grossteil der Toten/Verletzten an ihre Fahnen heften, weil sie für die Truppe nicht den notwendigen Fahrzeug-Schutz bereitstellen konnte.
     
  • Nation-Building verlangt eine zentrale Bürokratie-Struktur, die einerseits weisungsberechtigt und leistungsfähig ist, aber auch verantwortlich gemacht werden könnte.
     
  • Die entscheidende Frage ist aber an die entsprechenden irakischen Gruppen zu richten:

    - Von den 100% aller Terror-Anschläge hat Zarkawi als AlQaida-Vertreter einen quantitativen Anteil von knapp 10 % zu veranworten; qualitativ waren diese Anschläge allerdings strategisch besonders perfide;

    - Dass die ganz überwiegende Anzahl der “einfachen” Hinterhalt-Anschläge im sog. “sunnitischen Dreieck” stattgefunden hat, dürfte inzwischen zur Allgemeinbildung gehören. Die Opfer waren ganz überwiegend Iraker. Gilt die Einheit von Religion und Politik der Muslime? Demnach würden diejenigen Sunniten, die wahllos Terror-Anschläge durchführen, einen Religions-Terrorkrieg gegen ihre Glaubensbrüder führen. Die Alternative wäre: Alles hat mit Religion überhaupt nichts zu tun und ist purer politischer Krieg der Hussein-Verlierer; dann sollte er aber auch so kommentiert werden (was nach 3 Jahren in den deutschen TV-Medien langsam beginnt).
     
  • Kein diplomatischer Stratege würde irgendeinem Medium verraten, dass alle Clausewitze dieser Welt (incl. OBL) nur auf die U.S.A. starren, ob sie Fersengeld geben oder nicht. Betrachtet man unter diesem Blickwinkel die parteipolitische Diskussion in den U.S.A, ist der Schmunzel-Faktor überwältigend.

Irgendwo nähern sich die Wahrnehmungen der hässlichen Machthaber dieser Welt wohl der Auffassung, dass die letzte Bastion ernstzunehmender Gegenmacht gerade geschliffen wird. Dann darf man richtig zulegen.

{Man sollte ja auch versöhnlich sein: Who knows?}

Nachtrag vom 28. März 2006:

Wir jubilieren wirklich, wenn - was selten passiert - e-mail eintrifft, die dazu noch Spitzenklasse ist. Nikolai Neumann, Student der Politikwissenschaft, hat zwei Sätze unseres o.a. Beitrages auf das Feinste extemporiert und wir sind stolz, diese als .pdf veröffentlichen zu dürfen

 

U.S.-Sicherheitsstrategie: idealistisch

17. März 2006

Wer sein hoffentlich schönes Wochenende nicht ansatzweise gefährden möchte, sollte sich die Analyse der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie der Bush-Administration aufsparen, zunächst nur abladen:
http://www.whitehouse.gov/nsc/nss/2006/nss2006.pdf

Lt. Vorwort des U.S.-Präsidenten George W. Bush ist es eine “wartime national security strategy” (Seitenangaben gemäss pdf):

  • Das Ziel ist:
    “To protect our Nation and honor our values, The United States seeks to extend freedom across the globe by leading an international effort to end tyranny and to promote effective democracy” (S. 8);
     
  • Nicht Nord-Korea, sondern der Iran ist 1. Herausforderer:
    “We may face no greater challenge from a single country than from Iran” (S. 25);
     
  • Wir wissen nicht, ob dieser Grundsatz neu ist; diskussionswürdig ist er:
    “We will encourage and reward good behaviour rather than reinforce negative behaviour” (S. 38);
     
  • Gelesen haben muss man die 5 Prinzipien des Umgangs mit “main centers of global power”, weil auch Europa (S. 43) abgehandelt wird. Das 5. Prinzip ist zwar nicht neu, wird in Europa aber gern vergessen (S. 41 f.):
    “We must be prepared to act alone if necessary...” (Der Nachsatz gehört natürlich auch dazu);
     
  • Romane könnte man schreiben über:
    “Our national security strategy is idealistic about goals, and realistic about means”;
     
  • Ausser auf S. 28 kommt Militärisches nicht vor (früher immer: “... defeat and prevail”). Diesen Absatz sollte man sich aber  ausschneiden:
    Man bekennt sich zur Preemption und definiert sie als “long-standing principle of self defense”, also völkerrechtskonform gemäss Art. 51 der U.N.-Charta.
    Der dann folgende Satz (“as grave dangers materialize”) wird zwar als “Prinzip und Logik” der Preemption ausgegeben, könnte aber einer nicht wohlwollenden Interpretation für die These reichen, dass die Bush-Administration die Definition des preemptiven Notwehrrechts (die recht umstritten ist) derer des präventiven Angriffs heftig annähert und als “just cause” betrachtet. Mit dem Irak-Krieg (siehe Kasten-Text S. 28) ist dafür ja ein Beispiel gegeben worden; mit der Annahme, dass Massenvernichtungs-Waffen an Terroristen potentiell weitergegeben werden könnten, ein zweites.

{Zumindest das Wochende sollte gefahrenfrei sein}

 

Guantanamo: friendly fire

22. Februar 2007

Roger Willemsen ist einer unserer Kulturschaffenden, der sich auch redlich müht, ins Gespräch zu kommen. Mit seinem Buch, Interviews von 7 Ex-Häftlingen des U.S.-Exil-Gefängnisses, hat er es, zusammen mit Elmar Brok, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlaments, in den TV-Talk von Arabella Kiesbauer (N24) geschafft.

Man hätte es eigentlich nicht anders erwarten dürfen:

  • Nach Willemsen sind natürlich alle (rund 500) Häftlinge auf Guantanamo unschuldig;
     
  • Völlig klar sei, dass die Folterweisungen direkt von Verteidigungsminister Rumsfeld gekommen seien;
     
  • Von beifälligem Nicken von MdEP Brok begleitet, plaudert Willemsen noch ein Puzzle-Stückchen für Verschwörungstheoretiker bei:
    1999 hätten die Taliban bin Laden an die USA ausliefern wollen; da die ihn allein haben wollten und eine Gerichtsbeteiligung dreier islamischer Staaten abgelehnt hätten, sei die Auslieferung gescheitert (die Taliban waren halt lieb).

Wer an Fakten interessiert ist, sollte den 28-seitigen Bericht von Mark und Joshua Denbeaux abladen:
http://law.shu.edu/news/guantanamo_report_final_2_08_06.pdf

Dieser Report enthällt eine repräsentative Auswertung von Regierungsdaten, die u.E. allerdings auch die beste Guantanamo-Kritik darstellen. Die im U.S.-Aussenministerium angesiedelte Staatssekretärin Karen Hughes, zuständig für “Public Diplomacy”, sollte sich anhand des Reports etwas einfallen lassen. Würde man pro Häftling auf einer Seite darstellen, was Sache ist, hätte die Öffentlichkeit genug zu lesen. Potzblitz, gerade wo wir das schreiben, wird sie im ARD-Morgenmagazin interviewt (nach den Regeln unserer Kommunikations-Lehre war das heftig daneben).

Zum amtsinternen Debatten-Verlauf bietet Jane Mayer im “New Yorker” auf 13 Seiten den Stoff, der die besten Argumente gegen die U.S.-Regierung liefert; der Informant ist natürlich auch der Held:
http://www.newyorker.com/fact/content/articles/060227fa_fact

{Kommunikation ist auch Krieg - allerdings hauptsächlich “friendly fire”}

 

Irak-Historie: rauscht

20. Februar 2006

In der Referenz-Zeitschrift für aussen/sicherheitspolitische Fragen, “Foreign Affairs”, kommt Paul R. Pillar zu Wort; von 2000 bis 2005 war er “National Intelligence Officer for the Near East and South Asia” der CIA. Seine Botschaft ist für die üblichen Argumentationen irritierend:

  • Von einer “Lüge” der U.S.-Administration kann demnach keine Rede sein. Die “Wahrnehmung der Waffen-Kapazitäten Saddams” war “quite right”;
     
  • Der zentrale Vorwurf von Paul R. Pillar lautet:
    “intelligence on Iraqi weapons programmes did not drive its decisions to go to war”:

http://www.foreignaffairs.org/20060301faessay85202/paul-r-pillar/intelligence-policy-and-the-war-i n-iraq.html?mode=print

Wie in den U.S.A. die Debatte geführt wird, zeigt
http://www.opinionjournal.com/editorial/feature.html?id=110007981

In der Nachbetrachtung ist es geradezu belustigend, amerikanische Kriegsentscheidungen zu analysieren. Einerseits war also Saddams Waffenarsenal “quite right”, andererseits war es nicht der Treiber für den Krieg.

Man darf getrost annehmen, dass Deutschland diese Debatte gar nicht erreicht; alle Urteile stehen sowieso fest. Wenn SPIEGEL/ZEIT-Online die Story nicht aufnimmt, rauscht die Pillar-Geschichte an uns vorbei.

{Wer fragt, antwortet nicht gern}

 

U.S.-Verteidigungshaushalt: Vergnügen

Wenn man sich die entsprechenden Tabellen des Entwurfes der U.S.-Administration für das Haushaltsjahr 2007 (beginnt am 1. 10. 06) anschaut,
http://www.whitehouse.gov/omb/budget/fy2007/budget.html ,
wird man feststellen, dass im Vergleich zum Haushalt (Fiscal Year, FY) 2006

  • 12 Ministerien zwischen 0,1 bis 1,5 Mrd. USD verlieren,
  • weitere 9 sehr moderate Zuwächse von 0,1 bis 0,5 Mrd. USD verzeichnen,
  • nur die Militär-Veteranen mit 2,6 Mrd. (8 %) und das Auswärtige Amt sowie Internationale Programme mit 3,7 Mrd. USD (12,2 %) beachtliche Steigerungen aufweisen,
  • und einzig der Verteidigungshaushalt um satte 28,5 Mrd. USD (6,9 %) steigt.

Wer in die Datenflut des um 440 Mrd. USD nachgefragten Verteidigungshaushaltes tauchen möchte, sollte sich als “Favoriten” markieren:
http://www.defenselink.mil/comptroller/defbudget/fy2007/index.html

Dort findet man auch eine Tabelle, die die Ausgabenbereiche aufschlüsselt. Hier fasziniert uns, dass für den Bereich Forschung, Entwicklung, Tests und Erprobung (RDT&E) 73,2 Mrd. USD veranschlagt sind, für Rüstungsbeschaffung aber gerade einmal rund 10 Mrd. mehr (84,2 Mrd. USD). Wie sähe ein Vergleich mit Europa aus? Den kann man gar nicht anstellen, weil die vergleichbare Datenbasis fehlt. Aus den spärlichen Angaben in einigen wenigen wissenschaftlichen Untersuchungen kann man höchstens die grobe Daumenregel ableiten, die einem Verhältnis von 1 : 5 entspräche.

Wir erleben den Tag wahrscheinlich nicht mehr, an dem die geliebte Europäische Verteidigungsagentur (EDA) wenigstens annähernd vergleichbare Daten der EU 25 ins Netz stellt. Schon gar nicht die Deutschen werden hier eine Führungsrolle übernehmen. Seit den Tagen des Kalten Krieges hat sich an der “Klarheit und Wahrheit” des deutschen Verteidigungshaushaltes nichts geändert. Einzig die Mitglieder des Haushaltsausschusses des Bundestages, die als Berichterstatter für den Verteidigungshaushalt fungieren, dürfen als informiert gelten; nur vor ihnen hat das Ministerium hinreichenden Respekt. Der Staatsbürger wird sich mit den Informationen zum Verteidigungshaushalt abfinden müssen, die auf www.bundeswehr.de zu finden sind. Vielleicht ist des Deutschen “wohlwollendes Desinteresse” (Präsident Köhler) an der Verteidigungspolitik darauf zurückzuführen, dass der Staat überhaupt gar kein Interesse daran hat, seine Untertanen gemäss dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 1977 zu informieren:

  • “Eine verantwortliche Teilhabe der Bürger an der politischen Willensbildung des Volkes setzt voraus, dass der Einzelne von den zu entscheidenden Sachfragen, von den durch die verfassten Staatsorgane getroffenen Entscheidungen, Maßnahmen und Lösungsvorschlägen genügend weiß, um sie beurteilen, billigen oder verwerfen zu können.”

{Viel Vergnügen mit dem Genügen}

 

NMSP-WOT: Reiberdatschi

7. Februar 2006

Wer sich für (militärische) Pläne des Krieges gegen den Terrorismus interessiert, wird den “National Military Strategic Plan for the War on Terrorism” (NMSP-WOT) lesen müssen; verantwortlich zeichnet General Peter Pace, Chairman of the Joint Chiefs of Staff der U.S.-Streitkräfte (Vorsicht: 25,8 MB für 40 Seiten):
http://www.defenselink.mil/qdr/docs/2005-01-25-Strategic-Plan.pdf

Gefällig sind die zahlreichen Definitionen und Nomenklaturen, die fürs “Abschreiben” geeignet sind. So löst sich z.B. der oft gehörte Begriff “Strategie” schlicht in die Abfolge means > ways > ends auf, und man ahnt, dass die Zielbeschreibung leichter ist, als die Einigung über die Wege und vor allem die Beistellung der notwendigen Hilfsmittel.

Immerhin beschreibt der U.S.-Generalstab das “Center of Gravity” (sinnentsprechend übersetzt mit “Schwarzes Loch”) der Strategie des Feindes richtig: seine extremistische Ideologie (S. 7, 16). Dem folgt aber eine Gegenstrategie, die bestenfalls als seltsam erscheinen muss (S.7):

  • “To ensure unity of effort, the Department of Defense will coordinate closely with the Federal agencies assigned primary responsibility for this efford in the U.S. Government.” (die diesem Satz nachfolgenden Ausführungen sind dann allerdings wieder im richtigen Rahmen).

Zu diesem Gravitationsfeld sollte man den “Annex H, “Strategic Communication” (S. 31 ff.) lesen, dem ja die Pleiten-Geschichten des “Office for Strategic Information” (OSI) und den Informations-Operationen im Irak des DOD anhaften.

Wenn Karen Hughes, Staatssekretärin im U.S.-Aussenministerium, zuständig für “Public Diplomacy and Public Affairs”, gewahr wird, dass das U.S.-Verteidigungsministerium ihr die “strategische Kommunikation” streitig machen will, wird sie sicherlich in ihrem Büro wüten; dem folgt die in machtstrotzenden Bürokratien übliche Lieblingsbeschäftigung: der Krieg untereinander.

Sorry, wenn wir uns an einem einzigen Satz “aufgerieben” haben.

{Means, Ways and Ends: You are just a Reiberdatschi}

 

Zustandsbericht U.S.A.: nix

1. Februar 2006

51 Minuten incl. Beifall hat U.S.-Präsident George Walker Bush benötigt, um seine “State of the Union Address” vor dem Parlament darzustellen:
http://www.whitehouse.gov/news/releases/2006/01/print/20060131-10.html

Wer die Live-Übertragung ungewollt verschlafen hat, wird wenigstens die erste Hälfte des 7-Seiten-Ausdruckes lesen, die die Aussenpolitik abhandelt. Wer das Profil von G. W. Bush kennt, wird sich eigentlich auch die Lektüre ersparen können; wir haben jedenfalls nichts gefunden, was neu oder zumindest ausgefallen ist. Deshalb ein (;-) Danke für die Marscherleichterung.

{Warum können nicht alle Leute nichts Neues reden?}

 

1.000 Tage Irak: Meinung

13. Dezember 2004

Nach dem gestrigen 1.000sten Kriegstag im Irak sollte man sich zunächst die Datensammlung von Daniel Enemark im “Christian Science Monitor” anschauen:
http://www.christiansciencemonitor.com/2005/1213/p20s01-woiq.htm

Und zwei Tage vor der Parlamentswahl im Irak darf man sich fragen, welche Lehren für die nächsten 1.000 Tage zu ziehen sind:

  • Die asymetrische Kriegführung gegen Hinterhalt-Bomber gehört zu den schwierigsten Formen gewaltsamer Auseinandersetzung. In unterschiedlichem Ausmass verfügen nur die Briten und Israelis über entsprechende Erfahrungen. Die U.S.-Army war weder von der Doktrin noch von der Ausrüstung her auf diese Art der Kriegführung vorbereitet. Gegen eine Zahl von 8.000 - 18.000 Hinterhalt-Kämpfern ist ein hoher Ansatz eigener Kräfte notwendig (nach dem 2. Weltkrieg kamen auf je 100.000 deutsche Bewohner im amerikanischen Sektor 10.000 U.S.-Soldaten).
     
  • Der konzeptionelle Ansatz, die Sicherheitskräfte eines besiegten Kriegsgegners wieder aufzubauen, ist allein schwierig genug. In Fällen wie Kosovo, Afghanistan und Irak dürfte aber unbestritten sein, dass die schnelle Wiederbewaffnung des besetzten Staates erste Priorität haben müsste. Merkmal westlicher “Stabilisierung” ist aber eine massive Truppenpräsenz auf “Jahrzehnte” hinaus.
     
  • Makaber statistisch haben im Irak in den vergangenen 1.000 Tagen täglich zwei U.S.-Soldaten ihr Leben verloren, wurden rund 16 verwundet. Der “Corps-Geist” der Truppe erträgt dies, der Zeitgeist in der Heimat viel weniger. Wer als Hinterhalt-Bomber die aktuelle U.S.-Debatte verfolgt, wird genügend (selektive) Bestätigung dafür finden, dass die strategische Achillesferse des “cut and run” doch noch getroffen wird. Wenn der Wille den Kriegsausgang wesentlich beeinflusst, muss die gegnerische Wahrnehmung desselben erhebliche Bedeutung haben (allerdings stehen Wahrnehmungen generell in der Gefahr, etwas getrübt zu sein).
     
  • Seit mehr als 1.000 Tagen kommt die Berichterstattung über den “Normal”-Iraker ganz wesentlich zu kurz; er wird den Ausschlag geben. Auch die letzte repräsentative Umfrage von “Oxford Research International” (Nov. 2005, siehe “SPIEGEL Online”) lässt hoffen.
     
  • Als Deutscher darf man sich auch fragen, welche Bedeutung der Vorgang für die eigene Sicherheitspolitik hat. Im “KRIEG” mit dem Terrorismus befinden wir uns definitiv nicht, im Psychokrieg mit der U.S.-Regierung schon eher. Wenigstens den wollen wir gewinnen.

{DU bist Deutschland - Du gewinnst den Krieg}

 

SSTR: Implosion (+ Nachtrag vom 12. 12. 05)

8. Dezember 2005

Die Lehnstuhl-Strategen allerorten werden sich die Augen reiben, wenn sie die “Directive 3000.05” des U.S.-Verteidigungsministeriums zum Thema “Military Support for Stability, Security, Transition, and Reconstruction Operations (SSTR)” lesen:
http://www.fas.org/irp/doddir/dod/d3000_05.pdf

Was in Deutschland unter dem Stichwort “Eingreifkräfte” (siehe ISAF, KFOR) halbwegs bekannt ist, wird für die U.S.-Streitkräfte nun befohlen. Wer hierzulande vorschnell “haben wir schon lange entdeckt” ruft, wird ein zweites Mal nachdenken müssen, denn

  • die SSTR-Weisung erklärt zur “Policy” des Pentagon, dass den Stabilisierungs-Operationen “Priorität gegenüber den Kampf-Operationen” gegeben und dies ausdrücklich bei allen Aktivitäten des Ministeriums festgeschrieben werden soll (Ziff. 4.1).
    (die Deutschen werden zugeben müssen, dass den Bw-Stabilisierungs- gegenüber den Eingreifkräften diese Priorisierung - durch alle Ebenen, wie z.B. Rüstung - per Ministerweisung eben nicht direktiert worden ist).

Wenn man ein 3. Mal über das SSTR- (und das Bw-”Nation-Building”-)Konzept nachdenkt, und die Ziff. 4.3 des SSTR-Befehls, wird man u.E. nur zu dem Ergebnis kommen können, dass damit der unsinnige und vorab zum Scheitern verurteilte Weg beschritten wird, den halbgare Kaffee-Haus-Strategen den Medien ins Ohr kauen:

  • Zuwenig Soldaten, die noch nicht einmal in der Lage sind, die Sicherheit herzustellen, sollen nebenher auch noch die marode Infrastruktur und die zerfallene Autokratie einer unendlich unwirtlichen Weite in modernste Demokratie umglitzern, in der die Medien mit Sicherheit noch Abgründe von Hässlichkeit finden; alles natürlich schon gestern.

Arme Schüler werden in PISA-Tests gnadenlos auf Fakten und geistige Fähigkeiten geprüft. Derweil dürfen Politiker, Akademiker und Goldfasane ungestraft einen Unsinn anweisen, der wirklich nicht  das Papier wert ist, auf das er geprangt worden ist.

Wir haben schon gemerkt, dass Ihr Lese-Interesse derweil doch rapide abgenommen hat. Es ist der Beweis für das (geisteswissenschaftliche) “Gesetz der trivialen Implosion”:

{Implosion = (BlaBlaBla - BlaBla - Bla) x triv / normal3}

Nachtrag vom 12.12.05:

Zurecht hat uns Stefan L. per e-mail korrigiert:

“In der SSTR Directive wird Stability Ops keine Priorität über Combat Ops gegeben, sondern "They shall be given priority COMPARABLE to combat ops..." (Pkt 4.1, 2. Satz). Damit ist maximal eine Gleichberechtigung erreicht.”

Wenn man allerdings Prioritäten “vergleichbar zu” setzt, ist auch keine Priorität gesetzt.

{Prioritäten halten jedem Vergleich stand}

 

U.S./Irak-Strategie: run?

1. Dezember 2005

Wenn man das Toben der amerikanischen Debatte über die rechte “Exit-Strategy” im Irak verfolgt, die “Job-Approval-Rate” des Präsidenten unter die magische Linie von 40 % fällt, könnte man elektrisiert sein. Wir sind es nicht, denn diesem Texaner nehmen wir ab, dass er bis 2008 in einem unerschütterlich ist:
“America will not run in the face of car bombers and assassins so long as I am your Commander-in-Chief ... I will settle for nothing less than complete victory” (siehe:
http://www.whitehouse.gov/news/releases/2005/11/20051130-2.html

Leider hat George W. Bush in seiner Rede nicht erwähnt, was in der gleichzeitig veröffentlichten “National Strategy for Victory in Iraq” zu finden ist: Dass für Terroristen vom Schlage OBL Vietnam, Libanon 1982 und Somalia die Beispiele sind, dass man die U.S.A. zu einer “cut-and-run-Strategie” bomben kann (diese Strategie gilt nicht nur für die U.S.A.).

Die amerikanische Sieg-Strategie für den Irak sollte man sich schon abladen:
http://www.whitehouse.gov/infocus/iraq/iraq_national_strategy_20051130.pdf

Wer nur die Hürden für den Sieg fein aufgelistet sucht, wird hier fündig werden (S. 13, 24, 27). An den “8 Pillars” kann man sich auch abarbeiten (S. 28).

Bei aller klugen Weitsicht sollte man aber nicht vergessen, dass die Iraker in gut zwei Wochen wählen: zwischen 300 Parteien! Entscheidend wird das Verhalten der Sunniten sein.

Europäer und speziell Deutsche, die in ihren Sonntagsreden hervorheben, dass die politische Entwicklung des Irak - gerade im Kontext “Broader Middle-East” - von entscheidender Bedeutung für unserer Sicherheit ist, sollten mit den repräsentativen Fakten wenigstens bekannt sein.

{Was ich nicht weiss, maybe is nice}

 

U.S.-Präsident G.W. Bush: Raid

7. Oktober 2005

40 Minuten hat U.S.-Präsident George Walker Bush auf die Welt eingeredet; es war eine  “ideologische” Rede zur Begründung des Kampfes gegen den Terrorismus:
http://www.whitehouse.gov/news/releases/2005/10/print/20051006-3.html

Reichlich Stoff für Verschwörungstheorien wird bieten, dass sich G.W. Bush im Umfragentief befindet und direkt im Anschluss an seine Rede eine Riesenwarnung für einen möglichen Anschlag auf das New Yorker U-Bahn-System ausgerufen wurde.

Operativ dürfte sich der Commander-in-Chief in Schwierigkeiten geredet haben: Wer Syrien und Iran so eindeutig mit einem “Preisschild” als Unterstützer des Terrors auszeichnet, stürzt sich in Zugzwang (siehe S. 6, “drittens”). U.E. wäre es verfehlt, gleich wieder in bombastischen Kriegsszenarien zu denken. Denkbar wäre aber, dass irgendwann Kommando-Unternehmen der amerikanischen Streitkräfte gegen (für die Öffentlichkeit nicht nachvollziehbare) deklarierte Ziele der Terror-Unterstützung in Syrien und/oder Iran (oder sonstwo) befohlen werden. Klar ist, dass es dabei nicht um die “Effizienz” des Einsatzes ginge, sondern um die sicherheitspolitische “Effektivität” im weitesten Sinne.

Der Nachweis zur Fähigkeit eines “chirurgischen” Kommando-Einsatzes fehlt den U.S.-Streitkräften seit ihrem Desaster im Iran 19?? (Befreiung der Botschafts-Geiseln). Wenn der GWOT (Global War on Terrorism) so wie geschildert ist, fehlt der U.S.-Regierung die welt-öffentliche Zurschaustellung einer erfolgreichen “Raid”-Fähigkeit. Wer so macchiavellistisch zu denken fähig ist, muss sich nicht unbedingt schämen; es sei denn, er schiebt den “Gutmenschen” vor.

{Macht machts - und das ist gut so (?!?)}

 

Defense Review: Ausflüchte

29. September 2005

Der Verteidigungsausschuss des amerikanischen Repräsentanten-Hauses (House Armed Services Committee - HASC) führt derzeit eine “Committee Defense Review” (CDR) durch, um sich auf die “Quadrennial Defense Review” (QDR) vorzubereiten, die das U.S.-Verteidigungsministerium im Februar 2006 vorlegen will. Ausserdem will das HASC einen umfassenden Report seiner Erkenntnisse erarbeiten.

Die U.S.-Parlamentarier laden für ihre Unterrichtung u.a. die führenden Sicherheits-Experten von Akademien und Think-Tanks ein. Bedeutsam ist u.E. dabei, dass jedem Interessierten die Vorträge kostenlos und weltweit zugänglich gemacht werden:
http://www.house.gov/hasc/CDR/index.html

Was ist schon unbestritten -  ist es:

  • Ein neiderregendes Vorbild an demokratischer Transparenz?
     
  • Oder ein geniales Mannöver des militärischen Komplexes der imperialen Hegemonie?
     
  • Der verzweifelte Krieg von relativ einflusslosen Politikern gegen die Allmacht des Militärs?
     
  • Oder nur die Dokumentation der Hilflosigkeit gegenüber all den Bedrohungen und unzureichenden Fähigkeiten für ihre Abwehr, noch dazu nur die militärische Komponente betreffend?
     
  • Ein repräsentatives Beispiel dafür, dass allein die U.S.A ein ernsthaftes Interesse an sicherheitspolitischen Fragen haben und man (ganz überwiegend) nur dort Informationen dazu findet?

Man merkt es selbst, dass es genügend Ausflüchte gibt, sich nicht mit diesen Themen zu beschäftigen. Im Land von “DU bist Deutschland” bist DU hoffentlich nicht Sicherheitspolitiker!

{DubiDubiDu}

 

U.S. Army: teuer

23. September 2005

Wenn man schon als militärlastig angesehen wird, sollte man das wenigstens am Wochenende auch richtig ausleben. Die “Federation of American Scientists” hat sich das Grünbuch der U.S. Army an Land gezogen; man findet alles, was einem teuer zu stehen kommen würde:
http://www.fas.org/man/dod-101/sys/land/wsh/index.html

Wir hoffen, dass uns die nächste Woche besseres blüht.

{Was dem Einen teuer ist, findet der Andere nur billig}

 

U.S.-Rüstungsindustrie: ersetze

2. August 2005

Wer sich intellektuell richtig durchschütteln will, muss unbedingt
http://www.heritage.org/Research/NationalSecurity/loader.cfm?url=/commonspot/security/getfile.c fm&PageID=81559 lesen.

Jack Spencer hat für die Neocon-verdächtigte “Heritage-Foundation” ein  48-seitiges Stück zum Thema “U.S. Military Industrial Base” geschrieben, welches kein zu erwartendes Fettnäpfchen auslässt und in dieser Form (aus dieser “Ecke”) noch nie zu lesen war:

  • Das U.S.-Parlament mit seinen tausenden Gesetzen für “buy america” wird schlicht für idiotisch erklärt in Bezug auf die Rüstungs-Anforderungen für die U.S.-Warfighter der kommenden Kriege;
     
  • Aus der reinen Übertragung der Lehre von der kommerziellen Globalisierung auf die Globalisierung des Rüstungsmarktes wird (gegen alle bisherige Lehre und Praxis) die konsequente Öffnung des U.S.-Rüstungsmarktes gefordert;
     
  • Wer satte Zitate sucht, wird fündig:¥- auf S. 29 werden Erinnerungen an Eisenhowers “Military-industrial-complex” (MIK, siehe das sozialistische Schimpfwort) wach: “impossible to control”;
    - für verdächtigte Neocons ganz gegenteilig klingt: “Nationalization is always never a good idea”;
    - ganz rabiat klingt es zum U.S.-Rüstungs-Prozess auf S. 30: “... would become essentially socialistic” (ein schlimmers Schimpfwort aus dem Munde eines vermuteten Neocon kann man sich gar nicht vorstellen).

Mit aller gebotenen Bescheidenheit empfehlen wir doch allen europäischen Rüstungs-Industriellen, diese Heritage-Studie an prominenter Stelle auf dem eigenen Schlepptop zu plazieren - sie ist pure Informations-Dominanz. Dabei muss es nicht unbedingt als besonders störend empfunden werden, dass die Spencer-Strategie darauf angelegt ist, die im Report-Text erwähnte U.S.-”Hegemony” zu verfestigen.

Da das Image der Neocons doch etwas ramponiert ist, dürfte fraglich sein, ob die sachlich zutreffenden Spencer-Erkenntnisse bis auf die Ebene der durch rüstungs-industriell betroffenen Wahlkreise tangierten Politiker durchschlägt?: Sorry: NOGO (bis G.W. Bush dringt die Botschaft nicht duch).

{“Die Botschaft höre ich gern, doch ... (ersetze glaubensgemäss)}

 

Homeland Defense: Albtraum? (+ Nachtrag)

4. Juli 2005

Für Konzeptionäre der Abteilung Innere Verteidigung ist eigentlich Arbeitszeit angesagt. Unterstellt man für den Herbst den Amtsantritt einer die Landesverteidigung betonende Partei, dann kann man vielleicht von der CDU/CSU Lorbeer ernten. Der Heimatschutz wird vor allem von der CSU propagiert, sucht aber wohl noch seine konzeptionelle Einbettung in eine ansehnliche Architektur.

Wer die Problematik des Art. 35 GG, die 34 verschiedenen Zuständigkeits-Ebenen des Katastrophen-Schutzes und die Literatur über einen Nationalen Sicherheitsrat schon kennt, wird vielleicht in den 46 Seiten der neuen U.S.-amerikanischen “Strategy for Homeland Defense and Civil Support”
http://www.defenselink.mil/news/Jun2005/d20050630homeland.pdf
Anregungen finden.

Für eine realistische Einschätzung sind jedoch recht extrem positionierte Punkte in Verbindung zu bringen:

  • Hochrangige Experten - wie der Chef des Bundesnachrichtendienstes - lassen eher die These vermuten, dass ein massiver Terror-Anschlag in Deutschland nicht eine Frage des Ob, sondern des Wann ist. Unvermindert wird die Erkenntnis betont, dass europäische Terroristen der (vermeintlich assimilierten) 2. und 3. Generation vormaliger Migranten angehören. Können Terror-Anschläge überhaupt ein faktisches Ausmass erreichen, welches die bisherigen Art. 35-Strukturen deutlich überfordert? Fehlen nicht eher die Strategien für die Behandlung der durch Medien-”Psychose” ausgelösten Massen-Traumata?
     
  • Einerseits ist - durch den Irak-Krieg bedingt? - eine Anschlags-Ebbe in Europa festzustellen. Andererseits wird, für die Zeit nach Ende des massiven Terrors im Irak eine Auswanderung der “kriegs”erfahrenen Terroristen beschrieben;
     
  • Eine den hypothetischen Bedrohungs-Szenaren angepasste Struktur verlangt in der Bundesrepublik Deutschland einen massiven Handlungsdruck, der nur von einem entsprechend konstituierten Leitenden ausgeübt werden könnte, und eine entsprechende Sensibilität für dieses Thema beim Träger der Richtlinien-Kompetenz gegeben ist. Wie wahrscheinlich ist diese Konstellation?
     
  • Eine demtentsprechende Flurbereinigung fordert entsprechende Finanzen, die nur durch Umschichtung erwirtschaftet werden können; gleiches gilt für die Umleitung von Macht. Dabei gäbe es 100 Verlierer und einen Gewinner; allerdings ist dies vorher auch das Kämpferverhältnis.

Bei der Gefechtslage werden die effektiven Konzeptionäre die Lust für den Entwurf der Blaupause gleich wieder verlieren. Man erinnert sich der Lebensweisheit, dass Handlungsdruck erst entsteht, wenn “das Kind im Brunnen versunken” ist; interessant sind dann die Verschwörungs-Theorien über den Hergang.

{Muss man für jeden Albtraum ein Konzept schreiben?}

Nachtrag 5. Juli 2005:

Wer sich zur Frage “Assimilation der 2./3. Generation und Terror” weiterbilden möchte, sollte unbedingt die Analyse in “Foreign Affairs” lesen:
http://www.realclearpolitics.com/Commentary/FA-6_05_RL.html

 

U.S.-Rüstung: Einkaufstour

28. April 2005

Suzanne D. Patrick, Staatsekretärin im U.S.-Verteidigungsministerium, zuständig für Industrie-Politik, hat ihre Chance gut genützt: als Rednerin während der 19. AFCEA-Fachausstellung ( www.afcea.de ) in Bonn/Bad Godesburg.

Man muss nicht dabei gewesen sein, denn Frau Patrick hat zunächst nur vorgestellt, was man im Netz findet:
http://www.acq.osd.mil/ip/docs/dibcs_protection_12-28-04.pdf

Dieser Bericht sollte auch hier studiert werden, weil er exemplarisch für eine gute Top/Down-Strategie steht und deutschen High-Tech-Firmen Chancen bietet (siehe vor allem die Anhänge des Berichts):

  • Zuerst werden für den Zeithorizont 2020 detailliert die militärischen Fähigkeiten beschrieben, die technologisch umgesetzt werden sollen (allein diese Abhandlung ist vorbildlich (Anhang A);
     
  • dann werden die Technologie-Felder konkret benannt;
     
  • zuletzt wird ein Formblatt geboten, mit dem sich jede Firma, welcher Nationalität auch immer, als Anbieter bewerben kann.

Abschliessend wurde jedoch klar, dass Frau Patrick zielgerichtet auf Einkaufstour ist: Charmant nachdrücklich forderte sie die Industrie-Vertreter auf, sich mit ihren Kompetenzen zu bewerben, vor allem die KMU (Kleinere und mittlere Unternehmen). Diese “small industries” sind nach den Erkenntnissen des Pentagon mit einem Anteil von 35 - 45% die führenden Technologie-Träger.

Wie chaotisch dagegen die “deutsche” IT-Debatte ist, zeigte die Podiums-Diskussion. Die Angriffe der Industrie gegen die Amtsseite und deren Entgegnungen waren zwar relativ verhüllt, man ahnte jedoch, dass jede Menge Groll auf allen Seiten herrscht. Bezeichnend war, dass am Ende der Diskussion die Bw-IT-Beamten anmerkten, dass es seit Dezember 2004 ein “Vorläufiges Konzept der IT-Architektur der Bundeswehr” gäbe. Es bleibt zu klären, ob dieses Konzept für die IT-Industrie nicht zielführend ist oder sie es einfach noch nicht zur Kenntnis genommen hat.

Nach unseren Kriterien für die Kommunikations-Performance (verbal/non-verbal) verdient Frau Patrick “sehr gut”; ansonsten möchten wir das Netz nicht beschmutzen.

{Was sind Nestwork-enabled Capabilities?}

 

U.S.-Defense Strategy: bezahlt

21. März 2005

In das Wochenende hinein hat die amerikanische Militär-Administration zwei deklaratorische Dokumente geschossen, die der Rest der Analysten wohl erst heute abladen wird. Verteidigungsminister Rumsfeld verbreitet sich auf 20 Seiten zum Thema:
“The National Defense Strategy of The United States of America” (NDS):
http://www.defenselink.mil/news/Mar2005/d20050318nds1.pdf

Very sorry, wenn wir als Pantoffel-Tierchen der grossen Politik dazu absondern:

  • Die Lektüre kann man sich sparen, weil das Papier quasi ungültig ist;
     
  • Im Vorwort erklärt Donald H. Rumsfeld, dass die für die U.S.-Verteidigungs-Strategie entscheidende “Quadrennial Defense Review” (QDR) von 2001 Grundlage der NDS sei. Andererseits ist klar, dass im Sommer 2005 die QDR 2005 erwartet wird, und zwar mit erheblichen “lessons learned”;
     
  • Ausserdem wird Präsident Bush vorher die höherrangige und aktuelle Version der “National Security Strategy” verkünden müssen (die letzte ist vom Sept. 2002), nach der sich alle weiteren “Strategien” zu richten haben;
     
  • Wer dennoch auf Spurensuche nach irgendwelchen Anzeichen ist, findet natürlich reichlich:
    - Europäisches Ärgernis war Rumsfelds Verdikt: “The mission defines the coalition”. Triumphanten werden in der NDS das für Alliierte zentrale Zitat finden:
    “ Our capacity to address global security challenges allone will be insufficient” (S. 5).
    Auf S. 8 taucht aber Rumsfelds Verdikt wieder auf:
    “In doing so, we will act with others when we can.”

    - Wer gekünstelt darstellen kann, wird nach dem Zauberwort “preventive” suchen; das lohnt sich;

    - Auf S. 15 ist die Rede von einer “Global Peace Operations Initiative”. Sorry, aber davon haben wir noch nie etwas gehört; man müsste es mit Google versuchen;

    - Ab S. 16 f. wird es militärisch drollig mit “Swiftly defeat”. Man spürt geradezu den militärischen Heilswunsch, jeglichen Gegner “swiftly” wegzuballern. Das ist feinste deklaratorische Militärmusik.

Neues Thema:
Die gleichzeitig veröffentliche “National Military Strategy of the United States of America” (NMS) von Stabschef General Richard B. Myers
http://www.defenselink.mil/news/Mar2005/d20050318nms.pdf
haben wir wegen Schnupfens schon gar nicht gelesen, sind aber sicher, dass wieder nur absolute Freaks eine Drehung finden, die man als bedeutsame Deklaration interpretieren könnte. Da Generalstabschef Myers aber am unteren Ende der Abfolge der Strategie-Papiere steht, werden nur noch drei (oder vier?) Deutsche sein Papier lesen. Frustriert werden auch die Autoren sein: Man hat sich mit der Militär-Lyrik so viel Mühe gegeben, alle politisch-inkorrekten Klippen umschifft - und jetzt soll das niemand lesen?

{Der eigene Beitrag zur Geschichte wird wenigstens gut bezahlt}

 

George W. Bush: bedeutend

3. Februar 2005

Nach der gestrigen Rede von U.S.-Präsident Bush zur “Lage der Nation” (53 min. incl. Beifall) kann sich nun jeder seine Interpretation der Zukunft stricken:
http://www.whitehouse.gov/news/releases/2005/02/print/20050202-11.html

Abseits des Textes waren zunächst Bilder impressiv. Ob und wie sie gewirkt haben, mag dahingestellt sein, sogar, ob sie inszeniert waren. Wenn die neben Laura Bush stehende Irakerin Safia Taleb al-Suhail, die als führende Demokratin und Menschenrechts-Aktivistin vorgestellt wird, die hinter ihr stehende Mutter des in Falludscha gefallenen Marine Corps Sergeant Byron Norwood in die Arme schliesst, werden Menschen bewegt werden.

Wer in den U.S.A oder weltweit den im Grunde schon jetzt von den Medien als “lahme Ente” eingestuften Texaner sowieso noch nie leiden konnte, wird die sicherheitspolitische Lyrik vom abgekupfernden Freiheitskämpfer Bush gleich überlesen.

Wer noch in der Lage ist, seine schäumenden Emotionen an den sechs Seiten Text zu bügeln, wird zumindest an der Wort-Abfolge zu klaren Sachverhalten feststellen müssen:

  • Die Palästinenser können sich nicht so richtig beklagen; immerhin will Bush 350 Mio. US$ für sie durch den Kongress bringen;
     
  • Sehr schnell wird Iran auf der Kriegsliste der Medien-Experten abrutschen. Dafür kommt Syrien auf Platz 1; wunderschön ist dabei, dass die zu zeichnenden Blitzkrieg-Szenarien so einfach sind;
     
  • Iran wird zwar als “primary state sponsor of terror” bezeichnet, aber auch hier wechselt das Kriegs-Szenar: Amerikanische Soldaten werden die iranische Freiheitsbewegung unterhaken;
     
  • Weil die saudische und ägyptische Regierung direkt zur Demokratie-Reform aufgerufen werden, darf man Bush-Aktionismus erwarten.

Vergeblich wird man das suchen, was sentimentale Konservative oder alternde Linksintellektuelle sich gewünscht haben mögen. Mit keinem Wort erwähnt werden:

  • U.N., Transatlantische Beziehungen, NATO, EU, ICC, Kyoto etc.
     
  • Für die innenpolitische Mobilisierung von Blutzoll und Dollars zu sicherheitspolitischen Zwecken (vorgegeben: Freiheit) wird weder GOTT noch die geschichtliche Mission Amerikas bemüht, sondern (nur noch) die “children and grandchildren”.

Natürlich kann man hieraus dem “lahmen” Bush wiederum einen ordentlichen Strick drehen:

  • Nachdem er in der 1. Amtszeit GOTT und sonstige MEGA-Treiber für seine Kriege mobilisiert hat,
  • streift er diese in seiner 2. Amtszeit ab, um sich selbst dickbramsig als Grossvater ins Geschichtsregal zu bugsieren.

Uns scheint, dass die Erde George W. wieder eingeholt hat. Wer immer sich - virtuell oder echt - in der Rolle des Grossvaters einfindet, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er unglaublich bedeutend ist.

{Es ist doch - gelinde gesagt (sorry) - Scheisse, wenn man nicht bedeutend ist}

 

S.E. Wolfgang Ischinger: Gemäkele

16. Dezember 2004

Nachdem wir bei www.spiegel.de “Deutscher Botschafter fordert von Bush Entgegenkommen” gelesen hatten, begann zunächst die Suche nach dem Original-Text. Ergebnis:

  • Die “Atlantic Times” ist nicht wirklich eine “US-Zeitung”, wie spiegel.de schreibt, sondern das Hausblatt der Deutschen Botschaft in den U.S.A.; Theo Sommer ist Executive Director, Rafael Seligmann Editor und Detlef Prinz der Publisher.
     
  • “The Atlantic Times” bekommen Amerikaner und Kanadier kostenlos; der Rest der Welt muss leider für das Jahres-Abo 125 EUR finden. Über den Internet-Auftritt des Blattes bekommt man leider die nicht uninteressanten Artikel auch nicht.

Letztlich haben wir den Artikel von S.E. Botschafter Wolfgang Ischinger auf der Website der Deutschen Botschaft gefunden:
http://www.germany-info.org/relaunch/politics/new/pol_bo_atlantic_times_12_2004.html

Schade, dass der Beitrag Ischingers nicht den Weg in eine der Hauptstadt-Zeitungen gefunden hat; sicher ist, dass er fleissig gelesen werden wird.

Wenn wir in die Rolle eines kritischen U.S.-Lesers schlüpfen, würden wir auf Ischingers teilweise “ungeduldigen” Fragen an die U.S.-Regierung etwa so denken:

  • Arabisch-Israelischer Konflikt:

    Der Botschafter vermisst augenscheinlich die “clear demonstration of the willingness of the United States to commit itself totally (sic!) to this task”.
    Wer immer sich den Floh vom “amerikanischen Imperialismus” hat ins Ohr setzen lassen, wird irgendwann erkennen, dass der nicht für die Lösung eines jeden Welt-Konfliktes hinreicht. Jederman weiss, dass die Palästinenser seit längerer Zeit auf dem Weg sind, ihren Weg zur “Road Map” zu finden, und die Israelis auch. Dieser Konflikt ist zwar nicht ohne ein massives Engagement von aussen zu lindern, aber auch nicht ohne Mindest-Standards von “innen”.

    Der Ischinger-Argumentation hängt eine fatale Schlussfolgerung an:
    Wenn der Konflikt nicht gelöst wird, sind die Amis schuld: Sie haben sich eben nicht “totally”engagiert!
     
  • Iran:

    “Ungeduldig” ist Ischinger, dass die U.S.A. endlich ihre Sanktionen gegen Iran aufheben und wieder diplomatische Beziehungen sowie auch bilaterale Verhandlungen mit dem Regime in Teheran aufnehmen.
    1. Frage: Ist es konzeptionell richtig, die Frage der Sanktionspolitik mit dem ganz anders gearteten Struktur-Element der geregelten beiderseitigen Beziehungen zu vermischen?
    2. Frage: Hat die U.S.-Regierung bisher nicht den “EU-3”-Ansatz unterstützt?
    3. Frage: Hat die iranische Regierung mit ihrer Position recht und will sie - ohne Vorbehalt - diplomatische Beziehungen mit den U.S.A.?

    Wieder verbleibt der Beigeschmack:
    Die U.S.-Regierung ist schuld, wenn es in der Iran-Frage nicht weitergeht.
     
  • “Geduldig” wartet Botschafter Ischinger auf mehr Interesse der U.S.-Administration zum Thema U.N.-Reform.
    Gerade ein paar mehr Tage sind vergangen, seit dem der U.N.-Reform-Bericht vorliegt; ein Jahr Debatte kann es nun geben. Wenn die neue U.S.-Administration vereidigt ist, wird irgendwann von ihr etwas zu hören sein. Auch hier ist schon abzusehen:
    Aus deutscher Sicht (deutscher Sicherheitsrats-Sitz incl. Veto-Recht) kann es nur heissen:
    Die Amis sind schuld.
     
  • Generell:

    Wenn man so intelligent ist wie Botschafter Ischinger, dann schreibt man mit Verstand:

    - “heimlich” das deutsche Interesse vertreten (ist o.k.);
    - immer schreiben: “die Europäer”;
    - wirklich strategische Punkte, wie die deutsch-französische Anti-U.S.-Hegemonie-Achse, ja nicht erwähnen;
    - und elegant auch mal die Europäer kritisieren (“translating words into deeds”), wobei dieser Vorwurf so tiefgreifend ist, dass er allein für ein längeres Essay ausreicht;
    - ganz unschuldig tun hinsichtlich des europäischen “Lobbying”, der europäischen “Interessen-Vertretung”.

Immerhin Hochachtung: Unser Bush-Botschafter hat sich aus der Deckung gewagt. Wir gehen mit Sicherheit davon aus, dass sein direkter Vorgesetzter sowie sein oberster Dienstherr irgend etwas an den zwei DIN-A4-Seiten zu kritteln hätten, wenn sie es denn überhaupt lesen würden.

{Lese nicht - Du ersparst Dir (nichtsnutziges) Gemäkele}

 

CIA: Schlaf

26. November 2004

Wer sich unbedingt politisch unkorrekt verhalten will, wird nicht umhinkönnen, sich den 11-seitigen “Unclassified Report to Congress on the Acquisition of Technology Relating to Weapons of Mass Destruction and Advanced Conventional Munitions, 1 July Through 31 Dezember 2003” abzuladen:
http://www.cia.gov/cia/reports/721_reports/july_dec2003.htm

U.E. ist beachtenswert:

  • Nord-Korea hat während der “Six Party Talks” im August 2003 gedroht, seine nuklearen Waffen-Fähigkeiten “to transfer or demonstrate”;
     
  • Unter der Rubrik “Key Suppliers” sind Russland und China zwar immer noch top-gelistet, aber nicht die Regierungen, sondern bestimmte Firmen. Erstaunlich ist, dass demnach die CIA über bestimmte Firmen-Exporte besser informiert ist als die heimische Regierung;
     
  • Ähnlich scheint es in West-Europa zu sein: Auch hier werden Firmen als “wichtige Quelle” für Informationen und Training bezüglich Massenvernichtungs-Waffen erwähnt;
     
  • Lesenwert ist insbesondere der Abschnitt über CBRN-Terror:
    - Für die “dirty bombs” gibt es immerhin eine neue Abkürzung: RDD (radiological dispersal devices);
    - Mehrere Mujahidin-Gruppen sollen Giftgas-Attacken in Europa geplant haben. Bürokratisch trocken sind dies zwar “smal-scale scenarios”, aber falls sie mehrfach/simultan eingesetzt würden und Hunderte von Opfern fordern würden, wäre wohl “weitverbreitete Panik” die Folge.

Da die CIA - nachhaltig in Sachen Irak bewiesen - nun wirklich keine glaubwürdige Informations-Quelle ist, dürfen wir uns getrost zu Bett begeben.

{Im Schlaf hat die Panik etwas freundlichere Gesichter!?}

 

U.S.-Wahl: 11 Tage

3. November 2004

Präsidentschafts-Bewerber George. W. Bush hat - im Gegensatz zu 2000 - zwar eine Wähler-Mehrheit von rund 3 Millionen, doch Präsident ist er nicht. Nachts um zwei Uhr in den Staaten, hat er im entscheidenden Wahlmänner-Staat Ohio (25 Electorals) zwar einen Vorsprung von 120.000 Stimmen (51/49 %), aber CNN hat den “Buckeye-Staat” grün gemalt: “to close to call” - im Gegensatz zu amerikanischen Konkurrenz-Sendern.

Der Secretary of State von Ohio, Ken Blackwill (Republikaner), hat auf CNN ganz entspannt erklärt, dass die sog. “provisional votes” (nach Blackwill 120.000, nach Kerry-Beratern 250.000) erst in 11 Tagen gezählt werden - zusammen mit den “absentee ballots” der Soldaten; die haben eine gesetzlich gesicherte Postlaufzeit von 10 Tagen. Da diese 11-Tage-Stimmen den derzeitigen Vorsprung von Bush noch kippen könnten, muss man sich entspannen; vielleicht mehr als 264 Stunden, Rechtsanwälte eingerechnet.

{Man sollte doch früher zu Bett gehen}

 

Wahl-Empfehlung: Wetter

2. November 2004

Die Wahl-Empfehlung ist doch wirklich einfach: Man muss sich nur vorstellen, wie ätzend die Welt-Debatte bei weiteren vier Jahren mit George W. Bush wäre:

  • Jeden Tag neue Schreckens-Szenare, welche Staaten Bush nun gerade wieder präventiv und pre-emptiv angreifen könnte - und immer nur wegen des Öls für Haliburton. Mindestens zwei Kriege: gegen Iran und Nord-Korea, Hunderttausende Tote;
     
  • rund 1.500 Tage mit neuen Verschwörungs-Theorien und tatsächlich massiven Fehlern, für die sich der Texaner nicht entschuldigt;
     
  • keinerlei Fortschritte in Nah-Ost und vier weitere Jahre 2. Intifada;
     
  • Und zum Schluss: Die europäischen Kult-Intellektuellen werden sich die Finger wundschreiben, dass die amerikanische Demokratie gerade in den Bush-Faschismus abrutscht. Mehr oder weniger: Bush = Hitler. Z.B. Prof. Ivan Nagel, Professor der Theaterwissenschaft (“Ähnlich verhängnisvolle Wahlen hat es seit Menschengedenken nur einmal gegeben: 1932 in Deutschland”):
    http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/feuilleton/390851.html

John F. Kerry wird uns all dieser furchtbaren Albträume entheben:

  • Er versichert immer wieder: “I have a plan” - “Hope is on the way” - “A Fresh Start for America”;
     
  • Die liberale und multilaterale Herangehensweise von J.F.K. wird die aktuellen Konflikt-Felder der Sicherheitspolitik friedlich einhegen.
     
  • Endlich wird Ruhe und Frieden einkehren - nach vier Jahren texanischer Teufelei, Quasi-Faschismus.
     
  • Die Europäer werden zu ihrem alten Selbstbewusstsein zurückfinden; die buschige Fratze imperialer Arroganz endet - wenigstens für vier Jahre.

Falls bei allem jemand heraushören sollte, dass wir nur unsere Ruhe haben wollen: Richtig!

Zum Millenium-”Fieber” hatten die Menschen weltweit noch eine Antenne für eine weltbewegende  “Aufgeregtheit”; die kann man doch nicht unendlich aufrechterhalten. Was ist, wenn alles mit einiger “Verspätung” eintrifft?

{Man muss zu allem heute die Wetter-Voraussage auf CNN gesehen haben}

 

Giorgio Agamben: to You

28. Oktober 2004

Paul Lersch von SPIEGEL-Online hat seine Geschichte sicherlich nicht geschrieben, um keinerlei Eindruck zu hinterlassen; wer möchte nicht Spin-Doctor der Weltgeschichte sein? Auf fast drei Seiten kann man verfolgen, wie man sich selbst subtil mit Hilfe des italienischen Philosophen Giorgio Agamben assoziativ in Sachen U.S.-Demokratie ein Stückchen in Hitlers Auschwitz wandern sehen könnte:
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,324365,00.html (27. Okt.)

Als Beweis für unsere Aussage führen wir Thomas Assheuer von der ZEIT (28/04, 9. Juli?) an. Liest man seine vier Seiten über Agamben (“Das nackte Leben”), begreift man die Problematik der Arbeit des an der Universität Verona lehrenden Philosophen, ohne so emotionalisiert zu werden, wie bei Herrn Lersch:
http://www.zeit.de/2004/28/st-Agamben

Trotz “Mainstream”, der “political correctness” in Deutschland, und sonstigen Quoten-Zoten: Man wird fragen dürfen:

  • Was war Abu Grahib?:
    - das von der Bush-Regierung georderte entmenschlichende Foltern? (wie es - nach unserem Kenntnisstand - nur Seymour Hersh im “New Yorker” behauptet hat),
    - oder, wie die bisherigen (natürlich aber verschwörungs-theoretisch verdächtigen) U.S.-Regierungs-Untersuchungen und der Verlauf der Gerichts-Prozesse nahelegen, Vergehen einzelner Personen?
     
  • Guantanamo:
    - War man in Afghanistan im Krieg gegen die Taliban oder nicht?
    - Gilt das Kriegsvölkerrecht (hier: “Anlage zum Abkommen Ordnung der Gesetze und Gebräuche des Landkrieges - Haager Landkriegsordnung - vom 18. Okt. 1907”, Art. 1 und - in fehlendem Bezug dazu - Art. 4, Abs. 2)?
    - seit wann hat die U.S.-Regierung erklärt, dass sie die Gefangenen in Guantanamo trotz fehlender Grundlage nach Art. 1 der Haager Landkriegsordnung (nach Art. 1, Abs. 1, bes. 2., 3., 4.) trotzdem nach Art. 4, Abs. 2 ( “Sie sollen mit Menschlichkeit behandelt werden”) betrachten will?
     
  • U.S. Patriot Act:
    Ordentliche Philosophen müssen sich ja nicht von ihren hehren, demokratischen  Top-Down-Positionen in die Niederungen der (igittigitt) “wehrhaften” Demokratie wagen. Im Gegenteil: Der sprachliche Rückgriff auf die bösartige Bedrohung - den 55 Millionen-toten Hitler-Faschismus - kann man elegant verwursten, um sich über alle Bottom-Up-Facts hinweg zu intellektualisieren; der Laden-Terrorismus ist nur eine nebensächliche “Law-Enforcement”-Angelegenheit - aber bitte liberal, ganz ohne footprint. Und dann dieses verdammte (demokratische?) Mehrheitsprinzip!

Zum Schluss soll man ja immer den “Ausgang” finden, die oft besungene “Exit-Strategy”: Sorry.

{Sun Tsu würde sagen: “It’s up to You”}

 

Skiba Op-Ed: Carry?

26. Oktober 2004

Alexander Skiba, noch studierender Politik-Wissenschaftler mit Schwerpunkt Sicherheitspolitik, hospitiert derzeit in Baltimore, U.S.A. Schon mehrfach bei uns als Autor vorgestellt, geben wir unserem “Amerika-Korrespondenten” gern die Möglichkeit zum Opinion-Editorial:

Kerry for Europe!?

Alexander Skiba, z.Zt. Baltimore

Manchmal ist es auch schön, in Baltimore zu leben - heute zum Beispiel. Ich mache mir gerade Gedanken, wo ich den sonnigen Nachmittag verbringen könnte, und plötzlich dröhnt Kindergeschrei durch die geöffneten Fenster: „John Kerry, John Kerry, John Kerry!“ Kein Witz: eine Gruppe fünf- bis siebenjähriger Jungs marschiert mit Kerry-Vorgartenschild ausgerüstet um meinen Block. „John Kerry, John Kerry, boo George Bush!“ Im kleinen Abell Park gegenüber von meinem Haus machen sie Halt und stimmen schon mal ab. Zur Probe. Kerry gewinnt haushoch.

In den deutschen Medien wird Kerry auch manchmal vorschnell zum Sieger gekürt und als Retter der transatlantischen Beziehungen gefeiert. Rein emotional gesehen mögen die Wahlkampf-Äußerungen des Senators über die Freunde und Alliierten ja Balsam für die alteuropäische Seele sein. Aber, wie einer meiner Professoren in Washington, John C. Hulsman von der Heritage Foundation, gern anmerkt: „If Kerry wins, there is no bad cop to blame anymore.“ Mit anderen Worten, die verrückten Neocons und ihre Marionette Bush können nicht mehr als europäischer Vorwand herhalten, um schwierige Entscheidungen hinauszuschieben.

Zum Beispiel im Irak. Eine der ersten Amtshandlungen eines Präsidenten Kerry wird es sein, sich Gerhard Schröder und Jacques Chirac ins Weiße Haus einzuladen und Tacheles über Irak zu reden. Mit seinen großspurigen Versprechen über einen frischen Start und das Anführen starker Allianzen hat sich Kerry selbst unter Druck gesetzt. Ein kleiner deutsch-französischer Sektor im Zweistromland, eher symbolisch in einem ruhigeren Gebiet, wäre daher eine Sauerstoffmaske für die halbtoten transatlantischen Beziehungen. Ich wette, im Kanzleramt gibt es schon die ersten kalten Füße. Nur Struck hat es bisher gewagt, öffentlich über ein deutsches Engagement nachzudenken...

Ähnliches gilt für den Iran. Die Europäer brauchen einen außenpolitischen Erfolg, und auch hier werden sie unter Kerry Farbe bekennen müssen. In 12-18 Monaten, so die gängige Schätzung, schließt sich der Handlungsspielraum und Iran wird Nuklearmacht. Wenn Kerry die Iranfrage in den  UN-Sicherheitsrat trägt (unabhängig welche Maßnahmen dort diskutiert werden), dann um Entscheidungen zu treffen. Und nicht etwa, weil die Vereinten Nationen in Kerry’s Weltbild einen Wert an sich hätten. Dann können die Europäer zeigen, ob sie bereit sind, „Verantwortung für die globale Sicherheit“ zu übernehmen. 18 Monate Handlungsspielraum maximal: Was zählt sind klare, mitunter folgenschwere politische Entscheidungen. Nuklearprogramme stoppt man nicht mit geduldigem Papier, insbesondere wenn es aus Brüssel kommt.

Professor Hulsman’s Prognose: Wenn in der Iranfrage kein transatlantischer Konsens zustande kommt, rutscht Kerry nach rechts und die Neocons übernehmen das außenpolitische Ruder. Also beibt die Frage: Ist Europa bereit für John Kerry?

Die Kinder von Gegenüber haben ihre Parade beendet. Das Vorgartenschild steht wieder im Vorgarten.

Herzliche Grüsse aus Baltimore!
Alexander Skiba

{Who cares - for whatsoever?}

 

Mythen: bürsten

19. Oktober 2004

Morgen werden die Briten wieder richtig was dazulernen: Die BBC wird die von Adam Curtis gefertigte, dreiteilige Dokumentation “The Power of Nightmares - The Rise of the Politics of Fears” ausstrahlen.

Aus dem Vorbericht des “Guardian”
http://www.guardian.co.uk/g2/story/0,,1327786,00.html
kann man entnehmen, dass es Osama bin Laden eigentlich gar nicht so richtig gibt, und dass hinter allem nur die von dem Philosophen Leo Strauss beeinflussten Neo-Konservativen (Neo-Cons - also die Bushies) stecken, deren Ziel, gemeinsam mit den Islamisten, ganz einfach ist: Sie wollen den Liberalismus abschaffen (siehe auch
www.netzeitung.de ). Auch der Terrorismus-Experte der ZEIT, Jochen Bittner, hat auf seinem Weblog schon den Hinweis auf die BBC-Show verfrühstückt. Sein Kommentar ist wirklich elegant:
“Vielleicht muss man manchmal etwas überspitzen, um zu verdeutlichen, gell? Aber da sie von der guten alten “Beep” kommt, schenken wir dieser steilen These zunächst einmal hohe kollegiale Achtung - und sei es nur für den geistigen Mut, gegen den britischen Mainstream zu bürsten.”

Auch die “Asian Times” sorgt für das Ende eines Mythos, den auch die abgrundtief bösen Bushies irgendwie erfunden haben: Auch Al-Zarqawi gibt es gar nicht so richtig:
http://www.atimes.com/atimes/Middle_East/FJ15Ak02.html

Es ist (noch) eine herrlich liberale Zeit, in der “geistiger Mut” etwas mit “bürsten” zu tun hat. Bürsten Sie doch auch mal drauf los. Wenn die Bushies gewinnen, ist damit sowieso Schluss!

{Gegen Bush ist Hitler doch ein Waisenknabe - gebürstet!}

 

Ron Suskind: well done

18. Oktober 2004

So sorry, wir haben ja keine Ahnung, deshalb versuchen wir es manchmal mit lesen. Es ist wieder die “New York Times”, die sich - amerikanischer Zeitungs-Tradition folgend - für John F. Kerry als nächstem U.S.-Präsident ausgesprochen hat.

Diesmal hat Ron Suskind einen 13-Seiten-Artikel im NYT-Magazine über den amtierenden Präsidenten verfasst (17. Okt. 2004: “Without a Doubt”):
http://www.nytimes.com/2004/10/17/magazine/17BUSH.html (kostenfreie Direktzugang muss angemeldet sein - lohnt sich).

Die Lektüre ist eine Sache, die Beurteilung für Europäer eine andere. U. E. schliesst Ron Suskind eine Glaubens-bezogene Einordnung der Politik des U.S.-Präsidenten nicht aus. Für atheistische Intellektuelle europäischer Herkunft ist dies schon die erste übergrosse Hürde, den NYT-Artikel für nachdenkenswert zu halten. Ignoriert man das, wird es am Ende (den Gesamt-Artikel im Denk-Speicher) zu spannend, denn R. Suskind schreibt über seinen Dialog mit dem Prediger Jim Wallis. Demnach werden die unentschlossenen U.S.-Wähler vor der Frage stehen, ob G.W. Bush zu “tieferer Reflexion” fähig ist, und nicht - wie viele Menschen es sich wünschen - sich durch “leichte Selbstgewissheit” (easy certainty) im Glauben tummelt. Wenn wir es richtig verstanden haben, fällt Ron Suskind zu dieser Frage kein entgültiges Urteil über G.W. Bush.

Sich hierzulande mit so etwas zu beschäftigen, ist ja nun der reinste Quatsch. Für wieviele qualifizierte Zeitgenossen steht denn nicht eh fest, dass der amtierende U.S.-Präsident in eigentlich manifester Nachfolge von Adolf Hitler steht: der hat sich ja schliesslich auch mit dem Mäntelchen des “religiösen” Erweckers zur Bestie aufgeschwungen.

Was würde nur aus diesem so schönen Europa werden, wenn G.W. Bush wiedergewählt wird? Wären Sie evtl. bereit, zur Abwendung dieses Unheils wenigstens ein einziges Mal zu beten?

{Well done (?!?!)}

 

Matt Bai: lesen

15. Okt. 2004

Wir haben schon mehrfach den Hinweis in der U.S.-Presse gelesen, dass in der “New York Times” ein Artikel gestanden habe, der lesenswert sei. Auf Seite 7 (der 12 Seiten) angekommen, sind wir sicher, ihn unseren Usern zur Lektüre zu empfehlen: Nicht, dass er vorab als Anti-Kerry-lastig angesehen werden sollte, sondern weil er die Kernfrage der Situations-Befindlichkeit der U.S.-”Seele” bohrt, ob man im Krieg ist oder nicht:
Matt Bai, “Kerry’s Undeclared War”, New York Times, 10. Oktober 2004:
http://www.nytimes.com/2004/10/10/magazine/10KERRY.html?adxnnl=1&oref=login&adxnnlx=109 7816575-Kxu6FUxz4LjB6REdvSxPyA  (kostenfreie Direktzugang muss angemeldet sein).

{Wer denkt, muss ja nicht unbedingt wählen}

 

U.S.-Army: verstehen

11. Oktober 2004

Versuchen Sie es doch, bei dem sicherheitspolitischen Denk-Panzer “Stiftung Wissenschaft und Politik” ( www.swp-berlin.org ) die 20-seitige Papierfassung der Studie
“Die U.S. Army nach dem Irakkrieg - Lehren und Versäumnisse” von Benjamin Schreer, zu bestellen; Online gibt es nur eine kurze Zusammenfassung.

Benjamin Schreer hat sauber herausgearbeitet, dass

  • die 482.000 Army-Soldaten unter ihrer gold-betressten Führung nur “fight and win the nation’s war” sollen;
     
  • es augenscheinlich den 205.000 Soldaten der U.S. Army Reserve und den 350.000 Soldaten der Army National Guard überlassen bleiben soll, einen “Stabilisierungs”-Krieg zu führen, “aufzuräumen”, wie derzeit im Irak oder Afghanistan.

Natürlich erscheint die Kritik von B. Schreer sehr plausibel. Demnach wäre vor allem die politische Führung der U.S.-Army in Gestalt des Verteidigungsministers gefordert, dem Truppen-Gattungs-Unwesen der amerikanischen Grauröcke Einhalt zu gebieten.

Allerdings ist auch eine Alternative denkbar:

  • Auch in Deutschland soll es “Eingreif-Kräfte” geben, die nie und nimmer für Stabilisierungs-Einsätze angesetzt werden würden. Sie werden vorgehalten für den -wann auch immer eintretenden - Fall eines “hochintensiven” Konflikts;
     
  • Strukturell vergleichbar meint die U.S. Army, eine Streitmacht von knapp 0,5 Mio. SoldatenInnen vorhalten zu müssen, die nach einer gewissen Wahrscheinlichkeitsrechnung aus der Bedrohung (hoffentlich) nie zum “hochintensiven” Einsatz kommen (Korea, Iran, Taiwan):
     
  • Praktisch meint ja die Unterscheidung zwischen Eingreif- und Stabilisierungs-Kräften, dass die entsprechenden Soldaten auf beide Einsatz-Formen nicht zu trainieren sind;
     
  • Direkt ausgesprochen könnte man der Führung der U.S. Army unterstellen, dass sie mit ihrem (heimlichen) Kurs “kalkulatorisch” den politischen Hype der irakischen Verluste unterläuft mit der selbst attestierten “Weitsicht” auf die wirklichen Kriege, die da kommen werden.
     
  • Zu selten werden nicht die organisatorischen, sondern die faktischen Fehler diskutiert: Die Anforderungen des “counter-insurgency-warfare” sind seit 1992 (“Black hawk down”) bekannt; sie müssen im Strudel der Beförderungs-Geilheit einiger Goldfasane verschüttet worden sein.

Schwierig ist unsere Positionsbestimmung:

  • Die U.S.A. können nicht eine Militär-Macht “vorhalten”, die weltweit vom “Space War” bis zum Kleinkrieg in Sadr-City alle Optionen für den publikumswirksamen Krieg/Sieg  bereithält. Trotzdem versuchen sie es - good luck (?);
     
  • Wären die Europäer mit ihrem zivil-mächtigen Ansatz erfolgreicher?
     
  • Werden zwischendurch Ereignisse eintreten, die alle wohlfeilen Planer als Scharlatane darstehen lassen?

So sorry, wir haben auch unsere Schwierigkeiten, alles wirklich zu verstehen.

{Wer versteht schon, was er versteht}

 

Cheney/Edwards: + Patricia

6. Oktober 2004

Man darf sich eine Debatte wie die zwischen Vize-Präsident Dick Cheney und U.S. Senator John Edwards (Vize-Kandidat) nicht entgehen lassen:

  • Edwards meint, dass sich die Situation im Irak aufgrund der Inkompetenz der amtierenden U.S.-Regierung “worse” entwickelt habe. (wirklich? - wegen der Inkompetenz?);
     
  • Edwards wiederholt das (“stich”haltig wirkende) Argument aus der Bush/Kerry-Debatte, dass die Bushies bin Laden in Tor Bora hatten und ihn den afghanischen Warlords überlassen haben: Keine Reaktion von Cheney! Jeder Betrachter muss meinen: Jawohl, so war es (wirklich?);
     
  • Cheney’s Hit: Edwards wird in seiner Heimat-Zeitung als “Mr. Gone” tituliert. Cheney: Treffe ihn heute zum ersten Mal (heisst: Edwards ist nie im Senat gesehen worden - wirklich?);
     
  • Punktet Edwards mit: “taxcuts ... taxcuts ... taxcuts? Edwards argumentiert: Kerry hat 600-mal für taxcuts gestimmt! (nicht wirklich?);
     
  • Edwards punktet, von Cheney unwidersprochen (!): Die Millionäre liegen an ihrem Swimming-Pool und bezahlen weniger Steuern als die Soldaten im Irak (!!!) - wirklich?;

Interessant ist wieder, was CNN über Bill Hemmer und seine Truppe von “Un-Entschiedenen”, die mittels Electronic-Plus/Minus ihren Reaktions-Detector während der Debatte bedienen, berichtet. Die zwei signifikanten Ausschläge sind:

  • Cheney punktet massiv mit seinen Bemerkungen zum Thema “Gay-Marriage”;
     
  • Edwards gewinnt mit seiner Verurteilung des “Outsourcing” von Arbeitsplätzen massiv.

Natürlich darf die “Style”-Einschätzung nicht fehlen:

  • Cheney hat bei seinen Gegnern den “Darth Vader”-Nimbus (siehe www.starwars.com ). Deshalb sitzt er, die Arme auf dem Tisch abgestützt, mit leicht gesenktem Kopf antwortend (für Non-verbales nicht zu empfehlen);
     
  • Edwards löst sich vom Tisch mit glänzender Körpersprache (es wird zum Schluss kontraproduktiv zu glänzend).

Dass unsere ganze o. a. Mühe komplett umsonst war, hat Patricia Schlesinger, bis vor kurzem Korrespondentin in Washington, nun in leitender Position beim NDR, in ihrem Kommentar (ARD-Tagesthemen nach 22.30) vor dem Cheney/Edward-Event empfohlen (aufgrund der gestrigen Rumsfeld- und Bremer-Äusserungen zum Irak-Krieg, die selbst wiederum massiv interpretationsbedürftig sind):

  • “... Und wir? Wir wissen nun, dass unser Misstrauen gegen Amerika berechtigt ist, egal unter welchem Präsidenten. Amerika wird es schwer haben, unser Vertrauen wieder zurückzugewinnen. Ich wünschte, es wäre anders.”

Gelungen ist Patricia natürlich die Nummer mit den Gutmenschen-Krokodils-Tränen ... “ich wünschte”. Für Senator Kerry’s “Global Test” (letztlich undefinierte Mischung aus angeblichem demokratischen Multilateralismus und angeblichem republikanischen Unilaterismus) ist Patricia’s “Sippenhaftung” allerdings keine gute Vorbedingung.

{Eines steht schon fest: Die Deutschen gewinnen wenigstens WW III und WW IV!}

 

Bush/Kerry: mixed signals

1. Oktober 2004

Hinter einer guten analytischen Auswertung eines Kommunikations-Krieges wie dem zwischen den Präsidentschafts-Bewerbern Bush und Kerry gestern verbirgt sich eigentlich eine Mammut-Aufgabe. Unter den Kommunikations-Gurus wird allgemein gehandelt, dass das Wirkungs-Verhältnis zwischen “style and substance” (non-verbaler - Körpersprache - und verbalem Ausdruck - der Sachaussage) eine 50 zu 50-Angelegenheit sei. Wer von dieser Doktrin abweicht, schiebt (nur) die Wirkung des non-verbalen Anteils nach oben, bis auf 80 %.

Bezüglich des non-verbalen Stils titelt SPIEGEL-Online direkt nach der Debatte: “Kühler Kerry, souveräner Bush”. Ob heutzutage Coolness oder Souveränität besser ist, wissen wir nicht. CNN hat - leider viel zu kurz - die einzige Methode gezeigt, deren Existenz wir seit mehr als 10 Jahren kennen und die empirisch-wissenschaftlich ist: Nimm 10 bis 20 Studenten (möglichst neutral), statte sie mit einem Plus/-Minus-Impulsgeber aus und lasse sie während der ganzen Debatte ihre Plus- oder Minus-Impulse über einen Elektronic-Kasten eintippen. Nur die Aufzeichnung eines solchen zeitnahen Wirkungs-Impulses gibt nähere Daten über die kommunikative Wirkung von Probanden (eigentlich non-verbal und verbal).

Nicht unwesentlich ist, wie sich die von den Probanden dargestellten Sach-Inhalte in der Print-Medien-Diskussion fortsetzen. Während Amtsbewerber Bush seinen bisherigen Kurs - wie könnte es auch ander sein? - verteidigte, wartete Herausforderer Kerry u.E. mit beachtenswerten Alternativen für den zukünftigen aussenpolitischen Kurs der U.S.A. auf:

  • Kerry hat einen “Plan” für die Irak-”Misere”. Zentraler Punkt dieses Plans ist, die Verbündeten an den Ohren herbeizuziehen, meint vor allem Frankreich und Germany (wir haben vor Tagen einen U.S.-Zeitungsbericht gelesen, der über ein dementsprechendes Gespräch zwischen Kerry-Aussenminister-Kandidat Richard Holbrooke und Kanzler Schröder berichtet hat: Schröder sei massiv ängstlich davon angetan, von Kerry ins Weisse Haus zitiert zu werden - feine Ironie). Allein die Aufarbeitung der Irak-Inhalte würde seitenlang werden.
     
  • Sehr wichtig war Kerry’s Vorwurf: “turned away from the table”:
    Kerry vermittelte den Eindruck, als würden unter seiner Führung die U.S.A. an den Verhandlungstisch in Sachen Internationaler Gerichtshof, Kyoto-Abkommen und Kernwaffen-Test-Stop (Modernisierung nuklearer Waffen) zurückkehren (wer die Inhalte in der Sache kennt, wird Amtsbewerber Kerry keinen Glauben schenken).
     
  • In Sachen Nord-Korea will Kerry zu bi-lateralen (anstatt der “Six-Pac”) Verhandlungen zurückkehren. Warum der Multilateralist Kerry gerade hier zurückrudert, haben wir nicht verstanden.

Den (strategisch) intellektuell interessantesten Begriff hat u. E. George W.Bush besetzt: Don’t send “mixed signals”. Allerdings sollte jedermann Verständnis dafür haben, dass in einem Wahlkampf keine “clear signals” versandt werden können.

Es ist so tröstlich, dass die kommunikative Wirkungsanalyse einen derartigen Nachdruck auf die non-verbalen Aspekte legt. Die Auseinandersetzung über die verbalen Aspekte wäre so nervtötend, dass man den Eindruck hätte, dass das Leben an einem vorbeigegangen wäre.

{Lebe non-verbal - es ist so erfrischend (?)}

 

Bush/U.N.: belief

22. September 2004

21 Minuten hat U.S.-Päsident George Walker Bush gestern die rund 200 Regierungsvertreter der 59. U.N.-Vollversammlung beschallt. Da sich die gesamte Welt im (Wahl)Kampf befindet, werden wir nicht den tödlichen Fehler begehen, uns in der Kommentierung auf die eine oder andere Seite zu schlagen. Wenn wir dennoch einen “Fehler” in der Bush-Rede reklamieren, dient dies nur zur eigenen intellektuellen Überhöhung.

Gleich zu Beginn (S. 1, unten) schildert der U.S.-Präsident die Greuel-Taten der Terroristen gegen “every charter of liberty ever written”, dann mit der doppelt erwähnten Formel: “They believe ... (dictators, suicide, murder)”.

Danach folgt der u.E. zu diskriminierende Satz von G.W. Bush:
 “And they act on their beliefs”.

Für den Begriff “belief” wird deutsch angeboten: 1. Glaube, 2. Vertrauen (in eine Sache), 3. Anschauung/Überzeugung (Aldi’s “Profi-Translator”).

Natürlich hat G.W. Bush die Rede nicht selbst geschrieben; sie ist durch tausend Prüf-Teams gegangen. Wer hat aber dafür gesorgt, dass dieser absolut “liberale” Satz passiert ist? Denn unter dem Giga-Metodrom der Gleichheit aller Menschen hat er fatale Wirkung:
“Everyone acts on his (own) belief”. Zu deutsch: Jeder macht, was er meint (will)!

Wie man es dreht und wendet: Dieser Bush-Satz ist entweder

  • ein Fehler,
  • eine “gnädige” Entschuldigung oder
  • eine analytische Feststellung, die einem wohlverstandenen “Fatalismus” huldigt.

{Dem Kommunismus folgt der Fatalismus}

 

John F. Kerry: swift

13. August 2004

Welche Spannung noch für den Präsidentschafts-Wahlkampf in den U.S.A. zu erwarten ist, zeigt die muntere Abfolge von schwer zu beurteilenden Buch-Erscheinungen, die erstmals den demokratischen Amts-Bewerber John Forbes Kerry zentral treffen könnten. Am 15. August erscheint “Unfit for Command”:
http://www.thbookservice.com/BookPage.asp?prod_cd=c6527

John F. Kerry, der auf dem Nominierungs-Konvent der Demokraten in Boston eine “Band of Brothers” zum Beweis seiner Heldentaten im Vietnam-Krieg präsentiert hatte, bekommt mit dem Buch eine augenscheinlich ziemlich dicht dokumentierte Abrechnung, die das Gegenteil beweisen will.

Zudem gibt es eine Website, auf der die “Schnell-Boot-Kameraden” (Swiftboat-Veterans) per Dauerfeuer den Ex-Kameraden versenken wollen:
http://www.swiftvets.com/index.php

In den nächsten Wochen wird man sehen, ob und wie die führenden und Meinung prägenden Medien der U.S.A auf die Geschichte reagieren. Werden Scharen von Investigativ-Journalisten ausgesandt, um der Sache auf den Grund zu gehen? Entwickelt sich ein Medien-Momentum, welches sich zu Ungunsten von J.F.K. neigt? U. E. ist www.realclearpolitics.com als tägliche Sammlung wichtiger U.S.-Zeitungs- und Zeitschriften-Artikel ein akzeptabler Führer durch den Dschungel Amerika - wer immer Informationen über deren “partisanship” und bessere Websites hat, möge uns Ahnungslosen bitte helfen.

{Nicht nur Politik ist Krieg: Jene gegen Diese - und das Weltkind staunt inmitten}

 

General a. D. Tommy Franks: blessings

10. August 2004

Schon vor einer Woche hat das U.S.-Magazin “Parade” sein Interview mit General a.D. Tommy Franks veröffentlicht; der seit dem Juli 2003 im Ruhestand befindliche 59-jährige befehligte immerhin den Krieg gegen das Saddam-Regime und die Taliban.

Seit gestern kann man kostenlos “The General Has His Say” herunterladen:
http://archive.parade.com/2004/0801/0801_tommy_franks.html

Wer Tommy Frank’s Buch “American Soldier” nicht kaufen (und lesen) will, dem wird für eine differenzierende Meinungsbildung der 5-seitige Parade-Text reichen. Wir verzichten auf eine Aufzählung der wichtigsten Punkte, weil wir urlaubsmüde sind, und vor allem den Anreiz des Selbst-Lesens erheblichen erhöhen wollen. Ausserdem kann man sicher sein, dass mit dem Text die vielen gegenteiligen Mutmassungen zu wichtigen Einzelfragen ungestört munter weiter-wabern werden.

Eine Passage möchten wir dennoch zitieren, weil sie ein Thema berührt, welches uns fasziniert, und den immensen kulturellen Unterschied zwischen amerikanischem und europäischem Denken ausdrückt:

  • “The blessings of this country are not by accident.”

Ohne den SPIEGEL-Titel von dieser Woche gelesen zu haben, resümieren wir: Die Europäer lieben den Zufall, die Amis die Fügung. Es wird Zeit, dass über dieses mega-strategische Thema eine sicherheitspolitische Abhandlung geschrieben wird. Oder gibt es sie schon? Danke für Hinweise.

{Die Axt im Haus erspart die Grundsatz-Diskussion}

 

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